Forschung & Entwicklung

Blick aus der Wissenschaft

Zeitalter 4.0 – schöne neue Welt?

Was erwartet uns im neuen Zeitalter 4.0? Aus dem gesamten Spektrum der möglichen Entwicklung stellt sich vor allem die Frage, wie wir Menschen uns in dieser neuen Welt zurechtfinden.
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Nach der ersten industriellen Revolution Ende des 18ten Jahrhunderts (Dampfmaschine / Mechanisierung) folgte die zweite rund 70 Jahre danach (Elektrifizierung/Fliessband) und Mitte des 20ten Jahrhunderts entwickelte sich die dritte Revolution (Elektronik / Computer). Noch ist man sich nicht ganz klar, wie das neue, aktuelle Zeitalter genannt werden wird.

Das digitale, das vernetzte oder gar das humanoide? Offensichtlich ist, dass die Digitalisierung, kombiniert mit der Vernetzung (Cyber-physische Systeme), die Basis und wesentliche Treiber sind. Künstliche Intelligenz und vernetzte Welten oder Produkte (Internet of Things) sind Ausprägungen dieser Technik.

Von disruptiven Entwicklungen ist die Rede. Internet der Dinge, Embedded Systems oder Smart Factory sind Schlagwörter, welche die Wirtschaft beschäftigen. Man vergleicht diese Veränderungen mit einer Revolution. Was jedoch nicht ganz treffend ist. Die Veränderungen finden nicht plötzlich und schnell wie bei einer Revolution statt. Sondern es sind teilweise langjährige und schleichende Veränderungen.

Eher einer Evolution vergleichbar. Doch wie das auch immer genannt wird, offensichtlich ist, dass sich fundamentale Veränderungen abzeichnen. Ob schnell oder langsam – die Welt wird sich fundamental verändern. 76 Prozent der Schweizer KMU, so zeigt die Studie von Dengler und Matthes, erwarten in den nächsten fünf Jahren eine grundlegende Veränderung ihrer Branche. Aktuell erleben wir erst die Anfänge.

Mitarbeiter der Zukunft sind  wandlungsfähig und weitsichtig

Die Veränderungen werden im Wesentlichen von zwei Seiten getrieben. Erster Treiber: Künstliche Intelligenz ermöglichen denkende Maschinen. Einerseits werden die physischen Interaktionen immer präziser und die Erkennung der Umwelt immer umfassender. Die Robotertechnik verlässt die Werkhallen und hält Einzug in Dienstleistungsbranchen (Pflegeroboter). Stimmerkennungen werden immer besser und die Fähigkeit, Probleme selbstständig zu lösen, nehmen zu. Watson, der Supercomputer von IBM, hat bereits 2006 Schachweltmeister geschlagen, 2011 die Spielshow «Jeopardy» gegen Menschen gewonnen und ist auf dem Weg, in der medizinischen Diagnose verlässlicher und vor allem schneller zu sein als Ärzte.

Der zweite Treiber: Standarddiagnosen erhält man heute schon von Watson deutlich schneller als von Menschen. Der zweite Treiber: die weltweite Vernetzung und damit Informationsverfügbarkeit. Gemäss MIT sind 2014 17 Milliarden Geräte weltweit verbunden. Pro Minute werden 204 Millionen E-Mails verschickt und 48 000 Apps vom Netz runtergeladen. Das digitale Universum sammelt Unmengen von Daten. Die weltweiten Daten, so schätzen die Fachleute von IDC (2014), würden, wenn man diese auf iPads laden und die iPads stapeln würde, einen Turm ergeben, welcher von hier bis zum Mond reicht.

Wir sind schon drin, in dieser «neuen» Welt. Wenden wir nun den Blick von einer allgemeinen Betrachtung der wirtschaftlichen Entwicklung hin zur Frage, wie wir Menschen mit diesen Veränderungen umgehen. Denn das Personal gehört zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren, ob ein Unternehmen den digitalen Wandel schaffen wird oder nicht. Das Unternehmen der Zukunft muss über Menschen verfügen, welche veränderungsfähig, weitsichtig und flexibel sind. Aktuelle Studien zeigen auf, dass in den nächsten Jahren dutzende von Berufen von Computern oder Robotern übernommen werden.

Einer Studie aus Deutschland zufolge ist die generelle Subsitutierbarkeitsquote bei 40 bis 45 Prozent. Und zwar sowohl für Hilfs- wie auch Fachkräfte. Das Substituierbarkeitspotenzial konzentriert sich nur auf die technische Machbarkeit, Tätigkeiten durch Computer oder computergesteuerte Maschinen zu ersetzen.

Rechtliche und ethische Hürden, aber auch kostentechnische Gründe werden nicht berücksichtigt (Dengler K. und Matthes B. 2015). Gemäss dieser Studie sinkt diese Quote erst mit einer weiterführenden Aus- oder Weiterbildung. Spezialisten und Experten werden in Zukunft noch mehr gefragt sein. Berufe im Bereich Kreativität, Sozialkompetenz, Überzeugungsarbeit oder Informationsinterpretation werden für die Menschen bedeutender. Von den Mitarbeitenden der Zukunft werden entsprechend angepasste Kompetenzen und erweiterte Qualifikationen erwartet. Was erwartet uns und wie können wir uns auf diese Zukunft vorbereiten?

Das Lernen muss als eine Schlüsselkompetenz gesehen werden

Es gibt Schlüsselkompetenzen, welche in diesen Szenarien an Bedeutung gewinnen. Es sind dies die Veränderungs- oder Lernfähigkeit, Kreativität sowie die Selbsterschliessungskompetenz. Menschen mögen keine Veränderung. Das liegt an unseren Erfahrungen, welche hauptsächlich in einer linearen Welt entwickelt worden sind. Denkmuster aus unserer menschlichen Entwicklung prägen unsere Entscheidungen. Die «neue» Welt, die Arbeitswelt 4.0, ist jedoch keine lineare, sondern eine dynamisch-exponentielle.

Was bedeutet, dass die Erfahrungen aus der Vergangenheit immer weniger hilfreich sind, um die Probleme von morgen zu lösen. Es gilt, diese Herausforderungen mit Kreativität und neuen Methoden und Modellen anzupacken. Die Werkzeuge für die Lösung dieser Probleme müssen also erst neu geschaffen werden. Wissen veraltet und muss laufend neu erworben werden. Daraus folgt, dass Lernen als Schlüsselkompetenz gesehen werden kann. Konnte in der Vergangenheit auf bewährte Lösungswege zurückgegriffen werden, so werden künftige Lösungen erst durch Kooperation, Kreativität und Lernfähigkeit entwickelt.  

Erst über den Weg des Lernens sind Veränderungen möglich. Lern- und Veränderungsfähigkeit beeinflussen sich gegenseitig. Menschen wie Unternehmen sollten also Lernen und Lernfähigkeit permanent fördern. Die Geschäftsmodelle anzupassen, ist das eine, die Umsetzung das andere. Lernfähige Mitarbeitende sind dabei Voraussetzung, damit neue Geschäftsmodelle erfolgreich umgesetzt werden können.

Für die Herausforderungen der Welt 4.0. gilt es, neue Lösungen zu finden. Dazu braucht es neben dieser Lernfähigkeit Kreativität und Fantasie. Ungewohnte und überraschende Lösungen sind gefragt. Diese findet man dann oft nicht mehr in den bestehenden Denkräumen. Gewohnte Denkstrukturen bringen selten neue Lösungen. Es ist kein Zufall, dass Schweizer KMU vor allem auch dem Thema Innovation grosse Beachtung schenken. Unternehmen erkennen, dass sie für die Zukunft radikal neue Ideen brauchen.

Es lohnt sich zu überlegen, wie wir Menschen mehr Kreativität entwickeln können. Die gesellschaftliche Tendenz zum Durchschnitt und Konformität ist vermutlich kein geeigneter Weg. Aus dem Durchschnitt kommt selten Neues. Wer bringt dann die neuen Ideen? Möglicherweise können Querdenker und kritische Hinterfrager hier Impulse setzen. Diversität und der Mut, Menschen mit abweichenden Denkmustern in der Organisation zu integrieren, könnten hier Perspektiven eröffnen. Es könnte sich für Unternehmen lohnen, darüber nachzudenken, wie sie Diversität unter den Mitarbeitenden fördern und wie sie mit abweichenden Denkströmungen und Verhalten im Unternehmen umgehen.