Forschung & Entwicklung

Fallbeispiel Kreativitätsförderung

Wie sinnvoll temporäre Veränderungen der Arbeitswelt sind

Die Gestaltung der Arbeitswelt hat eine positive Wirkung auf die Kreativität der Mitarbeiter. In den meisten Fällen ist eine Umgestaltung der Arbeitswelt allerdings mit hohen Kosten verbunden. Ob durch Managementinterventionen die Arbeitswelt auch zeitweilig verändert werden kann, haben die Autoren daher am Beispiel von «Lego Serious Play» geprüft.
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Eine bekannte Herausforderung für Unternehmen ist die Stimulierung der Kreativität durch neue Anreize in der Arbeitswelt. Durch teilweise aufwendige architektonische Eingriffe oder das Einrichten sogenannter «Maker Spaces» soll die Kreativität der Mitarbeitenden ge­fördert werden, was für viele Unternehmen einen grossen Aufwand darstellt, der nicht realisierbar erscheint. Daher soll in diesem Beitrag aufgezeigt werden, welche positiven Effekte sich bereits durch eine temporäre Veränderung der Arbeitswelt erzielen lassen.


Die bisherigen Erkenntnisse


Die bisherige Forschung identifiziert insbesondere die Awareness der Mitarbeitenden als Schlüssel zur Erreichung der mit der Arbeitswelt verbundenen Ziele. Dies bedeutet, dass die Wahrnehmung der neuen Arbeitswelt durch die Mitarbeitenden und ihr Gefühl in derselben die wesentlichen zu beachtenden Erfolgsfaktoren bei der Gestaltung einer Arbeitsumgebung sind (vgl. zum tieferen Diskurs Binder i.V.). Daraus ergeben sich auch die jeweiligen Vorteile der verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten für die unterschiedlichen zu verrichtenden Tätig­keiten, wie beispielsweise Co-Working, Maker Spaces, Stillarbeitsplätze und Telefonzellen. Da die Wahrnehmung der Mitarbeitenden immer individuell und subjektiv ist, fehlt es an Blaupausen, wie die Arbeitswelt gestaltet sein muss, damit ihre Wirkung kreativitätsfördernd ist.


Dieses Fehlen einer einheitlichen Blaupause über die Ausgestaltung einer solchen Arbeitswelt mündet entweder in unpassende Arbeitsumgebungen für die entsprechenden Tätigkeiten oder, um diesen Tatbestand zu vermeiden, in ausgiebige Analysen, wie die Arbeitswelt umgestaltet werden könnte. In den meisten Fällen ist eine Umgestaltung der Arbeitswelt mit hohen Kosten verbunden. Daher ergibt sich fast zwangsläufig die Frage, ob nicht in Zeiten zunehmender Projekt­arbeit auch eine temporäre neue Arbeitswelt positive Effekte für die Arbeitsergebnisse von Projektteams aufweisen könnte.
 
Zur Kreierung einer solchen temporären, neuen Arbeitswelt können Managementinterventionen, wie beispielsweise die Verwendung von «Lego Serious Play» (LSP), erfolgen. Das zeitlich begrenzte Hinzufügen dieser Elemente in die Arbeitswelt soll dabei Kommunikationsvorteile und strukturelle Verbesserungen des Engagements der Teilnehmenden bewirken. Das gemeinschaftliche, haptische Arbeiten unter Anleitung mit den Lego-Steinen soll den Spassfaktor fördern als auch als Eisbrecher für die neu zusammengesetzten Teams fungieren. Eingebettet in die Geschichte, die vom Erbauer erzählt wird, stellt das Lego-­Gebilde lediglich eine Metapher für das Arbeitsergebnis dar. Diese Visualisierung führt letztendlich zu einem verbesserten gemeinsamen Verständnis des Betrachtungsgegenstands und zu einer Identifikation mit dem Ergebnis – einem «shared mental model».

Der Hauptkritikpunkt an der Verwendung der LSP-Methode in Workshops ist der damit verbundene hohe Zeitauf-wand (Gauntlett, 2007; Rieber & Matzko, 2001). Um eine möglichst effiziente Anwendung der Methodik gewährleisten zu können, wird dieser Kritik mit dem ausschliesslichen Einsatz der Lego-Steine ohne eine zusätzliche Einführung in die Arbeitsweise begegnet.


Fallstudie / Forschungsdesign


Die zugrundeliegenden Daten für diese Fallstudie wurden durch eine qualitative und quantitative Analyse in drei Semi­na­ren generiert, in denen LSP in Ausschnitten angewandt wurde. Alle Seminare fanden mit untereinander bekannten Teilnehmenden statt. Laut ihrer Aussage variierte die Intensität der Bekanntschaften dabei von einmaligem Kontakt bis hin zu langjährigen Freundschaften.

Das erste Seminar, das unter dem Titel «Szenarioplanung im Sport» lief, wurde für im Sportmanagement tätige Führungskräfte konzipiert. Die beiden anderen Seminare erfolgten im Rahmen eines Promotionskollegs zur Vorbereitung auf eine berufsbegleitende Promotion. Alle Seminare dauerten zwei Tage und wurden von demselben Dozenten (Dr. Alexander V. Steckelberg, Leadership-Kultur-Stiftung) gehalten.

Das Setting der Seminare ist mit der projektbezogenen Zusammenarbeit in Unternehmen vergleichbar, bei der Personen, welche nicht ständig zusammenarbeiten, in einer vorgegebenen Zeit möglichst gute Ergebnisse erarbeiten sollen. LSP wurde im Rahmen dieser Seminare als Technik eingesetzt, um die Kreativität der Teilnehmenden zu steigern und ein neues Element einzubringen. Dazu sollten bestimmte Aufgaben und Gruppenarbeiten mit LSP-Elementen durchgeführt werden.

Die ersten beiden Seminare fanden im April 2018 statt und das dritte im Juni 2018. Während LSP für die Teilnehmenden der ersten Seminare eine völlig neue Technik darstellte, waren bei dem dritten Seminar rund 70 Prozent der Seminarteilnehmenden mit der Methode vertraut, da sie bereits das zweite Seminar besucht hatten. Nach jedem Seminar füllten die Teilnehmenden einen Fragebogen mit offenen und geschlossenen Fragen aus, dessen Ergebnisse im Folgenden erläutert werden. Darüber hinaus wurde ein mit dem Dozenten geführtes Interview in die Analyse einbezogen.


Die Ergebnisse


Insgesamt 21 Teilnehmende gaben an, LSP erstmals im besuchten Seminar kennengelernt zu haben. Für die Anwendung dieser Methode standen ihnen durchschnittlich eine Stunde oder weniger Zeit zur Verfügung. 13 Teilnehmende (62 %) bewerteten die Methodik als «sehr gut», drei Teilnehmende (14 %) als «gut» und fünf Teilnehmende (24 %) als «befriedigend». Niemand vergab eine schlechtere Note. Diese Verteilung verdeutlicht, dass die Teilnehmenden mit der Anwendung der Methode im Rahmen des Seminars überwiegend sehr zufrieden (Durchschnittsnote 1,4) waren.

Die meisten Teilnehmenden charakterisierten den Einsatz von LSP als eine abwechslungsreiche, kreativitätsfördernde und angenehme Aktivität. Ein Teilnehmer beschrieb diese Technik als sehr lehrreich, innovativ und anwendbar für alle. Ausserdem wurde die Methodik als hochmotivierend und teambildend erlebt. Jeder Teilnehmer wurde gebeten, sich aktiv einzubringen und seine Ideen mit den
anderen Teilnehmenden zu teilen. Ein anderer Teilnehmer bezeichnete LSP als eine geeignete Massnahme, um auch für weniger kreative Personen eine Verbindung zwischen Theorie und Praxis herstellen zu können.

Hinsichtlich der Wahrnehmung der Methode durch die Teilnehmenden weichen die Erfahrungen nach der wiederholten Anwendung von denen nach dem ersten Einsatz ab. Zwar wird selbst bei wiederholter Verwendung von LSP die Methode als eine aktivierende, teambildende und kreativitätssteigernde Aktivität wahrgenommen, diese wird jedoch als weniger gut empfunden als noch bei der ersten Anwendung (Durchschnittsnote 1,8). Die Ergebnisse der Fragebögen wurden durch das teilweise geäusserte mündliche Feedback der Teilnehmenden bestärkt.

Der Eindruck der Seminarteilnehmenden wird auch von dem Seminarleiter geteilt, der Seminare dieser Art bereits öfter moderierte. Er erwähnt im Interview, dass LSP hilfreich sei, um Gedanken und verschiedene Sichtweisen in einer Gruppe zu visualisieren.

Dieser Aspekt führt zu einer verbesserten Gruppendynamik und Einbeziehung aller Teilnehmenden. Die Implementierung der Methode kann ein besseres Bewusstsein des Ergebnisses begünstigen und kleine Veränderungen beeinflussen. Er erwähnt ferner, dass der Spassfaktor sowie das Vertrauen und die Prägnanz bei den Ergebnissen gestiegen seien.

Seiner Meinung nach spielen jedoch Gruppierungs- und Wiederholungseffekte eine entscheidende Rolle. Das Ergebnis einer Gruppenarbeit kann demnach von allen Mitgliedern schnell als das «richtige Ergebnis» angesehen werden, selbst wenn es das nicht ist. Ein solcher Konsens wäre nicht vorhanden gewesen, wenn keine Visualisierung zum Beispiel durch LSP erfolgt wäre.


Die Schlussfolgerungen


Darüber hinaus ist die Motivationswirkung von LSP am stärksten, wenn die Anwendung dieser Methodik für die Teilnehmenden eine Überraschung ist. Sobald die Arbeit mit LSP erwartet und zur Routine wird, nimmt der Spassfaktor ab und die Teilnehmenden sind weniger motiviert, als sie es bei der erstmaligen Nutzung dieser Technik waren.

Basierend auf der Fallstudie und der Analyse der drei Seminare können die Ergebnisse aus der Literatur bestätigt werden, welche LSP als Eisbrecher und Unterstützer für ein gemeinschaftliches Verständnis über gemeinsame Bedeutungen betrachten. Innerhalb der Fallstudie wurde der Zeitaufwand der LSP-Workshops (Gauntlett, 2007; Rieber & Matzko, 2001) verringert, indem nur Teile der Methodik Anwendung fanden.

Dennoch untersucht die Fallstudie mehrere Einschränkungen der Methode, wie den Verlust der positiven Effekte bei mehrmaligem Einsatz oder die schnellere Festlegung auf ein gemeinsames Ergebnis (auch wenn es gegebenenfalls nicht das richtige ist).

Es scheint, dass sich alle Seminarteil­nehmenden durch die Verwendung von LSP-Elementen stärker in den Prozess eingebunden fühlen und auch das Gefühl eines besseren Verständnisses innerhalb der Gruppe besteht. Daher kann es empfehlenswert sein, Teile von «Lego Serious Play» einzusetzen, um die Arbeitswelt zeitweilig zu verändern. In dieser temporär veränderten Arbeitswelt können die Teilnehmenden ein besseres Gefühl für die Zusammenarbeit generieren und somit verbessert zusammenarbeiten.

Besonders in einem seriösen Arbeitsumfeld kann LSP dazu beitragen, die Atmosphäre zu entspannen. Aufgrund der empirisch nachgewiesenen positiven Faktoren ist die Methode insbesondere für die Projektarbeit geeignet und auch für KMU praktikabel, da sie ressourcenschonend eingesetzt werden kann. Bei einer beabsichtigten Wiederholung im gleichen Teilnehmerkreis sollte die Metho­­-dik allerdings abgewandelt werden, beispielsweise durch eine zusätzliche Moderation, um einen ähnlich positiven Effekt zu erzielen.