ICT & Technik

Cloud-Computing

Worauf es bei der Auslagerung von Kernanwendungen ankommt

Immer mehr KMU möchten Kernanwendungen wie das Enterprise-Resource-Planning (ERP) in die Cloud auslagern. Hohe Flexibilität, Skalierbarkeit und Verfügbarkeit sowie geringe Anfangskosten sind einige der Vorteile. Doch bei der Migration sind einige Punkte zu beachten.
PDF Kaufen

Lange Zeit war Cloud-Computing praktisch nur ein Marketing-Begriff, doch inzwischen wollen immer mehr Unternehmen die Vorteile dieses Ansatzes nutzen. Dazu gehören eine grössere Flexibilität und Skalierbarkeit sowie geringere Anfangskosten. Insbesondere schnell wachsende Unternehmen müssen neue Kapazitäten ohne Zeitverzögerung aufbauen können.

Diese dynamische Skalierbarkeit gewährleistet eine passende Cloud-Lösung, da die Unternehmen keine neuen Server selbst installieren müssen. Dabei sorgt eine Breitband-Anbindung für ausreichende Kapazitäten. Gleichzeitig sind die Kosten abhängig von der Anzahl der Anwender sowie der Nutzungsdauer exakt kalkulierbar. Zudem wird oft eine höhere Verfügbarkeit, Schnelligkeit sowie IT-Security gewährleistet, als dies viele kleine und mittelständische Unternehmen selber leisten können.

Status in der Schweiz

Im Vergleich zu anderen Ländern sind die meisten Schweizer Firmen kritischer gegenüber der Cloud eingestellt. Dies hat der «Cloud Vendor Benchmark 2016» der Experton Group ergeben. Doch trotz der Bedenken der Mehrheit gibt es auch in der Schweiz immer mehr Unternehmen, die umdenken und aufgrund der geforderten Einsparung der Kosten und der Modernisierungsprozesse Cloud-Lösungen einführen.

Ein wichtiger Punkt ist der immer stärkere internationale Wettbewerbsdruck. Häufig erwirtschaften selbst kleine Unternehmen heute schon einen grossen Teil ihrer Umsätze im Ausland, zum Beispiel über eigene Online-Shops oder Kooperationen mit Grosshändlern wie Amazon. Damit müssen sie aber auch die Daten aus Kernanwendungen wie dem ERP-System in Echtzeit weltweit bereitstellen.

Dies können sie nur mithilfe neuer Technologien wie Cloud-Computing. Der Ansatz ermöglicht die Konzentration auf das Kerngeschäft, die geplante Reduktion oder Auslagerung der IT-Infrastruktur sowie dezentrale Architekturen mit internationalen Standorten. Die Angebote haben sich hier technisch deutlich weiterentwickelt. Denn inzwischen lassen sich auch Cloud-Anwendungen individualisieren. Besonders für Applikationen wie Enterprise-Resource-Planning (ERP), die das Rückgrat der Unternehmens-IT bilden, spielt das eine wichtige Rolle. Hier muss sich die Cloud-Lösung in der notwendigen funktionalen Tiefe und Breite an die Geschäftsprozesse anpassen lassen.

Erste Überlegungen

Wer sich überlegt, ob er ERP aus der Cloud beziehen soll oder nicht, sollte zuerst prüfen, wo er bei den Themen Ressourcen, Geschäftsanforderungen und Sicherheit steht: Wie ist die eigene IT-Infrastruktur in Bezug auf Personal und andere Ressourcen ausgelegt? Können wichtige Anwendungen wie ERP-Systeme ausfallsicher geführt werden? Besteht grundsätzlich Bedarf, Kapazitäten flexibel anzupassen, und das bei gleichbleibender Performance – wie es in wachsenden oder schwankenden Geschäftsfeldern erforderlich sein kann?

In Bezug auf die IT-Sicherheit und -Verfügbarkeit ist zu ermitteln, welche Anforderungen und Service-Level-Agreements zu erfüllen und wie redundant die IT-Systeme im Rechenzentrum und in der Cloud auszulegen sind. Falls etwa die Sicherheit von zwei vollständig redundanten Rechenzentren nötig ist, bietet sich die Auslagerung des ERP-Betriebs an einen professionellen Anbieter an. Denn nur wenige Mittelständler können es sich leisten, zwei komplette Rechenzentren zu betreiben.

Unternehmen geben dabei jedoch häufig sensible Daten, etwa aus der Produktion oder dem Finanzbereich, in die Hände eines Cloud-Anbieters. Daher spielen dessen Sicherheitsmassnahmen eine sehr wichtige Rolle. Indikatoren für einen sorgfältigen Umgang mit geschäftskritischen und personenbezogenen Daten sind der Betrieb eines zweiten Rechenzentrums sowie ein nach ISO 27001 zertifiziertes Informationssicherheits-Management. Zudem sollten sich die Cloud-Rechenzentren in der Schweiz, Österreich oder Deutschland befinden, um die hier geltenden strengen Datenschutzregeln einzuhalten.

Cloud-Ansätze

So unterschiedlich wie die mittelständischen Unternehmen sind auch die Cloud-Ansätze. Dies beginnt schon mit der Frage, ob alle Anwendungen und Daten aus der Private Cloud betrieben werden oder auch die Public Cloud genutzt werden kann. Selbst Cloud-basierte und lokal installierte Software schliessen sich nicht aus. Letztlich entscheiden die individuellen Geschäftsanforderungen, ob ein Mittelständler ERP aus der Cloud, eine On-Premise-Lösung oder eine Mischform nutzen sollte.

Wer zum Beispiel gerade erst ein modernes Rechenzentrum aufgebaut und Kernanwendungen neu aufgesetzt hat oder über eine personell starke IT-Abteilung verfügt, wird eher nicht über einen kurzfristigen Wechsel in die Cloud nachdenken. Dagegen ist eine Cloud-Lösung besonders interessant, wenn das Unternehmen ohnehin ein neues ERP-System plant, nur wenige eigene IT-Fachkräfte hat oder das Rechenzentrum grundlegend erneuern und ausbauen muss. Eine sinnvolle Alternative zum Eigenbetrieb kann eine vollständige Nutzung von ERP aus der Cloud auch für schnell wachsende Unternehmen sein, die nur über geringe IT-Ressourcen verfügen. Sie können damit schnell neue Benutzerkonten zu fest kalkulierbaren Kosten einrichten. Dies ermöglicht die Konzentration auf die Weiterentwicklung von Produkten und Services.

Mischformen

In vielen Fällen erweisen sich Mischformen als sinnvolle Variante. Denn häufig besteht die optimale Lösung darin, Anwendungen aus der Cloud mit Funktionalitäten aus bestehenden On-Premise-Lösungen zu koppeln. Dazu werden die bestehenden Applikationen und Infrastrukturen zum Beispiel über Webservices mit ERP aus der Cloud verbunden.Solche Mischlösungen eignen sich insbesondere auch für Unternehmen mit Auslandsgesellschaften. Sie können neue internationale Standorte schnell und flexibel über eine Cloud-Lösung an ein bestehendes ERP-System anbinden. Die Anfangsinvestitionen bleiben dabei überschaubar und der Cloud-Anbieter garantiert die globale Verfügbarkeit der Daten. Im Schweizer Mutterunternehmen läuft das ERP-System dann weiter auf der eigenen IT-Infrastruktur.

Für Unternehmen, die ihre IT verschlanken oder Kernanwendungen wie ERP nicht mehr selbst betreiben möchten, bietet sich der Aufbau einer gehosteten Private Cloud an. Wenn der Provider dabei Software, Dienstleistung und Support aus einer Hand bietet, können sie von einfacherem Management und integrierten Lösungen profitieren.

Bei der Entscheidung für einen Cloud-Anbieter sollten die Mittelständler darauf achten, dass alle bisher verfügbaren Funktionalitäten auch in der Cloud bereitstehen. Bei Bedarf bildet dies einen ersten Schritt hin zu einer kompletten Auslagerung der IT in die Cloud. Denn anschliessend können sie schrittweise weitere Anwendungen und auch Kern-applikationen der IT, wie das ERP-System, in die Cloud migrieren.

So lassen sich im letzten Schritt alle Lösungen sowie zusätzlich weitere angebundene Systeme vollständig aus der Cloud betreiben. Doch nicht für alle Mittelständler eignet sich eine solch umfassende Cloud-Strategie, denn die Lösungen müssen den individuellen Anforderungen des Unternehmens wirklich gerecht werden.

Porträt