ICT & Technik

Cloud Computing

Massgeschneiderte Lösungen sind noch Mangelware

Cloud Computing ist vor allem unter Grossunternehmen und Privatnutzern populär. Erst wenige KMU haben die Technik für sich entdeckt. Das ist wenig erstaunlich, denn noch mangelt es an spezifischen Angeboten für KMU.
PDF Kaufen

Cloud Computing ist ein IT-Sourcing-Modell, bei dem IT-Dienstleistungen in Echtzeit über das Internet bereitgestellt werden. Die Dienste können so bedarfsgerecht und flexibel genutzt werden, wobei nur die effektiven Kosten anfallen. Es ist wenig überraschend, dass sich diese Technologie bei Unternehmen steigender Beliebtheit erfreut. Der Markt verzeichnet derzeit zweistellige Wachstumsraten.

Performance entscheidet

Grossunternehmen entwickeln entsprechende Lösungen selbst oder in Zusammenarbeit mit grossen IT-Dienstleistern, beispielsweise um Kundendaten von unterwegs abzurufen und zu managen. Doch auch Privatpersonen nutzen Cloud-Angebote immer bereitwilliger. Sie bringen ihre Archive in den Wolken von iCloud und Dropbox unter oder nutzen Dienste wie Evernote als virtuelles Gedächtnis. Experten zufolge werden solche «Personal Clouds» den heimischen Computer in den nächsten Jahren vermehrt als Mittelpunkt des digitalen Lebens ersetzen.

KMU hingegen entdecken die Cloud erst zögerlich. Noch mangelt es an massgeschneiderten Lösungen. Hier steckt viel Potenzial.

Cloud Computing ermöglicht grosse Vorteile für Unternehmen: Infrastruktur und Kosten lassen sich einsparen, die Flexibilität kann erhöht und die Reak­tionsgeschwindigkeit gesenkt werden, um nur die wichtigsten zu nennen. Das ist allerdings nicht zwingend so. Entscheidend für den Erfolg ist die Performance und Verfügbarkeit eines Dienstes. Kann ich mich darauf verlassen, dass ich jederzeit von überall her Zugriff habe? Weitere Aspekte, die es insbesondere bei externen Anbietern zu beachten gilt, sind die Sicherheit der Daten vor fremdem Zugriff sowie die Rechts­sicherheit. Was, wenn der Gerichtsstand des Anbieters in China, Indien oder den USA ist?

In solchen Fällen ist es für Schweizer Unternehmen schwierig bis unmöglich, bei Schäden, Datenverlusten, Vertragsverletzungen etc. mit realistischen Erfolgsaussichten juristisch vorzugehen. Grosskonzerne haben gegebenenfalls genügend Verhandlungsmacht und können den damit verbundenen hohen Aufwand stemmen, auf KMU trifft das hingegen nicht zu. Aus diesen Gründen sind viele KMU Cloud-Lösungen gegenüber skeptisch. Nicht ganz zu Unrecht. Entscheidend ist das Vertrauensverhältnis zwischen Kunde und Dienstleister. Dieses entsteht nicht spontan, sondern muss über die Zeit entwickelt und aufgebaut werden. Vielfach geht es ja nicht um eine Nebensache, sondern um Daten, die über Erfolg oder Misserfolg des Unternehmens entscheiden.

Damit sich eine Cloud-Lösung lohnt, muss sie sich nach den Bedürfnissen des Unternehmens und seiner Mitarbeitenden richten, nicht umgekehrt. Für Global Player mit einer kritischen Masse und entsprechenden Mitteln lohnt sich da oft eine Eigenentwicklung. Bei KMU mit wenigen Nutzern hingegen kaum. Standardlösungen von führenden Cloud-Anbietern sind zwar vergleichsweise günstig, doch vielfach berücksichtigen sie zu wenig die individuellen Bedürfnisse des Unternehmens. Auch sprachliche und kulturelle Barrieren können ein Hindernis sein: Lösungen aus Fernost oder den USA bieten vielleicht keine bzw. nur mangelhafte deutsche Versionen an, oder die Benutzeroberflächen folgen einer ungewohnten Logik.

Ein möglicher Weg aus dem Dilemma ist es, die Kräfte zu bündeln und spezifische Lösungen gemeinsam zu entwickeln, zu betreiben und zu nutzen. Solche Services, die von mehreren Unternehmen verwendet werden, lassen sich unter dem Begriff «Community Clouds» zusammenfassen. Durch die gemeinsame Nutzung der In­frastruktur können signifikante wirtschaftliche Vorteile entstehen. So könnten sich beispielsweise verschiedene Weinbauer am Bodensee zusammenschliessen, um eine Cloud-Lösung für eine gemeinsame E-Commerce-Entwicklungsumgebung zu nutzen. Oder Biotechunternehmen rund um Zürich nutzen ihre Synergien im Bereich der Infrastruktur und modellieren sowie automatisieren biochemische Prozesse. Solche Community Clouds, die erst zögerlich verwirklicht werden, versprechen grosses Potenzial.

Der Vorteil nutzungsabhängiger Abrechnungsmodelle liegt eindeutig in der Flexibilität und der damit verbundenen Risikominimierung. Eine punktgenaue Prognose der Planung von IT-Ressourcen ist oft gar nicht oder nur schwer möglich. KMU stehen bisweilen vor dem folgenden Dilemma: Sie haben entweder zu viel oder zu wenig Rechnerkapazitäten. In der Folge können sie ihre Dienstleistungen bei starker Nachfrage nur zu höheren Kosten erbringen. Betrachten wir ein KMU, das sich wetterbedingten saisonalen Nachfrageschwankungen stellen muss, zum Beispiel ein Speiseeisproduzent. Seine E-Commerce-Applikationen unterliegen über das Jahr gesehen einen stark variierenden Bedarf. Im Winter könntener seine Ressourcen jedoch einem Online-Kaufhaus, das für gewöhnlich zur Weihnachtszeit die höchste Auslastung verzeichnet, zur Verfügung stellen. Die gemeinsame Kapazitätsauslastung steigt, die variablen Kosten für beide Unternehmen sinken. So entsteht eine Win-win-Situation.

Der Speiseeisproduzent hat vermutlich wenig Vorbehalte gegenüber einer Zusammenarbeit mit einem Online-Kaufhaus, sofern diese Sinn ergibt. Die Idee, mit den unmittelbaren Konkurrenten aus der Region zusammenzuarbeiten, mag für manche Unternehmer hingegen befremdlich wirken. Doch warum eigentlich nicht?

In einer zunehmend globalisierten Wirtschaft müssen sich auch KMU immer häufiger dem globalen Wettbewerb stellen. Im Supermarkt konkurrieren die erwähnten Bodensee-Weine nicht nur untereinander, sondern auch mit Wallisern, Franzosen, Italienern, Spaniern oder gar Australiern und Argentiniern. Zudem: Wenn von einer Massnahme die ganze regionale Branche profitiert, entwickelt sie sich insgesamt weiter. Am Konkurrenzverhältnis der betreffenden Unternehmen untereinander ändert sich aber wenig. Zudem haben jene, die sich gegen ein Engagement entscheiden, das Nachsehen, wenn sich die Cloud-Lösung als Erfolg herausstellt. KMU sollten beim Thema Cloud also auf Kooperation setzen und nicht auf Konkurrenz.

Grundsätzlich lässt sich jeder Dienst bzw. jede Applikation in einer Cloud ausführen. Dienste aus der «Public Cloud» sind primär auf horizontale Lösungen fokussiert. Branchen- bzw. regionaltypische funktionale und nichtfunktionale Anforderungen werden dabei allzu oft vernachlässigt.

Unternehmen, die in derselben oder einer ähnlichen Branche arbeiten, sind in der Regel den gleichen gesetzlichen Regelungen bzw. Service Level Requirements unterworfen. Als Beispiele sind das Gesundheitswesen oder auch die öffentliche Verwaltung zu nennen. Compliance-Richtlinien würden hier die Verwendung öffentlicher Clouds sehr erschweren oder gar verbieten.

Ob Cloud Computing sich für den Einsatz in einer Community lohnt, kann nicht pauschal beantwortet werden. Vielmehr muss das Ziel bzw. die Vision der Community untersucht werden. KMU in der Finanzdienstleistungsbranche, die beispielsweise verpflichtet sind, eine Systemverfügbarkeit von 99,99 Prozent zu garantieren, würden durch eine gemeinsame redundante Archivierung (Backup) immense Kostenersparnisse realisieren.

Eine Community muss sich jedoch nicht nur auf eine Branche beschränken. Es kann bei Aufgaben wie Kommunikation, Kollaboration oder ortsgebundene Logistikprozesse ebenso sinnvoll sein, sich auf eine bestimmte Region zu konzentrieren.

Eine entsprechende Initiative zu starten, ist natürlich nicht einfach. Zuerst gilt es, IT-Anbieter zu identifizieren, welche in der Lage sind, die gewünschte Lösung zu entwickeln. Dann gilt es, gemeinsam die Spezifikationen vorzunehmen.

Schliesslich sind genügend Mitstreiter zu gewinnen, damit die Entwicklungskosten pro Community-Unternehmen tief bleiben. Dabei können sich Organisationen wie Verbände, Standortförderungen oder Cluster-Initiativen als hilfreich erweisen. Sie agieren als Bindeglied im Dienste der Sache und achten darauf, dass die Partikularinteressen einzelner Beteiligter nicht Überhand nehmen. Verbände kommen auch als Eigentümer der Lösung infrage. Die Lösung wird mit den Beiträgen der Mitglieder entwickelt und kann dann gegen eine Lizenzgebühr von diesen genutzt werden. «

Porträt