Forschung & Entwicklung

Electronic Human Resource Management (E-HRM)

Wie Unternehmen mit der Digitalisierung im HR umgehen

Die Digitalisierung erfasst zunehmend mehr Unternehmensbereiche. Dem muss sich auch das Human Resource Management (HRM) stellen. So wird das Aufkommen IT-gestützter HRM-Lösungen und -Tools Aufgaben und Arbeitsinhalte verändern. Eine neue Studie befasst sich mit dem Entwicklungsstand von Ostschweizer Unternehmen zum Electronic-HRM.
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Die Digitalisierung führt in vielen Themenbereichen zu tiefgreifenden Veränderungen und macht auch vor dem Human Resource Management (HRM) nicht Halt. Immer wichtiger werdende strategische Aufgaben der Industrie 4.0 können vom HRM nur bewältigt werden, wenn sich dieser Bereich zu einem Electronic Human Resource Management (E-HRM) weiterentwickelt und sich somit der Digitalisierung anpasst (Gora et al 2013, S. 4).

Das Aufkommen IT-gestützter HRM-Lösungen und -Tools verändert HRM-Aufgaben, Arbeitsinhalte passen sich verstärkt dem E-HRM an. Sowohl in Be­reichen des operativen HRM als auch in strategischen Prozessen sieht man bereits digitale Veränderungen der Personal- und Organisationsentwicklung. Zudem sind die Möglichkeiten, weitere Digitalisierungsschritte einzuleiten, aufgrund der heutigen Technologie immens. Dies führt in vielen Bereichen des HRM zu neuen fachlichen Anforderungen und erfordert sowohl von Führungskräften als auch Mitarbeitenden ein Umdenken.

Ziel einer vom Kompetenzzentrum für Leadership und Personalmanagement der FHS St. Gallen durchgeführten Studie
war es, den Entwicklungsstand von Ostschweizer Unternehmen aus verschiedenen Branchen zum E-HRM zu ermitteln.

HRM heute und in Zukunft

Derzeit wird davon ausgegangen, dass rund zehn Prozent der Aufgaben des HRM strategischen Charakter haben und 30 Prozent Arbeitsaufwand für Consulting-Aktivitäten aufgewendet werden. Mit rund 60 Prozent Aufwand generiert und dominiert die Administration die HR-Arbeit. Aufgrund des immer breiter angewendeten Electronic Human Resource Management  wird sich dieses Verhältnis in den nächsten Jahren verändern.

Experten gehen davon aus, dass sich zukünftige HRM-Abteilungen vermehrt mit strategischen Anliegen eines Unternehmens befassen und den Consultancy-Bereich spezialisieren werden. Der administrative Part im HRM-Alltag wird sich demnach auf bis zu 30 Prozent reduzieren oder auf noch weniger belaufen. (Gora et al. 2013, S. 9)

Mit dieser Veränderung vom administrativen zum strategischen Business-Part­ner tun sich viele HRM-Verantwortliche schwer (Redzepi et al 2016, S. 2), wie dies auch befragte Ostschweizer Unternehmen bestätigen. Oftmals sind es fehlende Flexibilität und veraltete HRM-Tools, die eine Anpassung an das volatile und dynamische Umfeld des heutigen Arbeitszeitalters verhindern.

Viele Unternehmen sehen die Personalarbeit noch als eine Tätigkeit an, die nebenbei vollbracht werden kann. Obwohl viele Personalverantwortliche dieser Einstellung widersprechen, fehlen oftmals konkrete Lösungsansätze, um die Situation zu verbessern (Hackl & Gerpott 2015, S. VII). Um ein zeitgemässes und somit langfristig erfolgreiches HRM zu gewährleisten, müssen HR-Verantwortliche in der Lage sein, sich flexibel an neue Situationen anzupassen (Redzepi et al. 2016, S. 2)

In Ostschweizer Unternehmen wird dem HRM genügend Relevanz beigemessen, so die mehrheitliche Ansicht der Studienteilnehmenden. Knapp die Hälfte der Unternehmensvertretenden haben im Rahmen der quantitativen Online-Umfrage angegeben, dass das HRM einen grossen Einfluss auf strategische Themenbereiche im Unternehmen hat. In rund einem Viertel der Unternehmen hat das HRM jedoch keinen Einfluss auf strategische Themenbereiche, einzelne beteiligten Personen gaben gar an, dass das HR gegenwärtig im Allgemeinen nicht einen allzu hohen Stellenwert hat.

Befragt nach den Faktoren für erfolgreiches HRM gaben 78 Prozent der Teilnehmenden an, dass die Personalförderung in der Zukunft einen Schlüsselfaktor darstellt. 57 Prozent sind weiter der Ansicht, dass dazu auch die Personalbindung und 42 Prozent die Motivations- und Anreizgestaltung zu den wesentlichen Schlüsselfaktoren zählen werden.

Ziele und Nutzenpotenziale

Seit bereits längerer Zeit nutzen sowohl KMU als auch grosse Unternehmen digitale Informationssysteme, um administrative Tätigkeiten im HRM-Bereich effizienter zu gestalten. Heute gibt es jedoch auch in diversen anderen HRM-Themenfeldern die Möglichkeit, digitale Technologien zu verwenden. Dabei verfolgen Unternehmen das Ziel, einerseits den internen und externen Informationsfluss sicherzustellen, andererseits aber auch den gesamten HRM-Bereich zu unterstützten. Nutzenpotenziale, welche das Verwenden von E-HRM-Lösungen im Allgemeinen entfalten können, sind (Nüesch 2017, S. 13):

  • die Erhöhung des strategischen Nutzens des HRM,
  • die Unterstützung der Personalstrategie,
  • die Steigerung der Attraktivität und der Effektivität des HRM aufgrund individualisierter, interaktiver Lösungen,
  • die Erhöhung der Zufriedenheit sowohl interner als auch externer Kundschaft aufgrund besserer Qualität im HRM-Servicebereich,
  • die Verkürzung von Durchlaufzeiten in HRM-Prozessen mit zeitgleich qualitativ hochwertigeren, schnelleren Informationen und damit Einsparung von Personalkosten aufgrund von Effizienzsteigerung sowie
  • das Potenzial, mehr Ressourcen für strategische und konzeptionelle Aufgaben aufgrund der Entschlackung von Administration und repetitiven Aufgaben zur Verfügung zu haben.

Gut 78 Prozent der Befragten gab an, dass E-HRM-Tools den grösstmöglichen Nutzen in der Personalrekrutierung entfalten können. Fast gleichviel vertreten auch die Ansicht, dass die Digitalisierung im administrativen Bereich am sinnvollsten ist und dort hohe Nutzenpotenziale vorhanden sind. Als weitere Einsatzmöglichkeit für E-HRM-Lösungen betrachtet werden die Personalplanung und das Wissensmanagement. Ein Drittel der Teilnehmenden sieht auch Potenzial im Einsatz von E-HRM-Tools im Bereich Talentmanagement und ein Viertel erachtet E-HRM-Instrumente zur Personalförderung. Als weniger geeignet betrachten die Befragten den Einsatz von E-HRM-Tools für HRM-strategische Zwecke.

Für mehr als ein Viertel der Befragten ist E-HRM eines der relevanten Schlüsselfaktoren für künftig erfolgreiches HRM. Sowohl die grosse Mehrheit der Entscheidungsträger als auch 66 Prozent der HR-Experten ohne Kaderfunktion stehen einer weiteren Digitalisierung des HRMs eher positiv oder ganz positiv gegenüber. Für die überwiegende Mehrheit der Befragten hat E-HRM einen positiven Einfluss darauf, künftig die Wertbeiträge des HRM besser aufzuzeigen. Als wichtigste Beweggründe, E-HRM anzuwenden, betrachten die Teilnehmenden mit 90-prozentiger Zustimmung die Möglichkeit zur Automatisierung administrativer Prozesse. Zirka 73 Prozent beurteilen das Potenzial zur Steigerung von Effizienz und Senkung von Kosten als hoch und rund 58 Prozent erkennen die Chance zur Erhöhung der Qualität der HRM-Prozesse.

E-HRM-Awareness

42 Prozent der befragten Unternehmensvertretenden sind der Meinung, dass Ihre Organisation in puncto E-HRM auf einem überdurchschnittlichen Stand ist. Mehr als die Hälfte der Beteiligten gaben zu, dass das eigene Unternehmen derzeit nicht auf dem neuesten Entwicklungsstand ist. Knapp zwei Drittel äusserten, dass sie gegenwärtig über einen umfassenden Wissensstand zu E-HRM verfügen, während der Rest der Befragten bestätigte, dass ihr Know-how in puncto E-HRM nicht besonders oder gar nicht ausgeprägt ist.

Ausserdem geben mehr als 75 Prozent der Experten an, dass in ihren Unternehmen künftig die Weiterentwicklung von E-HRM-Lösungen vorangetrieben oder in neue Tools investiert wird, während bei den restlichen Teilnehmenden zum Befragungszeitpunkt hierzu keine Klarheit besteht.

In Anbetracht der Tatsache, dass nahezu alle Befragten der Meinung sind, dass E-HRM in fünf Jahren in ihren Unternehmen deutlich an Bedeutung gewinnen wird und die meisten Unternehmen Investitionsabsichten aussprechen, erstaunt der Status quo betreffend derzeitigem Kenntnisstand und Know-how zu E-HRM in Ostschweizer Unternehmen – es besteht demnach ein Nachhol- beziehungsweise ein Entwicklungsbedarf.

Mit dem Ziel, die Awareness von Ostschweizer Unternehmen hinsichtlich E-HRM bestimmen zu können, wurde als Teilergebnis der Studie ein entsprechendes Modell erarbeitet. Zur Bestimmung der Awareness wurden die Ergebnisse folgender Kriterien als Basis herangezogen:

  • die vorhandene Einstellung von Führungskräften zu E-HRM,
  • die vorhandene Einstellung von Mitarbeitenden zu E-HRM,
  • die vorhandene Einstellung darüber, dass E-HRM die Leistung von HRM verbessert,
  • die vorhandene Einstellung darüber, dass mittels E-HRM die Wertschöpfung von HRM besser messbar ist sowie
  • die verankerte Überzeugung davon, dass E-HRM in Zukunft an Wichtigkeit zunimmt.

Basierend auf diesem Modell sind Unternehmen aus der Nahrungsmittel-, Finanz- und Gesundheitsbranche am weitesten entwickelt. Fortschrittlich in dieser Hinsicht sind auch Unternehmen aus dem IT-Cluster. Dort herrscht die Überzeugung, dass die Wichtigkeit von E-HRM weiter zunehmen wird. In dieser Branche ist die Einstellung der Entscheidungsträger gegenüber dem E-HRM überdurchschnittlich verankert. Während der Handel hauptsächlich mit der positiven Einstellung gegenüber E-HRM punktet, stehen Elektronik-Unternehmen hinter anderen Branchen. Verwaltungsorganisationen weisen auf Basis der Erhebung eine eher ausbaufähige E-HRM-Awareness aus.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Ostschweizer Unternehmen in puncto E-HRM zwischen befriedigend und gut abschneiden. Den meisten Unternehmen ist bewusst, dass in Zukunft die Digitalisierung des HRM weiter an Wichtigkeit gewinnen wird, und sie bereiten sich zunehmend darauf vor. Auffallend ist auch, dass alle befragten Unternehmen in irgendeiner Form E-HRM-Tools anwenden.

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