Herr Heinisch, Weleda schrieb 2011 noch zehn Millionen Franken Verlust. Das Unternehmen war unter der damaligen Führung in eine Schieflage geraten. Die Eigentümerschaft setzte daraufhin den kompletten Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung ab. Was hat Sie damals besonders an der Aufgabe gereizt, die Geschäftsführung und die Sanierung zu übernehmen?
Die unternehmerischen Gestaltungsspielräume. Mir war Weleda als eine aussergewöhnlich starke Marke bekannt, die mit den Geschäftsbereichen Naturkosmetik und Naturarzneimittel voll im Trend liegt und damit über ein aussergewöhnliches Potenzial verfügt. Ausserdem passte die Unternehmensphilosophie hervorragend zu meinen eigenen Wertvorstellungen.
Das ist fünf Jahre her. Können Sie zusammenfassen, was in dieser Zeit passiert ist? Welche waren die Ursachen für die Schieflage und welche die Erfolgsfaktoren des Turnarounds?
Zu dem Verlust im Jahr 2011 kam es, weil die Umsätze in der Naturkosmetik nach vielen Jahren dynamischen Wachstums rückläufig waren. Die hohen einkalkulierten Verluste im Arzneimittelbereich konnten deshalb nicht wie in den Vorjahren vollständig kompensiert werden. In einer konzertierten Aktion von Mitarbeitenden, Verwaltungsrat und Geschäftsleitung ist es gelungen, die Umsätze um mehr als 30 Prozent zu steigern, die Produktivität um mehr als 25 Prozent zu verbessern und die Finanzschulden von netto mehr als 100 Millionen Franken vollständig abzubauen, ohne Abstriche bei der Werteorientierung zu machen. In relativ kurzer Zeit ist es so gelungen, die drei Dimensionen für nachhaltiges Wirtschaften – Ökonomie, Ökologie, Soziales – in eine gesunde Balance zu bringen. Dafür wurde Weleda 2014 mit dem Preis der Jubiläumsstiftung der Basellandschaftlichen Kantonalbank in der Kategorie Wirtschaft ausgezeichnet.
Wenn Sie die Situation heute mit der vor fünf Jahren vergleichen: Was ist die grösste Veränderung?
Es ist das Bewusstsein, dass für ein nachhaltig erfolgreiches Wirtschaften die gesunde Balance von Ökonomie, Ökologie und Sozialem entscheidend ist. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass für Investitionen Gewinne erwirtschaftet werden müssen und die Versorgung der anthroposophischen Therapierichtung mit Arzneimitteln langfristig nur möglich ist, wenn diese auch rentabel sind.
Wie steht Weleda heute da?
Weleda ist heute ein gesundes Unternehmen. Mit dem kompletten Abbau der Nettoverschuldung, einer stabilen Ertragslage, einer starken Marktstellung im Bereich zertifizierter Naturkosmetik und einem aussergewöhnlich positiven Markenimage ist Weleda gut auf die nächsten Herausforderungen vorbereitet.
Und an welchen Stellen gibt es noch Veränderungsbedarf beziehungsweise muss noch nachjustiert werden?
Alles fliesst – wie bereits Heraklit festgestellt hat. Das erfordert noch grössere Agilität. Zusätzlich sind Globalisierung und Digitalisierung dabei, unsere Welt zu verändern. Und wir haben auch noch «Hausaufgaben» zu machen: Die Profitabilität der Arzneimittel zu erreichen, die Internationalisierung voranzutreiben sowie Forschung und Entwicklung auszubauen.
Wie ist Ihr Produktportfolio aktuell gestaltet, nach Segmenten und gewinnbezogen?
Wir veröffentlichen jährlich einen umfassenden Geschäfts- und Nachhaltigkeitsbericht, in dem alle für die Öffentlichkeit bestimmten Informationen enthalten sind. Etwa zwei Drittel unseres Umsatzes machen wir mit Naturkosmetik und rund ein Drittel mit Arzneimitteln. Mit der Naturkosmetik verdienen wir Geld, mit den Arzneimitteln leider noch nicht.
Welche Produkte wären zusätzlich denkbar?
In der Naturkosmetik hat das Sortiment noch reichlich Potenzial. Dieses Jahr werden vermehrt Produkte in Kategorien gelauncht, die bisher noch nicht im Sortiment sind.
Wie definieren Sie Ihre Zielgruppe, heute und morgen?
Weleda ist sehr stark bei jungen Familien und in der Altersgruppe ab 40 plus. Unsere Kunden sind zum grössten Teil Frauen. Das heisst aber nicht, dass dies immer so bleiben muss.