Interviews

Interview mit Robin Cornelius

Die Produkt-DNA als Teil der unternehmerischen Verantwortung

Robin Cornelius, Gründer der ökologischen Textilfirma Switcher sowie der Firma Product DNA SA, über die Rückverfolgbarkeit von Produkten, Transparenz als Marketinginstrument und die unternehmerische Verantwortung für eine Marke.
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Herr Cornelius, seit Anfang der 1990er-Jahre engagieren Sie sich für nachhaltige Produktionsprozesse. Zunächst bauten Sie Ihr Unternehmen Switcher zu einem Öko-Label um, dann gründeten Sie die Product-DNA SA. Worum geht es dabei konkret?

Es geht um die Rückverfolgbarkeit von einem Produkt. Die Endverbraucher sollen wissen, wo ein Produkt hergestellt wurde und unter welchen sozialen und ökologischen Bedingungen. Viele Firmen haben gute Produkte und Marken, bei denen man aber nicht weiss, wie sie produziert werden. Der Umwelt-Erdgipfel von 1992 inspirierte mich dazu bei der Firma Switcher, die ich damals leitete, auf Nachhaltigkeit zu achten sowie auf soziale Probleme wie Kinderarbeit und Gleichberechtigung von Mann und Frau.

Und wie kann der Konsument die Entwicklung eines Produktes zurückverfolgen?

Auf unserer Webseite «respect-code.org» finden die Kunden Informationen über alle Produktionsstufen eines Produktes, von dem Anbau beziehungsweise der Gewinnung von Rohstoffen Transport, Verarbeitung der Rohstoffe und so weiter bis zum fertigen Produkt. Wir zeigen die Zertifikate der beteiligten Unternehmen sowie Fotos von den Betrieben. Für die Kunden ist das kostenlos. Auf der Webseite kann man die Rückverfolgung von derzeit 44 Millionen Produkten ersehen.

Wer finanziert diese Dienstleistung?

Viele Unternehmen haben ein grosses Interesse daran, für das Publikum transparent zu sein und zu zeigen, dass ihr Produkt unter einwandfreien sozialen und ökologischen Bedingungen hergestellt wird. Diese Unternehmen bezahlen für unsere Dienstleistungen.

Beraten Sie Ihre Unternehmenskunden auch, wie sie eine Beschaffungskette optimal gestalten können?

Ja, wir überwachen die Beschaffungskette permanent und spüren Risiken und Schwachstellen auf. Dann beraten wir die Kunden über mögliche Verbesserungen. Solche Veränderungen brauchen natürlich immer Zeit, zum Beispiel, wenn ein Lieferant Zertifikate braucht und dafür seinen Betrieb umstellen muss. Die Unternehmer sind daran interessiert, ihren Konsumenten eine möglichst optimale Beschaffungskette zu präsentieren und wir beraten sie bei der Organisation.

Wie viel kostet Ihre Dienstleistung?

Das kostet nicht viel, oft nicht einmal ein Prozent des Warenwertes. Natürlich kommt es auf die Beschaffungskette an, je einfacher diese ist, umso günstiger wird die Recherche. Aber wenn man für eine Marke Waren im Wert von einer Million Franken beschafft und 5000 bis 10 000 Franken für unsere Dienstleistung bezahlt, ist das wenig. Marketingbudgets sind normalerweise wesentlich höher. Je mehr Firmen wir beraten, umso mehr Informationen haben wir zur Verfügung. Das bewirkt, dass unsere Dienstleistung auf Dauer billiger wird. Ein wichtiger Aspekt ist, dass Transparenz auch die Risiken für Produkte wesentlich vermindern kann. Wenn schädliche Produkte auf den Markt kommen, ist die finanzielle Einbusse, die durch Prozesse und Ruf-schädigung entsteht, kaum zu berechnen.

Unterstützen Ihre Unternehmenskunden auch Produzenten in Entwicklungsländern?

Wenn man in einem Land einkauft, muss man etwas zurückgeben. Durch die Transparenz begreifen die Unternehmer, dass sie in die Beschaffungskette investieren müssen. Wir beraten sie, wie sie bessere Arbeitsbedingungen schaffen können. Für eine qualifizierte Marke sollte man auch in Löhne investieren, einige Cents pro Produkt ergeben beinahe die Hälfte eines dreizehnten Monatslohns. Und wenn Produzenten für Überstunden mehr bezahlen müssen, werden solche vermieden.

Ein Containerschiff braucht pro Stunde 10 000 Liter Schweröl. Kann der Kunde feststellen, wie viel von dieser Energie für sein Produkt verbraucht wird?

Ein Beispiel: Mit einem Lastwagen können 50 T-Shirts mit einem Liter Benzin von Osteuropa in die Schweiz transportiert werden. Für den Transport von China aus mit Containerschiff und Lastwagen benötigen zehn T-Shirts einen Liter Benzin. Solche Zahlen werden den Kunden bekannt gegeben. Der Kunde kann auch den Ressourcen- oder Wasserverbrauch verfolgen, zum Beispiel was nötig ist für den Anbau, die Herstellung, den Transport und so weiter.

Wie gut eignet sich diese Transparenz als Marketinginstrument?

Rückverfolgbarkeit ist neu als Marketinginstrument, aber es geht nicht in erster Linie darum. Firmen haben immer die Verantwortung für eine Marke. Diese ist immer ein Symbol. In die Transparenz einer Marke zu investieren, lohnt sich für das Unternehmen. Der Endverbraucher möchte mit gutem Gewissen schlafen. Wir helfen ihm beim Entscheidungsprozess vor dem Einkauf. Die Konsumenten erhalten die Antwort auf ihre Fragen über die Herstellung: Warum wurde eine Marke entwickelt? Wie beziehungsweise unter welchen sozialen und ökologischen Bedingungen werden die Produkte hergestellt? Wo wird produziert? Dafür interessieren sich auch die Einkäufer von grösseren Unternehmen, besonders wenn ihre Firmen mit Nachhaltigkeit und fairem Handel werben.

Wie denken die Produzenten und Lieferanten über Ihr Unternehmen?

Normalerweise stehen die Leute, die mit der Produktion beschäftigt sind, im Schatten. Wir stellen sie ins Licht. Unsere Arbeit ist, die Informationen zu sammeln, auch mithilfe von NGOs. Jedes Unternehmen der Beschaffungskette hat etwas zu gewinnen. Man erhält in der Öffentlichkeit Informationen über seinen Betrieb, man sieht Fotos und so weiter.

Wie gewährleisten Sie den Innovationsschutz?

Manchmal haben die Produzenten Angst, dass ein Konkurrent ihre Produkte imitiert. Wenn es in einer Region gute Produkte, aber eine geringe Kapazität gibt, wollen die Unternehmer oft die Bezugsquelle nicht preisgeben. In solchen Fällen ist Geheimhaltung möglich. Man zeigt allenfalls Bilder, die bezeugen, dass alles ordnungsgemäss produziert wird, ohne den Ort zu nennen.

In welchen Ländern besteht besonderes Interesse der Rückverfolgbarkeit?

International würde ich sagen, im Norden Europas und Deutschland. In Holland und Skandinavien ist das Interesse grösser als im Süden von Europa. Ich bin der Meinung, dass alle visionären Firmen daran sehr interessiert sind.

Sie haben im Jahr 1981 die Firma Switcher gegründet. Was war Ihr Antrieb, Unternehmer zu werden?

Ich studierte Politikwissenschaft an der Handelshochschule. Anschliessend habe ich noch zwei Jahre das Fach britische Wirtschaft studiert. Statt in ein bestehendes Unternehmen einzutreten, wollte ich eine eigene Firma gründen. Davon musste ich erst einmal selber überzeugt sein. Ich sprach daher mit der Familie und Freunden darüber, wie sie über meine Ideen dachten. Nach dieser Phase war ich meiner Sache endgültig sicher. Dann musste ich Partner finden und einen Bankkredit beschaffen.

Welches waren Ihre grössten Schwierigkeiten in der Startphase?

Das Problem war, dass ich an der Hochschule theoretisch gelernt hatte, wie man Businesspläne erstellt und sonst bei der Gründung eines Unternehmens vorgehen muss. Die Leute erwarten aber, dass man praktische Erfahrung hat, aber diese kommt erst mit der Zeit. Immerhin überzeugte mein Businessplan die Leute von der Bank.

Wie konnten Sie überzeugen, oder anders gefragt: Wie unterschieden sich Ihre Produkte von denen der Konkurrenz?

Wir wollten Basismode von guter Qualität produzieren, die man nicht schon nach einem halben Jahr entsorgt. Neu war, dass wir farbige Sweat-Shirts und T-Shirts herstellten mit totaler Lagerverfügbarkeit. Dafür hatten wir ein Färbeverfahren mit Siebdruck entwickelt und kreierten ein markantes Firmenlogo.

Sie sind für Switcher nicht mehr operativ tätig, wer leitet Switcher heute?

Schon 2007 wurde Switcher nicht mehr von mir, sondern von einem anderen CEO geführt. Im Jahr 2011 hat Alban Dupuis die Firmenleitung übernommen.

In Ihrem Buch «Das Switcher-Prinzip» vertreten Sie die Meinung, dass man weniger konsumieren soll. Können Sie Beispiele nennen?

Ich plädiere dafür, dass Unternehmen Kleider produzieren, die länger halten. Verkauft man weniger pro Kunde, muss man mehr Fans gewinnen. Dazu sollte es die Möglichkeit geben, Qualitätskleider oder Schuhe reparieren zu lassen. Oder statt importiertem Gemüse, das womöglich aus Übersee stammt, konsumiert man am besten einheimisches Gemüse in der Saison, in der es geerntet wird.

Herr Cornelius, noch eine letzte Frage: Die meisten Konsumenten stehen einer nachhaltigen Produktion positiv gegenüber, nicht jeder möchte dafür aber auch bezahlen. Der hohe Frankenkurs könnte diese Einstellung zementieren. Inwieweit ist Ihr Geschäft davon betroffen?

Der hohe Frankenkurs betrifft uns nicht wirklich. Die Switcher-Produkte werden vor allem in der Schweiz verkauft.

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