ICT & Technik

Fallbeispiel: Datenmanagement

Effizientere Verwaltung und gezieltes Marketing durch Nachfrage-Score

Der Immobiliendienstleister Livit verknüpft Datenmanagement und Digitalisierung. Ein Ziel ist, den Wiedervermietungsprozess zu optimieren. Dazu wurde ein Modell entwickelt, das die Integration verschiedener Datenquellen erlaubt, um eine effizientere Vermarktung seiner Mietobjekte zu leisten.
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Beim Schweizer Unternehmen für Real Estate Management Livit kümmern sich schweizweit rund 640 Mitarbeitende in neun Niederlassungen um 181 000 Mietobjekte privater und institutioneller Eigentümer im Wert von 52,7 Milliarden Franken. Die zum Versicherungskonzern Swiss Life gehörende Livit konzentriert sich dabei auf Bewirtschaftung, Ver­mietungsmanagement, Baumanagement und Facility Management. Wie die meisten Branchen ist auch die Immobilienwirtschaft im Wandel begriffen. Die technologischen, demografischen und gesellschaftlichen Megatrends wirken sich infolgedessen immer stärker auch auf das Traditionsunternehmen aus, verändert doch die digitale Transformation das gesamte Ecosystem der Branche. 

Bei Livit wurde denn auch der Grund­satzentscheid getroffen, das Real Estate Management auf eine nächste Stufe zu heben: als integrale, rundum vernetzte Dienstleistung mit maximalem Kunden­fokus entlang des gesamten Lebenszyklus. Datenmanagement und Digitalisierung stehen dabei ganz oben auf der Agenda. Eines der Ziele ist, den Wiedervermietungsprozess zu optimieren. Dazu wurde gemeinsam mit dem Unternehmen IT-­Logix ein Modell erarbeitet, das die zu er­wartende Nachfrage für Wohnungen und Geschäftslokalitäten errechnet. Mit dem Nachfrage-Score können auch Quereinsteiger, die mit dem Metier weniger vertraut sind, ihre Arbeit effektiver erledigen.

Die Herausforderungen

Allein schon die schiere Anzahl der rund 68 000 bewirtschafteten Wohnungen lässt die Komplexität des Vermietungsma­nagements erahnen: Von Livit sind dauerhaft im Durchschnitt 1000 bis 1200 In­serate für leer stehende Wohnungen im Internet aufgeschaltet. «Jeden Monat vermieten wir rund 500 Wohnungen neu, Tendenz steigend», sagt Philippe Frei. 2016 hat Frei bei Livit die Leitung des Vermietungsmanagements übernommen, um dieses Kerngeschäft in den Niederlassungen schweizweit aufzubauen und die Weiterentwicklung in Richtung Spezialisierung voranzutreiben. Dabei sieht sich Frei mit zwei Herausforderungen konfrontiert: Einerseits nimmt die Mietdauer stetig ab. Allein von 2015 bis 2020 sei diese von durchschnittlich 384 auf 321 Wochen gesunken. «Das erhöht das Risiko für Leerstände und entsprechende Mietausfälle.» 

Andererseits kommt erschwerend hinzu, dass erfahrene Vermietungsberater und Vermarkter schwer zu finden sind und die Personalfluktuation in Bewirtschaftungsunternehmen generell hoch ist. Es arbeiten in diesem Berufszweig viele Quereinsteiger, auch branchenfremde. «Wichtig für den Job ist ein hohes Dienstleistungsverständnis und Beratungstalent», meint Frei. Trotzdem müssen das Leerstand­risiko minimiert und die Wohnungen möglichst nahtlos weitervermietet werden. Um sicherzustellen, dass die Vermarktungsaktivitäten auch von Mitarbeitenden mit geringeren Immobilienkenntnissen effizient eingesetzt und Entscheide objektiv getroffen werden, will Frei mit Tools den Prozess unterstützen. 

Basis für die Vermarktung

Damit die Mietobjekte optimal vermarktet werden können, sollte den Vermietungsberatern mittels eines Nachfrage-Scores ein Hinweis darauf gegeben werden, wie gut oder wie schwierig eine Wohnung vermietet werden kann. Davon ausgehend sollen die Vermarktungs-Aktivitäten optimiert werden, beispielsweise indem die Aufschaltdauer der Anzeige kürzer oder länger eingeplant wird. Weitere Möglichkeiten sind, die Inserate auffälliger zu platzieren, um mehr Aufmerksamkeit und Interesse beim Publikum zu erzielen oder frühzeitig zusätz­liche Aktivitäten wie Werbetafeln oder absatzfördernde Massnahmen (zum Beispiel Mieter vermitteln Mieter, Umzugsgutscheine) umzusetzen. 

Anfang Januar 2019 wurde gemeinsam mit den Verantwortlichen bei Livit das Modell für den Nachfrage-Score entwickelt. Als Kriterium für die Einstufung des Objektes diente dabei die Anzahl an Personen, die sich innerhalb der ersten sieben Tage nach Veröffentlichung auf das Inserat gemeldet haben. Die Textlänge, insbesondere aber die Tiefe der Informationen, der Insertionsdauer und anderes werden in dem Modell auf einen einzigen Wert reduziert.

Ein entscheidender Faktor für die Nachfrage ist beispielsweise die Information über die Reisezeit zum nächstgelegenen Zentrum. Aber auch Merkmale wie Grös­se der Liegenschaft, Höhe des Mietzinses, Anzahl der Bilder oder das Vorhandensein eines Grundrisses fliessen in die Berechnung mit ein. Diese Informationen werden mit externen Daten, etwa des Bundesamtes für Statistik (Abgleich der Gebäude-ID, Leerstandquoten, Bevöl­kerungs­informationen, Marktpreise etc.), Open Street Map, den Land Cover Services von Kopernikus oder des Bundesamtes für Umwelt, abgeglichen. 

Der Score

Die Erarbeitung der Definition des Modells beanspruchte seitens IT-Logix 15 Personentage, die Operationalisierung, das heisst die Programmierung (Python) und Implementierung des Modells in die Data-Warehouse-Infrastruktur von Livit weitere fünf Personentage. Alle erhobenen Daten werden einmal täglich auf dem Server aktualisiert und ergeben zusammen eine Prognose für die zu erwartende Nachfrage nach einer leer stehenden Wohnung. Das Modell wird zudem regelmässig mit neuen Daten abgeglichen und so der Algorithmus laufend nachjustiert. Dem Vermietungsberater wird direkt in seinem Programm ein Hinweis gezeigt, um die Dauer des Leerstands zu optimieren.

In Zukunft soll das Tool auch proaktiv konkrete Massnahmen vorschlagen und sogar automatisiert Prozesse anstossen. «Es geht darum, die richtigen Massnahmen zum richtigen Zeitpunkt einzusetzen und den Automatisierungsgrad zu erhöhen», sagt Frei. «Mit dem Nachfrage-Score können wir die Vermarktungskosten effizienter einsetzen und ein weiterer Schritt in Richtung Automatisierung ist geschafft.» Zu guter Letzt würden Arbeitswerkzeuge wie der Nachfrage-Score das Employer Branding verbessern. Dazu Frei: «Solche modernen Arbeitsmittel erhöhen nicht nur die Mitarbeiterzufriedenheit, sondern helfen auch bei der Rekrutierung neuer oder auch alter Kollegen.»

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