Forschung & Entwicklung

Unternehmensführung

Wie viel Virtualität brauchen Führungskräfte?

Die Digitalisierung nimmt zunehmend Einfluss auf die Unternehmensführung. Eine Studie beleuchtet die erfolgskritischen Rahmenbedingungen und Steuerungsgrössen von Führungskräften für die wirksame Gestaltung der Kommunikation in Teams.
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Big Data, KI-Algorithmen, personalisierte Echtzeit-Erlebnisse, – jede Führungskraft müsste kalte Füsse bekommen, wenn sie einigermassen über die Zukunftsversion des Digital Managers informiert ist. Captain Picard und Spock vom Raumschiff Enterprise wirken dagegen altmodisch. Was jedoch kann von den neuen Techniken im Manageralltag erfolgreich genutzt werden, und welche Trends ergeben sich daraus für die Unternehmensführung? Die Studie «Team-Kommunikation - Rahmenbedingungen und Steuerungsgrössen für Führungskräfte» des Iconfi-Instituts ist dieser Fragestellung nachgegangen. Interessant waren dabei unter anderen folgende zwei Erkenntnisse:

  • Im Team ist alles noch nicht so digital, wie es scheint: Wirksame teaminterne Zusammenarbeit und Kommunikation basieren auch im digitalen Zeitalter weiterhin auf dem persönlichen Kontakt. Feedback und Vertrauen sind hierbei wichtig.
  • Klassische Führungsregeln gelten weiterhin: Mitarbeiter möchten eigenständig arbeiten. Grundsätzliche Regeln sind trotzdem erforderlich, ebenso wie eine klare Rollen- und Aufgabenverteilung, solange diese nicht zu einschränkend sind.

Der Forschungsschwerpunkt war, herauszufiltern, welche wirksamen Steuerungsgrössen Führungskräften zur Verfügung stehen, um die Kommunikation in Teams zu beeinflussen. Bisher sind dazu konkrete, empirische Erkenntnis-
se aus der betriebswirtschaftlichen Forschung noch kaum vorhanden. Insbesondere liegt es auf der Hand, dass sich der kommunikative Interaktionszusammenhang im Team durch Digitalisierung und technische Innovationen geändert hat: Die virtuelle Kommunikation nimmt zu, aber ersetzt sie auch den klassisch analogen Austausch im Team?

Analog vor digital

Die Studienergebnisse zeigen: Es ist alles noch nicht so digital wie es scheint, beziehungsweise der Führungskraft glauben gemacht wird. Hauptkanal ist das persönliche oder telefonische Gespräch, dann folgt E-Mail und danach lange nichts, bevor erst mit viel Abstand neuere virtuelle Tools verwendet werden.

Über 88 Prozent der befragten Führungskräfte nutzen für die Kommunikation im Team immer noch das persönliche Treffen und den Kontakt via E-Mail oft beziehungsweise immer. Das Telefongespräch wird von mehr als der Hälfte (51 %) der Befragten oft als Kommunikationsmöglichkeit genutzt. Deutlich weniger häufig werden Textnachrichten (14 %), Videokonferenzen (12 %) und Chats, zum Beispiel Lync, I-Message, benutzt (11 %). Hier geben im Schnitt Zwei Drittel der Befragten an, diese selten beziehungsweise nie zu benutzen. Genauso wie Postings in sozialen Netzwerken (zum Beispiel Yammer, Chatter) gehören sie zu den aktuell am wenigsten genutzten Kommunikationskanälen.

Aussagekräftig ist auch der Zusammenhang zwischen einer Videokonferenz und den damit verbundenen technischen Problemen, die sich als störend erweisen. Mit der vermehrten Nutzung treten diese Art von Schwierigkeiten (zum Beispiel schlechtes Mikrofon, eingeschränkter Handyempfang) gehäuft auf, was von 47 Prozent der Befragten als stark beeinträchtigend empfunden wurde.

Nun könnte argumentiert werden, dass es ja diese Kommunikationskanäle noch nicht so lange gibt, wie beispielsweise E-Mail, und diese sich etablieren werden. Allerdings könnte dann wiederum die ketzerische Frage gestellt werden, ob es dann eben ein paar zusätzliche Möglichkeiten gibt, zu kommunizieren – öfter und vielleicht mit noch msehr Empfängern? Aus dem Arbeitsleben sind Send-to-all-E-Mails, tägliche Newsletter und ungefilterte Nachrichten ohne Informationsgehalt jedem bestens bekannt – ob diese allseits beliebt sind, sei dahingestellt. Oft, wenn man etwas wirklich wissen will, bleiben nur der persönliche Kontakt oder der Griff zum Telefon.

Informationen kanalisieren

Die Kommunikationsaufgabe des Managers wird wohl auch umfassen, einen Informations-Overload beziehungsweise einen Arbeitszeitverlust durch zu viel und zu wenig verbindliche Kommunikation zu verhindern. Eigentlich müsste überlegt werden, welche Art von Nachrichten an welchen Empfänger unter welchen Umständen mit welchem technischen Mittel verwendet wird – also eine Art interne Kommunikationsrichtlinie mit Kategorisierungen und Zugriffsrechten.

Im Vergleich zu einer vor drei Jahren erfolgten Studie des Iconfi-Instituts mit der gleichen Thematik hat das Bedürfnis der persönlichen Verständigung beziehungsweise der Face-to-Face-Kommunikation also nicht abgenommen und die digitalen Kanäle haben nicht zugenommen.

Es lässt sich daraus ein klarer Trend ableiten: Die befragten Führungskräfte ziehen weiterhin die persönliche Kommunikation mit ihren Mitarbeitern beziehungsweise im Team den weniger persönlichen Kommunikationskanälen vor, trotz (oder vielleicht aufgrund) der in allen Bereichen voranschreitenden Digitalisierung. Abbildung 1 fasst die Resultate zur Nutzung interner Kommunikationskanäle der Führungskräfte grafisch zusammen.

Einflussfaktoren

Selbst wenn die Digitalisierung in der Team-Kommunikation noch nicht so weit fortgeschritten ist wie gedacht, gibt es doch immer mehr den Fall, dass in virtuellen Teams zusammengearbeitet wird. Dann sind Manager mit der Frage konfrontiert, welche Faktoren die Kommunikation in virtuellen Teams beeinflussen und mit welchen Massnahmen die Führungskraft darauf Einfluss nehmen kann.

Auch hier zeigen die Studienergebnisse ein eher klassisches Bild. Einige Faktoren sind jedoch in virtuellen Teams noch weit wichtiger als im analogen Teamwork: Sehr dominant werden von den Befragten das gemeinsame Verständnis von Arbeitsaufgaben, -prozessen und -rollen, Vertrauen sowie regelmässiges, konstruktives und zielbezogenes Feedback eingestuft. Vor allem die Einschätzung des Vertrauens als wichtig konnte aufgrund einer älteren Studie von iconfi, die deutlich gemacht hat, dass Vertrauen in der digitalen Welt unabdingbar ist, erwartet werden. Durch die Distanz herrscht hier anscheinend erhöhter Klärungsbedarf herrschen wie auch ein Bedürfnis nach Vertrauen. Die Frage ist, ob diese Faktoren wirklich sowie ausschliesslich durch die digitale Kommunikation geschaffen werden können, oder ob auch hier weiterhin das persönliche Treffen eine Notwendigkeit ist. Da der Mensch bekanntlich nicht fehlerlos ist, muss man damit rechnen, dass die persönliche Gespräche Fehlern am besten vorbeugen, da man durch den Face-to-Face-Kontakt ein besseres Einschätzungsvermögen anhand der Körpersprache hat.

Das persönliche Treffen

Dies wird bei Kommunikationswegen auf nicht persönlicher Basis verhindert und behindert. Zum Beispiel neigen Menschen dazu, in einem für sie wichtigen Gespräch eher nervös zu sein, als wenn dies per Telefon passiert oder sogar per E-Mail geschieht. Man kann in nicht persönlichem Kontakt leichter und besser eine Situation kaschieren, da man Fakten zum Beispiel versprechen oder erfinden kann. Hier lohnt es sich, mit Zeit und persönlichem Aufwand in Vertrauen zu investieren, anstatt auf manche aktuellen digitalen Methoden der Kommunikation, welche nicht unbedingt Sicherheit garantieren und Vertrauen suggerieren, zu setzen.

Dies zeigt auch die Studie: Über 80 Prozent der Führungskräfte gaben an, dass sie das persönliche Treffen (85 %), den Zugriff auf alle Informationen von allen Teammitgliedern (82 %) sowie klare Regeln der Kommunikation (80 %) als wichtig bis sehr wichtig empfinden. Damit scheint ein rein virtuelles Team noch schwierig in der Führung zu sein und es kommen eher digitale Interaktionsmittel hinzu, als dass die analogen Mittel ersetzt werden.

Es bestätigt sich die oben beschriebene Erkenntnis. 85 Prozent der Manager, die an der Umfrage teilgenommen haben, gaben an, dass ihnen das persönliche Treffen in der virtuellen Zusammenarbeit wichtig beziehungsweise sehr wichtig ist. Dort gaben 88 Prozent der Befragten an, dass sie die persönlichen Treffen oftmals beziehungsweise immer dazu nutzen, um mit ihren Teammitgliedern zu kommunizieren.

Klarheit und Struktur

Noch wichtiger im Vergleich zur persönlichen Zusammenarbeit sind in virtuellen Teams klare Arbeitsaufgaben, -prozesse sowie -rollen. Hier gilt, dass Klarheit Struktur bringt und Struktur Sicherheit gibt. Auch das als wichtig eingestufte Feedback in virtuellen Teams – in Form von Lob und Kritik – erscheint noch bedeutender. Positive Wechselbeziehungen herrschen zwischen Feedback und Vertrauen sowie zwischen dem gemeinsamen Verständnis der Arbeitsaufgaben, -prozesse und -rollen. Dies macht deutlich, dass diejenigen Führungskräfte, denen das Feedback in ihren virtuellen Teams wichtig ist, gleichzeitig auch dem Vertrauen und gemeinsamen Verständnis der Arbeit eine hohe Bedeutung zuschreiben. Dies scheint eine Prävention gegen Unsicherheit zu sein, was zu tun ist und wie diese Tätigkeiten anzu­gehen sind.

Als neutral bis eher unwichtig stuft ein Drittel der Befragten die Verfügbarkeits-Standards (32 %), virtuellen Meetings (32 %) und Arbeitskontrollen (49 %) ein. Maximal 22 Prozent der Manager sehen einen dieser Faktoren bei virtuellen Teammeetings als sehr wichtig an. In der zweiten Abbildung werden alle Ergebnisse der Kommunikationsfaktoren in virtuellen Teams grafisch dargestellt.

Kommunikationsregeln

Bezüglich der klaren Kommunikationsregeln kann vermutet werden, dass Regeln bis zu einem gewissen Grad gefordert werden – bei virtuellen Teams insbesondere Vorgaben, um Informationsüberflutungen zu vermeiden –, zu formalisierte Regeln bei den Mitarbeitern hingegen unerwünscht sind. Ergänzend könnte eine deutlich positive Korrelation mit dem gemeinsamen Verständnis der Arbeitsaufgaben, -prozesse und -rollen Aufschluss darüber geben, dass ein gemeinsames Arbeitsverständnis nicht ohne klare Kommunikationsregeln funktioniert. Ebenso ist es wichtig zu verhindern, dass relevante Informationen nicht durch zu viele sich überlappende Kommunikationswege übersehen werden beziehungsweise verloren gehen – wiederum ein enger Zusammenhang zur zuvorgenannten These.

Paradoxerweise sind festgelegte Erreichbarkeits-/Verfügbarkeits-Standards, die virtuellen Teammeetings sowie die Arbeitskontrollen im Moment unwichtiger als gedacht. Arbeitskontrollen durch die Führungskraft sind vermutlich weniger wichtig beziehungsweise weniger beliebt, weil sie die Mitarbeiter in ihrer Eigenständigkeit zu sehr einschränken. Anhand der Ergebnisse könnte sogar behauptet werden, dass die Regeln in virtuellen Teams noch unbeliebter sind als in nicht primär virtuellen Teams.

Darüber hinaus sind festgelegte Erreichbarkeits-/Verfügbarkeitsstandards oftmals durch die gegebene Infrastruktur vor Ort so oder so gegeben, welche dafür sorgt, dass manche Software zur (virtuellen) Kommunikation unterstützt wird oder eben nicht. Die durchschnittlich als neutral eingestuften virtuellen Teammeetings könnten ein deutliches Zeichen dafür sein, dass die Zusammenarbeit in solchen Teams nicht nur rein digital funktioniert, sondern auch persönliche Komponenten – wie das persönliche Treffen – für wirksame Teamarbeit auf virtueller Basis entscheidend sind.

Fazit

Resümierend können also folgende Erkenntnisse auf die Steuerungsgrössen für Führungskräfte virtueller Teams festgehalten werden:

Ein gemeinsames Verständnis der Arbeitsaufgaben, -prozesse und -rollen, Vertrauen sowie regelmässiges, konstruktives und zielbezogenes Feedback gelten als wichtigste Faktoren in virtuellen Teams. Der persönliche Kontakt, Zugriff auf alle Informationen von allen Teammitgliedern und klare Regeln – bis zu einem gewissen Grad – sind in der virtuellen Zusammenarbeit ebenfalls relevant.

Insgesamt scheinen sich die Bedürfnisse und Gegebenheiten im virtuellen Team kaum von denen eines nicht virtuellen Teams zu unterscheiden, sodass Führungskräfte ihre Steuerungsgrössen nur geringfügig an die digitale Welt anpassen müssen. Diese Erkenntnisse ergänzen die bereits vorherrschenden Untersuchungsergebnisse anderer Forscher mit dem speziellen Fokus auf die Kommunikation in virtuellen Teams und sind gleichzeitig ein Hinweis zu einer Road- map für den Ausbau und Einsatz von Kommunikationsnetzwerken.

Als Fazit bleibt, dass im Team alles noch nicht so digital ist, wie es scheint: Weiterhin muss auf dem persönlichen Kontakt, Feedback und Vertrauen aufgebaut werden. Klassische Führungsregeln gelten weiterhin: Mitarbeiter möchten eigenständig arbeiten. Grundsätzliche Regeln, gerade in der Kommunikation, sind erforderlich, ebenso wie eine klare Rollen- und Aufgabenverteilung.

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