Forschung & Entwicklung

Innovationskompetenzen

Zentrale Erfolgsfaktoren im Innovationsprozess

Wie wird Innovation im Unternehmensalltag gelebt, und welche Schlüsselkompetenzen müssen Mitarbeiter haben, um Innovation zu initialisieren und voranzutreiben? Eine Forschungsgruppe der Hochschulen Luzern und Freiburg geht diesen Fragen nach.
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Innovation gehört zur tragenden Säule eines Unternehmens. Sie wird von Individuen und Teams geschaffen. Es stellt sich jedoch die Frage, wie Innovation im Unternehmensalltag definiert wird, wie sie sich entfaltet und welches die Schlüsselkompetenzen derjenigen sind, die sie ausmacht: die Mitarbeiter. Das Forschungsprojekt der Hochschulen Luzern und Freiburg setzt hier an. Das Ziel ist einerseits, Kriterien für den Rekrutierungsprozess von Führungskräften zu erarbeiten. Andererseits sollen aus den neuen Erkenntnissen Empfehlungen für die Förderung der Innovationskompetenzen im Unternehmensalltag formuliert werden.

Heterogenes Begriffsverständnis

Im Rahmen der Ende des Jahres 2017 durchge­führten Online-Umfrage (siehe die Box «Das Forschungsprojekt») wurden die Teilnehmenden in einem ersten Schritt mit generellen Aussagen zum Thema Innovation konfrontiert (siehe Abbildung 1). Dann wurde nach dem individuellen Verständnis des Innovationsbegriffs gefragt.

Die Umfrageergebnisse zeigen, dass Innovation sehr unterschiedlich interpretiert wird. Es geht um deutlich mehr als die erfolgreiche Umsetzung von neuen Ideen am Markt. Während eine der befragten Personen unter Innovation die «Schnittmenge» aus «Novelty and Need» versteht, koppelt sie eine andere an die firmeninterne Digitalisierung oder an Finanzierungsreformen. Damit wird deutlich, dass der Begriff «Innovation» immer im spezifischen Firmenkontext und systemisch betrachtet werden muss.

Zentral sind die individuellen und kollektiven Kompetenzen der Mitarbeitenden. So unterstreicht die Mehrheit der Befragten, dass Innovationen nicht nur Kreativität und Disziplin, sondern vor allem die bereichsübergreifende Kooperationsfähigkeit der Individuen und Teams voraussetzen. Das Unternehmen muss die Rahmenbedingungen dafür bieten.

Mühe mit Veränderungen

Ein wesentliches Potenzial für die Generierung und vor allem auch die Umsetzung von neuen Ideen in einem Unternehmen steckt in den Kompetenzen seiner Mitarbeitenden. Aus den Umfrageergebnissen (siehe Abbildung 2) geht hervor, dass nur 22 Prozent der Befragten die Innovationsfähigkeit ihrer Belegschaft als zufriedenstellend einstufen. Für je 39 Prozent ist sie «eher» oder sogar «eher nicht» zufriedenstellend.

Die Gründe für diese kritische Einschätzung sind nicht nur individueller, sondern auch kollektiver Natur. Gewisse Mitarbeitende hätten «Mühe mit Veränderungen», merken Umfrageteilnehmende an. Aber auch fehlende «Netzwerkstrukturen» oder mangelnde «Fehlerkultur» seien innovationshindernd. Eine befragte Person sagt dazu: «Die Innovationsfähigkeit der Einzelnen ist sehr wohl gegeben, aber die systemischen Rahmenbedingungen sind oftmals so, dass die Ideen immer wieder auch gebremst werden.»

Beurteilungsgrundlagen fehlen

Auch geht aus den Daten hervor, dass die positive Einschätzung der Innovationskompetenz der Mitarbeitenden mit zunehmender Firmengrösse abnimmt. Und, obwohl nur rund 20 Prozent der Befragten die Innovationsfähigkeit der Mitarbeitenden als zufriedenstellend beurteilen, erachten 75 Prozent der Umfrageteilnehmenden das Unternehmen insgesamt als innovativ (18 %) beziehungsweise «eher innovativ» (57 %) (siehe Abbildung 3).

Diese Resultate regen insbesondere auch deshalb zum Nachdenken an, weil 60 Prozent der Befragten angeben, dass sie die Innovationskompetenzen der Angestellten intuitiv evaluieren. Es fehlt offensichtlich an den notwendigen Beobachtungs- und Beurteilungsgrundlagen für die Identifikation und Einschätzung des Innovationspotenzials: nicht nur der Belegschaft, sondern auch der Bewerbenden im Rekrutierungsprozess. Die Diskrepanz zwischen der Einschätzung der Innovationsfähigkeit der Mitarbeitenden – in der Umfrage als eher «mässig» eingestuft – und der Innovationsfähigkeit des Unternehmens insgesamt dürfte unter anderem auch auf diesen Umstand zurückzuführen sein.

Kompetenzenebenen

Jeder Innovationsprozess setzt das Zusammenspiel von Individuen in dyna­mischen sozialen Systemen voraus. Das Forschungsprojekt ist dementsprechend ausgerichtet. Mittels der Pilotstudie wurde so auch nach Aspekten gefragt, welche auf der Ebene «Person» sowie auf der Ebene «Organisation» für die Entwicklung und die Implementierung von Innovationen wichtig sind.

Individuelle Kompetenzen: Neugier und Unzufriedenheit

Gemäss den Aussagen der Umfrageteil­nehmenden sollten sich innovationskom­petente Mitarbeitende durch eine grosse Neugier und Beobachtungsgabe auszeichnen. Sie müssen fähig sein, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen. Sie interessieren sich also nicht nur für ihren eigenen Bereich oder ihre Position, sondern auch für ihre Arbeitskollegen sowie deren Aktivitäten, für Kunden und Konkurrenten. Überdies haben sie «Interesse am Weltgeschehen und an neuen Trends», wie ein Umfrageteilnehmer anmerkt.

Zusammengefasst: Es braucht, wie eine Teilnehmende sagt, «neugierige Unzufriedene» im Betrieb. Innovative Mitarbeitende sind vielseitig, wechseln von der Schildkrötenperspektive in diejenige der Giraffe und sind so offen, dass sie anderen Menschen genau davon erzählen. Auch sind innovative Leute bereit, in Bewegung zu bleiben und andere damit anzustecken, oder, wie ein anderer Umfrageteilnehmer erwähnt: Es braucht Leute, die es vermögen, «einen Zustand in ein neues Erlebnis zu verwandeln».

Kollektive Kompetenzen: zeitlicher und räumlicher Platz für Spinnereien

Individuelle Kompetenzen können sich nur im Einklang und in der Konfrontation mit der Umgebung entfalten. Individuelle und kollektive Kompetenzen sind ein Zusammenspiel. Aus der Sicht der Umfrageteilnehmenden haben starke und starre Hierarchien, anders gesagt «enge Arbeitsrahmen», eine nicht breit abgestützte Fehlerkultur und mangelnde Netzwerk- sowie Kooperationsstrukturen einen negativen Einfluss auf das Innovationspotenzial im Unternehmen.

Eine weitere Erkenntnis ist: Wo es keinen räumlichen und zeitlichen Platz gibt für den sozialen Austausch, für «Spinnereien» und für «Bierideen», da entwickeln sich auch kaum Innovationen.

Fazit

Innovationsprozesse im Unternehmen lassen sich nicht leicht steuern. Sie sind oft mit Umwegen verbunden, gewohnte Denk- und Verhaltensmuster müssen hinterfragt oder gar über Bord geworfen werden. Dazu braucht es Mut, Veränderungs- und Risikobereitschaft. Es sind eine Fülle von Kompetenzen und Massnahmen notwendig, die sowohl auf der Ebene Organisation als auch auf der Ebene Individuum greifen. Für das betriebliche Management können Ansatzpunkte dazu in der Identifikation von Kriterien gesehen werden, welche die systematische Evaluation der Grösse «Innovationskompetenz» erleichtern.

Genau hier scheint ein Verbesserungspotenzial zu schlummern. Ansätze und Methoden zur Erfassung der Innovationskompetenzen von Individuen und Teams werden offensichtlich wenig genutzt, vermutlich deshalb, weil sie weder hinreichend erforscht noch eingehend auf Praxistauglichkeit geprüft worden sind.

Die Gewinnung, Selektion und Beurteilung von Personal ist ein essenzieller Bestandteil im Aufbau einer produktiven und innovationsorientierten Belegschaft. Bereits bei der Auswahl neuer Mitarbeitenden ist also sorgfältig zu prüfen, ob die Bewerbenden über die erforderlichen Innovationskompetenzen verfügen.

Hier wünscht sich ein Grossteil der befragten Unternehmen Unterstützung in Form von geeigneten, wissenschaftlich erhärteten Beobachtungskriterien und Evaluationsmethoden. Diese sollen eine differenzierte Einschätzung der Kompetenzen ermöglichen, welche in den verschiedenen Phasen des Innovationsprozesses massgebend sind. Zudem braucht es ein Management, welches systemische Hindernisse abschafft, damit die Mitarbeitenden ihr Potenzial entfalten und sich weiterentwickeln können.

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