Kein Gewinn ohne Sinn
Industrie 4.0 beziehungsweise Digitalisierungsprojekte machen auch in produzierenden Firmen nur dann Sinn, wenn es wirklich einen solchen gibt – und die Mitarbeiter ihn erkennen. Beispielsweise kann es mehr Aufwand als Ertrag bringen, die Herstellung von kleinen Stückzahlen mittels digitalen Tools zu standardisieren. Das gilt umso mehr, wenn die Mitarbeiter eingespielte, im Resultat effiziente Abläufe aufgeben müssen.
Die Sinnermittlung spielt also noch vor der Zieldefinition eine zentrale Rolle. Darum gilt es, vorab es eine Vielzahl von Fragen zu beantworten.
Dazu zählen:
- In welchem Bereich beziehungsweise bei welchen Abläufen überwiegt der Nutzen von Digitalisierungsanstrengungen?
- Sind die betroffenen Mitarbeiter willens, die Veränderung mitzugestalten, oder stemmen sie sich dagegen?
- Lassen sich die Vorteile in absehbarer Zeit praktisch umsetzen, einfach messen und klar kommunizieren?
Erst wenn ein breit abgestützter Konsens über die Notwendigkeit von Digitalisierungsanstrengungen vorliegt, drängt sich die Definition der Ziele auf. Für Unternehmen mit technisch hochstehenden Produkten, die typischerweise Nischenmärkte bedienen, hat sich dabei ein gezieltes, etappenweises Vorgehen als sinnvoll erwiesen.
Kleine Schritte, grosse Ziele
Zwei Beispiele aus der Schweizer KMU-Industrie belegen, dass schon kleine digitale Fortschritte grossen Nutzen stiften und sowohl Bereitschaft als auch Geschwindigkeit für weitere Projekte ankurbeln können.
Beispiel 1: Im ersten Fall ging es um die Nachrüstung des Maschinenparks zur Erkennung der Maschinenbediener auf Basis bereits verwendeter Technologie für das Gebäudezutrittsmanagement. Die Entwicklung einer kundenspezifischen Edge-Lösung samt RFID-Leser in Kombination mit einer SQL-Datenbank ermöglichte nicht nur die beabsichtigte Gewinnung neuer Informationen, sondern auch die Berechnung weiterer Kennzahlen aus der Produktion für die Herstellkosten-Kalkulation.
Beispiel 2: Mittels einer massgeschneiderten Software-Brücke erhalten die Mitarbeiter an den Produktionsmaschinen im zweiten Fall dezentralen Datenzugriff auf das ERP. Die bidirektionale Kommunikation zwischen den Systemen auf Basis des Microservices-Framework Dapr und unter Verwendung des MQTT-Protokolls hat zu geschätzten jährlichen sechsstelligen Kosteneinsparungen durch beschleunigte Prozesse geführt.
Dank der Systemoffenheit sind die Einführung an weiteren Produktionsstätten sowie die flexible Weiterentwicklung für neue Anwendungsfälle geplant.
Fortschritt mit Unabhängigkeit
Bei den oben umrissenen Beispielen liessen sich Sinn und Nutzen der Digitalisierungsprojekte rasch bejahen beziehungsweise umsetzen und messen. Ein profundes Verständnis der bestehenden Prozesse sowie eine schlanke, offene Lösung war beiden Projekten ebenfalls gemeinsam.
Neben technischen Gründen sprechen häufig auch finanzielle Aspekte für die Entwicklung von firmenspezifischen Lösungen. Kleine und mittlere Firmen können sich teure und oft auch aufgeblasene Standardlösungen mit teuren Lizenzgebühren in der Regel schlicht nicht leisten. Für sie macht ein schrittweises Vorgehen doppelt Sinn.
Harmonie zwischen dem Vorgehen in Richtung «Industrie 4.0» und dem Unter-nehmensrhythmus verbessert die Erfolgsaussichten von Digitalisierungsprojekten.
Dann werden aus Schlagwörtern verständliche, greifbare Vorteile:
- umfassende Messung relevanter Produktionsprozesse und -daten
- Identifikation und Realisierung von Optimierungspozentialen
- datengestützte Verbesserung von Abläufen und Ressourcenverbrauch
- Kostensenkungen, Effizienz- und Qualitätssteigerungen
- digitale Transformation für regulatorische Compliance und zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit
Fazit
Für das Gelingen von Digitalisierungsprojekten in KMU sind neben technischen Faktoren auch organisatorische und finanzielle Aspekte entscheidend. Speziell Technologiefirmen in Nischenmärkten müssen ihren Weg mit dem Ziel Industrie 4.0 in Einklang mit der Unternehmenskultur meistern.
Unabhängig davon, ob Unternehmen die Projekte in Eigenregie oder mit externem Support durchführen, sollten schlanke, technologieoffene Lösungen etappenweise zur Anwendung gelangen. Dann liegen gleichzeitige Kostensenkungen und Akzeptanzsteigerungen drin. So können Unternehmen ihre Produktionsprozesse von «Black Boxes» zu «Glass Boxes» verwandeln und bessere, datengestützte Entscheidungen treffen, um ihre Prozesse zu verbessern.