Herr Dr. Blocher, beginnen wir aus aktuellem Anlass mit einem Abstecher ins Ausland. Die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten und die ersten Monate seiner Amtszeit kommentieren die meisten Leitmedien als Schock; Stimmen aus Wirtschaft und Politik prophezeien negative Konsequenzen auch für die Schweiz. Wie ist Ihre Meinung?
Amerika hat eine gute Verfassung, dort verträgt man auch Präsidenten, die problematisch sind. Der Kongress ist ziemlich stark und schafft einen Ausgleich. Ähnlich wie in der Schweiz, wo das Volk als Korrektiv gilt. Wir gehen da noch weiter; wir wollen gar keinen so mächtigen Präsidenten. Es ist für uns hier in der Schweiz schwierig, Herrn Trump zu beurteilen. Wenn man nach der Presse urteilt, wäre er ja ein Trottel, ein Rüpel, ein Weiberheld und was sonst noch alles Böses.
Ich beobachte – ohne Vorurteil –, was er bisher getan hat. Er hat Leute für sein Kabinett ernannt, die hochqualifiziert sind und eine starke eigene Meinung haben. Weil es so viele Leute gibt, die Trump kritisch auf die Finger schauen, bin ich auch zuversichtlich, dass er gar nicht so viel falsch machen kann. Das war anders bei Obama, dem man schon den Friedensnobelpreis überreichte, bevor er richtig angefangen hat zu arbeiten. Doch so viel Krieg wie unter seiner Amtszeit hat kaum ein anderer
Präsident hinterlassen.
Was halten Sie als Unternehmer von Präsident Trumps Wirtschaftspolitik?
Wirtschaftspolitisch hat er in wenigen Tagen mehr gemacht als der Vorgänger in einem Jahr. Er stoppte das transpazifische Abkommen TTP. Ob dies gut kommt oder nicht, wird man sehen. Auch die Schweiz war damals vorsichtig. Als ich im Amt war, wollte die Schweizer Regierung einen Freihandelsvertrag mit den USA ausarbeiten, was aber dann unter anderem deshalb gescheitert ist, weil die Amerikaner unseren Patentschutz nicht anerkennen wollten. Dazu kamen ungelöste Probleme bezüglich Landwirtschaft. Trumps angekündigte Steuersenkung für die Unternehmen dürfte die Wirtschaft in Schwung bringen. Skeptisch bin ich über seine Pläne, die Produkte, welche die USA an China verloren haben, zurückzuholen.
In China produziert man nun einmal billiger als in den USA. Und ich glaube kaum, dass die Amerikaner ein Mehrfaches bezahlen wollen und können. Er will Zölle von 30 Prozent erheben. Das gibt zunächst teurere Massenprodukte, was für die USA sehr nachteilig sein wird. Da könnte Präsident Trump vielleicht für einmal von der Schweiz lernen. Auch unser Land hat billige Massenprodukte an China verloren, weil sie dort zu viel tieferen Preisen hergestellt werden. Darum musste die Schweiz hochstehende Produkte entwickeln, die man in China nicht herstellen kann. Trump müsste dasselbe in der amerikanischen Wirtschaft anstreben; dann aber müsste er das Bildungssystem ändern.
Apropos China: Als eines der innovativsten Länder der Welt steht die Schweiz auch im Fokus chinesischer Unternehmen. Wie lässt sich ein Ausverkauf der Innovationen verhindern?
Ich bin der Meinung, dass es ein Gesetz geben muss, nach dem für das Land entscheidende Firmen und kritische Infrastrukturen nicht ins Ausland verkauft werden dürfen, zum Beispiel Flughäfen oder entscheidende Elektrizitätsversorger. Sonst besteht die Gefahr, dass man uns beispielsweise den Strom abstellt oder sonst erpresst. Es gibt einen entsprechenden Vorstoss im Parlament, den ich unterstütze. Hingegen habe ich bei vielen privaten Firmen, zum Beispiel bei Syngenta, nichts dagegen, wenn die Chinesen sie übernehmen.
Und welche Geschäfte haben Sie selber schon in China gemacht?
Zwischen 1983 und 2003 haben wir 117 grosse Fabriken in China für die Synthesefasern gebaut. Also für Produkte, die man in der Schweiz, ja in ganz Europa nicht mehr konkurrenzfähig produzieren konnte.
Es gibt die Auffassung, dass die Schweiz beim Freihandelsabkommen mit China den Kürzeren gezogen habe, weil die Chinesen an unsere Landwirtschaftsprodukte unerfüllbare Anforderungen stellen. Wie beurteilen Sie das?
Dieses Abkommen ist ein Anfang und unvollständig. Man hat vor allem Zollerleichterungen von Massenprodukten erreicht. Das ist aber noch kein Nutzen für die Schweiz, sondern vorab für China. Es muss nun das Gewicht auf anspruchsvolle Produkte gelegt werden, für die man in China noch nicht über die geeignete Technik verfügt. Wenn man mit den Chinesen verhandelt, muss man sich allerdings auf die Hinterbeine stellen.
Die Schweizer Regierung zeigt aber auch gegenüber der EU wenig Selbstbewusstsein. Wie könnte sich das ändern?
Unsere Politiker stehen nicht mehr zu den schweizerischen Grundsätzen. Letztlich wollen sie, dass sich die Schweiz an die EU anbindet. Das ist schon seit 30 Jahren so. Sie haben immer Angst, sie könnten die EU-Politiker verärgern. Über die Masseneinwanderungsinitiative hat Bern in den letzten drei Jahren gar nie richtig verhandelt. Sie gingen nach Brüssel, um wie kleine Kinder das Mami zu fragen, ob sie etwas richtig gemacht hätten. Etwas mehr Selbstbewusstsein wäre angezeigt. Denn wir sind ein wichtiger Kunde der EU.