Forschung & Entwicklung

Arbeitsplatzgestaltung

Wie neue Arbeitswelten Innovation und Effizienz steigern

Der Umzug in eine neue Arbeitswelt ist eine Herausforderung. Viele Unternehmen stehen vor der Frage, wie sie die neue Arbeitswelt – ganz gleich, ob es sich um einen neuen Campus, ein Gebäude oder die Veränderung der Räumlichkeiten handelt – so gestalten können, dass sie anschliessend innovativer und effizienter agieren können. Ein Fallbeispiel.
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Viele wissenschaftliche Studien beschäftigen sich mit dem Einfluss von neuen Arbeitswelten auf die Kommunikation, Innovation und Effizienz (vgl. beispielsweise Allen, 2007, S. 25 f., Boutellier et al., 2008, S. 372.). Die bisher am häufigsten genannte wissenschaftliche Erkenntnis über den Einfluss neuer Arbeitswelten ist, dass die Wahrscheinlichkeit regelmäs­siger Kommunikation abnimmt, je grös­ser die Entfernung zwischen den Personen ist (vgl. Allen, 2007, S. 26.).

Bisherige Erkenntnisse

Regelmässige Kommunikation ist wichtig, um die richtigen Informationen schnell austauschen und Mitarbeiter und Projekte koordinieren zu können, aber bei aller Effizienz die Innovationsfähigkeit nicht zu verlieren. Die soziale Kommunikation fördert ausserdem den Zusammenhalt unter Mitarbeitern (vgl. Allen, 2007, S. 23 f.).

Kreativität ist eine wesentliche Voraussetzung für Innovation (vgl. Amabile et al., 2005, S. 367 f.), die ein entsprechendes Arbeitsumfeld benötigt, um sich zu entfalten. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, dieses Arbeitsumfeld möglichst kreativitätsfördernd zu gestalten, beispielsweise durch bestimmte Farben, Pflanzen, Tageslicht, Geräusche et cetera (vgl. beispielsweise Dul/Ceylan/Jaspers, 2011).

Um gleichzeitig eine effiziente Arbeitsweise der Mitarbeiter zu gewährleisten, sollte die Kommunikation durch bestimmte Regeln und Zonen kanalisiert werden. Erste Studien zu diesen sogenannten offenen Multispace-Arbeitswelten wurden am Novartis-Campus in Basel durchgeführt (vgl. beispielsweise Coradi et al., 2015). In dieser Arbeitswelt kommunizieren die Mitarbeiter öfter mit­einander, allerdings sind die Gespräche deutlich kürzer und effizienter. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass diese kurzen, zufälligen oder geplanten Begegnungen sowohl die Informationsweitergabe, die Koordination als auch die Inspiration fördern.

Nun ergab sich die Frage, welche Auswirkungen eine offene Multispace-Arbeitsumgebung auf die Kommunikationswahrscheinlichkeit eines mittelstän­dischen Unternehmens haben könnte. Zur Beantwortung dieser Frage stellte sich das Schweizer Architekturbüro FSP als optimales Forschungsobjekt heraus.

Die Fallstudie

Denn im Jahre 2013 stand das Schweizer Architekturbüro FSP mit damaligem Sitz in Wettingen und 55 Mitarbeitern vor folgenden Herausforderungen: Zum einen wurden die Räumlichkeiten durch kon­tinuierliches Mitarbeiterwachstum zu klein. Zum anderen hemmte die Raumsituation, die drei Wohnhäuser umfasste, den Kommunikationsfluss zwischen den Abteilungen.

In Zusammenarbeit mit der ETH Zürich, am Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement, wurden daraufhin Ist-Analysen der Kommunikationshäufigkeiten sowie Bewegungsmuster der Mitarbeiter in der alten Arbeitswelt durchgeführt. Diese Analysen veranlassten FSP am Ende des Jahres 2014, die komplette Arbeitswelt zu verändern und aus den Wohnhäusern in Wettingen in einen Industriebau in Spreitenbach umzuziehen.

Dabei veränderte sich das Büro laut FSP-Geschäftsführung von einer Art «Campus» hin zu einer «one team, one floor-Lösung». Gleichzeitig wurden die Räume entsprechend dem Arbeitsablauf angeordnet. So befinden sich beispielsweise das Sekretariat und der Empfang am Anfang des Büros (erste Anlaufstelle nach dem Eintritt). Darauf folgen dann die Geschäftsführung, die architektonische Entwurfsabteilung, die architektonische Ausführungsabteilung und die Bauleitung. Dabei be­finden sich alle Teams auf dem gleichen Stockwerk und haben einen gemeinsamen Pausenbereich, vier gemeinsame Sitzungszimmer und eine gemeinsame Küche.

Das Forschungsdesign

Um den Einfluss der neuen Arbeitswelt auf das Arbeitsverhalten im FSP-Architekturbüro sichtbar und messbar zu machen, folgte der Vorher-Analyse im Jahr 2013 eine Nachher-Analyse im Jahr 2016 in den neuen Räumlichkeiten. Dazu wurde ein hybrides Forschungsdesign, bestehend aus qualitativen Interviews und wissenschaftlichen Beobachtungen sowie quantitativen Fragebögen und Kommuni­­ka­tionserfassungslogs, verwendet. Die Verwendung dieser vier Methoden ermöglicht eine Triangulation der gewonnenen Daten. Dadurch stützen sich die erhaltenen Ergebnisse nicht nur auf eine Erhebungsmethode und die gewonnenen Erkenntnisse werden zusätzlich validiert. 

Die Ergebnisse

Im Zuge der Forschungsdurchführung konnte ein Anstieg der täglichen Face-to-Face-Kontakte pro Mitarbeiter innerhalb des Büros um fast 200 Prozent gemessen werden (bei gleichzeitiger Verringerung der Anzahl an geschriebenen internen E-Mails). Ausserdem wurde beobachtet, dass sich private Unterhaltungen während dieses kurzen Face-to-Face-Austausches verringern und Arbeitsthemen Priorität erlangen.

Dies bestätigen die Interviews, deren Aussagen zeigen, dass die private Kommunikation nicht zugenommen hat (100% Zustimmung aller interviewten Personen nach dem Umzug, n = 38), obwohl man sich jetzt öfter sieht (34%). Ein Viertel der Mitarbeiter (26%) ist sogar der Meinung, dass in der neuen Arbeitswelt die private Kommunikation abgenommen hat. Dabei findet die arbeitsbezogene Kommunikation vorwiegend am eigenen Arbeitsplatz statt (über 80% aller Kommunikations­events). Konzentrierte Einzelarbeit und längere Diskussionen verlagern sich in die verfügbaren Sitzungszimmer. Die hohe Frequenz der arbeitsbezogenen Gespräche wird von den meisten Mitarbeitern (Zustimmung 80%, erhalten durch Interviews, Beobachtungen, Fragebogen) auch in dieser Häufigkeit als sinnvoll und notwendig angesehen.

Trotz der gestiegenen Fokussierung auf Arbeitsthemen innerhalb der Kommunikation sollte das soziale Beisammensein nicht zu kurz kommen. Daher findet bei FSP zweimal täglich für je 15 Minuten eine gemeinsame Kaffeepause in einem besonders dafür geschaffenen Bereich – dem «Marktplatz» – statt. Wie hoch die Bedeutung dieses gemeinsamen sozialen Treffpunkts ist, wird durch die Zustimmung in den Interviews (76%) sowie durch eigene Beobachtungen und die Ergebnisse des Fragebogens zur Raumnutzung deutlich. Demnach nutzen mehr als 95 Prozent aller Mitarbeiter den Marktplatz täglich. Mit dieser neuen Arbeitswelt sind die Mitarbeiter zufrieden und empfinden sie als Verbesserung gegenüber der alten Arbeitswelt.

Wie stark der Einfluss der neuen Arbeitswelt auf die Innovationsfähigkeit ist, konnte wissenschaftlich nicht abschlies­send geklärt werden. Kommentare wie «Wir sind deutlich innovativer unterwegs» oder «Wir arbeiten jetzt an coolen, innovativen Projekten, von denen wir vorher geträumt haben» (Interviewaussagen der Mitarbeiter) lassen auf eine positive Wirkung schliessen. Dazu passen ebenfalls die Aussagen der Geschäftsführung, wonach sich die Anzahl der Büroführungen aufgrund der innovativen Gestaltung verdreifacht und sich die Anzahl an Gestaltungsprojekten für neue Arbeitswelten signifikant erhöht haben. Auch konnte festgestellt werden, dass die Mitarbeiter sich von ausgestellten Exponaten innerhalb des Büros anregen lassen (Zustimmung 68%). Festgestellt und messbar wurde, dass das Architekturbüro deutlich effizienter (Wertschöpfung pro Mitarbeiter) geworden ist.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Face-to-Face-Kommunikation bei FSP um 200 Prozent zugenommen hat, das interne Mailaufkommen und die interne Telefonnutzung und damit verbundene Rückfragen abgenommen haben und insgesamt kürzer und weniger privat während der Arbeitszeit kommuniziert wird. Das Büro arbeitet wertschöpfender und wirkt innovativer. Die neue Arbeitswelt eignet sich für die Zusammenarbeit der verschiedenen Teams und die Mitarbeiter sind mit ihrer neuen Arbeitswelt zufriedener und glücklicher als zuvor.

Die Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse dieser Studie untermauern die bisherigen Forschungsergebnisse und erweitern sie um die Perspektive eines schweizerischen KMU. Für weitere KMU, die vor der Herausforderung stehen, eine neue Arbeitswelt zu gestalten, können folgende wesentliche Erfolgsfaktoren aus dem Fallbeispiel extrahiert werden:

Die Einbindung der Mitarbeiter durch eine professionelle Begleitung des Umzugs erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Mitarbeiter in der neuen Arbeitswelt zufrieden sind. Bei der Ausgestaltung der Arbeitswelt sollte auf Nähe der einzelnen Mitarbeiter zueinander, bestenfalls auf einer Etage, und Sichtbarkeit der Mitarbeiter untereinander geachtet werden. Weiterhin sollten anregende Wissensquellen und Exponate innerhalb des Büros ausgestellt werden.

Diese Aspekte erlauben schnellere Feedbackzyklen, eine vereinfachte Externalisierung von Wissen mithilfe von Objekten sowie ein geteiltes Verständnis der Ideen durch entsprechende Visualisierungen. Weiterhin kann durch das Anbieten von sozialen Treffpunkten – mit gegebenenfalls festen Pausenzeiten – die private Kommunikation kanalisiert werden. Dies kann zu mehr potenzieller Arbeitszeit für die einzelnen Mitarbeiter und damit zu einer höheren Wertschöpfung des Unternehmens führen. Somit ist es durch die richtige Gestaltung der Arbeitswelt möglich, die Zufriedenheit der Mitarbeiter positiv zu beeinflussen und gleichzeitig die Innovationsfähigkeit und Effizienz des Unternehmens zu steigern.

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