Toyotas «Stop and Go»-System oder auch Andon-Pull-System, welches den Fortschritt der Produktionsprozesse entlang der Fahrzeugherstellung steuert, stellt eine geläufige japanische Vorgehensweise dar, um jegliche Art von unvorhersehbarem Zwischenfall effizient zu begegnen. Zugleich zeigt diese Methode, wie viel Bedeutung der individuellen Einschätzung des Mitarbeiters in Fernost beigemessen wird. Die Andon-Reissleine steht jedem Werker während aller Produktionsabschnitte zur Verfügung und kann situationsabhängig betätigt werden, um zum Beispiel auf eine Unregelmässigkeit an der entsprechenden Fertigungsstation hinzuweisen.
Chance zur Verbesserung
Jedem Mitarbeiter der Fertigungsstrasse wird durch dieses Vorgehen ein ausserordentliches Mass an Verantwortung und individueller Autorität übertragen. Je nach Schweregrad wird das Problem entweder direkt behoben oder, nach Ablauf einer vorgegebenen Zeitspanne, das gesamte Band gestoppt. Andere involvierte Mitarbeiter und Vorgesetzte werden durch das Signal darauf aufmerksam gemacht, das Problem gemeinsam zu beheben. Die Aktivierung und das damit verbundene bewusste Aufmerksammachen auf Fehler an der eigenen Fertigungsstation wäre gemäss europäischem Verständnis negativ behaftet. Im japanischen Mindset stehen Aspekte wie das Verhindern eines Fehlers im Endprodukt, das Sicherstellen einer akkuraten Übergabe an die nächste Station und die Chance auf einen Beitrag zur Systemverbesserung im Vordergrund. Entsprechend werden anfallende Störmeldungen im Anschluss ausgewertet, um bestmögliche Anpassungen für künftige Produktspezifikationen und -prozesse abzuleiten. Toyota und andere japanische OEM sind sich der Bedeutung impliziten Wissens bewusst und stellen deshalb sicher, dass diese stille, intuitive Form des Wissens miteinander geteilt wird.
Wissensgenerierung
Die Komponente des kollektiven Lernens und somit das Verbessern des Systems steht im Vordergrund und lässt intuitives Handeln im Sinne eines Fehlerversteckens in Wertschöpfung wandeln. Das Andon-Beispiel veranschaulicht eindrücklich den kollektiven Charakter der japanischen Kultur: «bottom-up»-Wissensgenerierung durch sogenannte «knowledge activists» (von Krogh et al., 2000).
Die gleiche Logik kann auch auf den Produktentwicklungsprozess übertragen werden, welcher im Kern nichts anderes als ein Vorgehen zur Generierung neuen Wissens darstellt. Daher erscheint es nicht überraschend, dass eine der einflussreichsten Theorien zur Wissensgenerierung von Nonaka, einem japanischen Wissenschaftler und Pionier im Bereich Wissenstransfer und Ideenschöpfung, entwickelt wurde. Demzufolge generieren Organisationen Wissen durch die Externalisierung von implizitem oder auch stillem Wissen (engl. «tacit knowledge») sowie der Kombination aus externen Wissensressourcen, um eine vielschichtige Zusammensetzung zu bewerkstelligen.