ICT & Technik

Robotik

Einen Vorsprung bei der Automatisierung sichern

Nachdem Industrieroboter seit Jahrzehnten erfolgreich im Einsatz sind, nutzen Unternehmen zunehmend auch Software-Roboter, um manuelle Tätigkeiten aus der Verwaltung, im Front- wie im Backoffice zu automatisieren. Die Einsatzmöglichkeiten für die sogenannte Robotic Process Automation (RPA) sind vielfältig.
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Industrieroboter sind seit Jahrzehnten in zahlreichen Branchen und Unternehmen rund um den Globus im Einsatz und bieten viele Vorteile. Neben der Produktivitätssteigerung in der Fertigung nehmen sie Arbeitern auch gesundheitlich belastende und unbeliebte Arbeitsschritte ab. Immer mehr Unternehmen setzen nun auch Software-Roboter ein, um manuelle Tätigkeiten aus der Verwaltung, im Front- wie im Backoffice zu automatisieren.

Einfache Zugriffsmöglichkeiten

Robotic Process Automation (RPA) übernimmt für die Mitarbeiter all jene repetitiven Tätigkeiten, die bisher nicht automatisiert wurden, weil dies zu teuer war oder bislang die technischen Möglichkeiten fehlten. Zwar existieren einige Technologien, auf denen RPA heute basiert, schon seit Jahrzehnten (wie etwa das Auslesen von Bildschirminformationen per Screen-Parsing), allerdings sind erst heute Rechengeschwindigkeit und Datenverarbeitung so weit fortgeschritten, dass eine Automatisierung effizient ist. Zudem bieten sowohl Legacy-Systeme (Altsysteme) als auch neue Systemlösungen mittlerweile einfachere Zugriffsmöglichkeiten für Roboter, beispielsweise über standardisierte Web Services. Dadurch können Roboter ohne grossen Entwicklungsaufwand über unterschiedliche Mandanten und Instanzen hinweg eingesetzt werden.

Viele RPA-Tools kombinieren mehrere Funktionsbereiche wie API-Konnektoren (Application Programming Interface: Schnittstelle zur Anwendungsprogrammierung), Chat-Funktionen, Screen-Parsing, Textanalyse oder E-Mail-Scripting. Durch diese Vielfalt und die oft einfache Möglichkeit, über Drag-and-Drop-Konfiguratoren eigene Roboter zu erstellen, können ohne grossen Programmieraufwand viele computerbasierte Aufgaben eines Mitarbeiters abgedeckt werden.

Einsparungen und Effizienz

Unternehmen können durch den Einsatz von Robotern innerhalb kurzer Zeit signifikante Einsparungen erzielen. In vielen Fällen kann bereits innerhalb von sechs Monaten mit einer Amortisierung gerechnet werden. RPA senkt die Kosten und verbessert so die Effizienz der Aufgabenerledigung: Die Qualität der Prozesse und deren Geschwindigkeit steigt, da Roboter weniger fehleranfällig sind als Menschen und Aufgaben in deutlich kürzerer Zeit erledigen können. Ein Roboter benötigt im Gegensatz zum Menschen auch keine Erholungspausen.

In der Regel beginnt man bei der Automatisierung mit häufig ausgeführten Tätigkeiten, die auf einem feststehenden Regelwerk und klar definierten Prozessen basieren. Ein entscheidender Punkt bei der Einführung von RPA-Lösungen ist der schnelle Start mit wenig komplexen Prozessen und einfachen Entscheidungsregeln. Der Umfang der Roboter kann nach erfolgreichen ersten Schritten im Anschluss zügig vergrössert werden, womit auch eine Ausweitung des zugrundeliegenden Regelwerks sowie des Entscheidungshorizontes einhergeht. Sollten dem Roboter ungenügende oder fehlerhafte Daten bereitgestellt werden, die eine weitere Ausführung des Prozesses verhindern, wird die entsprechende Prozessinstanz ausgesteuert und einem menschlichen Mitarbeiter zur weiteren Prüfung übergeben.

Doch RPA bringt nicht nur Kostenvorteile, auch Mitarbeiter und Kunden profitieren. Mitarbeiter im Bereich Reporting verbringen in der Regel 60 bis 85 Prozent ihrer Zeit mit monotonen Aufgaben wie Datenaggregation und Datenaufbereitung. Wenn Roboter diese repetitiven Aufgaben übernehmen, bleibt den Mitarbeitern mehr Zeit, sich auf wertschaffende Aufgaben wie Analysen und Einschätzungen zu konzentrieren. Neben der Entlastung der Mitarbeiter von oft ermüdenden Aufgaben entsteht auch hier für das Unternehmen ein Mehrwert. Führende Experten auf dem Gebiet der Prozessautomatisierung sehen RPA sogar als grosse Chance für die Mitarbeiter und stellen klar: «RPA takes the robot out of the human». Und tatsächlich stehen in den meisten Unternehmen, die sich mit RPA beschäftigen, die Mitarbeiter der neuen Technologie aufgeschlossen gegenüber. Kunden spüren den Einsatz von RPA in der Regel durch die verbesserte Qualität und Geschwindigkeit der Kundenservices. Weiterhin können Unternehmen zudem die durch RPA erzielten Kosteneinsparungen direkt an den Kunden weitergeben.

Anwendungsszenarien

Oft ist RPA eine schnelle und günstige Lösung für Unternehmen, um in der Vergangenheit nicht getätigte IT-Investitionen effizient kompensieren zu können. Früher bestand für die Vernetzung von Systemen nur die Möglichkeit, eine feste Schnittstelle zu implementieren. Eine teure und selten flexible Lösung, da bei der Programmierung der Schnittstelle alle Eventualitäten und Fälle berücksichtigt werden mussten. Für Unternehmen lohnte sich dieser Schritt in den meisten Fällen nicht, zumal dieser Ansatz in der Regel einen Eingriff in bestehende Anwendungen bedeutete.

Heute lassen sich mit Robotern schon viele Funktionalitäten abbilden, ohne dass dafür in die Quellsysteme aktiv eingegriffen werden muss. Stattdessen rufen Roboter die Systeme mit eigens für sie erstellten Zugriffsrechten auf und übertragen Daten, genau wie ein Mitarbeiter es per Bildschirmeingabe auch tun würde. Durch die grundsätzliche Unabhängigkeit der RPA-Lösungen von Quell- und Zielsystemen, gepaart mit geringen Implementierungsaufwänden, bieten sich Unternehmen nie dagewesene Möglichkeiten zur Automatisierung von Unternehmensprozessen.RPA ist sowohl ein Thema für Konzerne als auch für mittelständische Unternehmen verschiedenster Branchen. Viele haben ihre ersten Piloten bereits im Einsatz und weiten die Anzahl ihrer Roboter sukzessive aus. Unternehmen konzentrieren sich im ersten Schritt einer RPA-Implementierung gerne auf datenintensive Prozesse, zum Beispiel aus dem Finanz- oder HR-Bereich.

Im Finanzwesen können die Buchung von Rückstellungen, die Beantragung und Anlage von Stammdaten in verschiedenen ERP-Systemen sowie Arbeiten im Rahmen des Monatsabschlusses durch Roboter automatisiert werden. Im Personalwesen können Roboter unter anderem im Recruiting und Onboarding die automatisierte Übermittlung von Bewerber- oder Mitarbeiterinformationen in die verschiedenen HR-Systeme übernehmen und darüber hinaus durch das Ausführen von entsprechenden Workflows zusätzlichen Mehrwert leisten.

Besonders effizient ist der Einsatz von RPA in Shared Service Centern, da hier in der Regel die Prozesse bereits standardisiert und gut dokumentiert vorliegen und ein entsprechendes Transaktionsvolumen vorhanden ist, welches besonders hohe Skaleneffekte ermöglicht.

Richtig verankern

Stellen sich erste Erfolge nach einer RPA-Implementierung ein, wird das Thema schnell auch für andere Abteilungen interessant. Spätestens jetzt wird es wichtig, das Thema RPA an einer zentralen Stelle in der Unternehmens-Organisation zu verankern und ihm durch die konsequente Unterstützung durch das Top-Management die nötige Relevanz zu geben. Nur wenn RPA durch konzernweites Change Management begleitet wird, kann eine Skalierung auf die gesamte Organisation erfolgreich sein.

Wenn im eigenen Unternehmen erst einmal eine RPA-Initiative startet, empfiehlt es sich, die eigenen Prozesse mit einem strukturierten Ansatz hinsichtlich Automatisierungspotenzial zu bewerten und gezielt Pilotprojekte zu initiieren. Dabei bietet sich externe Hilfe an. Die Managementberatung Adex Partners bietet zum Beispiel sogenannte «RPA Discovery Workshops» an, um innerhalb kurzer Zeit für RPA geeignete Prozesse im jeweiligen Unternehmen zu identifizieren.

Der Markt der RPA-Anbieter ist zurzeit noch unübersichtlich und viele Experten erwarten hier in Zukunft eine Konsolidierung. Die Auswahl des richtigen Anbieters und des passenden Tools ist aber essenziell, um die Vorteile der Technologie je nach Anwendungsfall effizient zu nutzen.

Diverse Lösungen zielen vor allem auf systemnahe Backendprozesse ab, während sich andere Anbieter eher auf Desktop-basierte Aufgaben und Interaktion mit Mitarbeitern konzentrieren. Zusätzlich zu den Auswahlkriterien ist auch das Bezahlmodell ein wichtiger Faktor: Neben «Pay Per Use»-Lösungen gibt es Lizenzmodelle, bei denen die Anzahl der Roboter ausschlaggebend ist.

Wieder andere Anbieter bieten ihre Lösungen gar kostenlos an und möchten lediglich an den erzielten Einsparungen beteiligt werden. Ein strukturiertes und erprobtes Auswahlmodell kann hier bei der Entscheidung helfen, den passenden Anbieter zu finden.

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