Ein beispielhafter Praxisfall zeigt das Dilemma auf: Als exportorientierte Unternehmung in der MEM-Industrie tätig, hat die Firma Sistag AG seit Jahren mit dem starken Schweizer Franken und hohen Lohnkosten zu kämpfen. Die Umsätze in zahlreichen exportorientierten Schweizer KMU entwickeln sich nicht wie gewünscht und die Margen schmelzen wie das Eis an der Sonne. Unsere Belegschaft mit rund 100 Mitarbeitenden ist stark durch das operative Geschäft ausgelastet. Wir jagen täglich neuen Aufträgen nach.
Dilemma im Arbeitsalltag
Hier stellt sich die Frage, wann die Unternehmen dennoch innovieren sollen. Wir sammeln und halten unsere Entwicklungsvorhaben auf einem Produktentwicklungsplan fest. Dieser Plan entsteht ganz nebenbei, und zwar schrittweise in zahlreichen Gesprächen zwischen den Entwicklungs-, den Vertriebs- und den Produktionsverantwortlichen. Unsere zwei Ingenieure arbeiten diese Pendenzen im Verlaufe des Jahres nach definierten Prioritäten ab. So entwickeln wir unsere Produkte weiter, so funktioniert unser Innovationsprozess.
Die fehlenden finanziellen und personellen Freiräume führen dazu, dass vor allem kleinere KMU nur eingeschränkt in der Lage sind, komplexe Systeme zu managen. Ebenso lassen sich kaum langfristige Innovationsprojekte stemmen, mit denen die Wettbewerbsposition gefestigt oder verbessert werden könnte. Gemäss einer Studie der Universität St. Gallen werden die Kosten für die Durchführung von Innovationsprojekten als zu hoch eingeschätzt (Bergmann, Volery, 2016). Viel häufiger stellt ein fehlendes Eigen- und Fremdkapital bei KMU ein Innovationshemmnis im Vergleich zu Grossunternehmen. Dieser Effekt verstärkt sich noch dadurch, dass viele KMU Familienunternehmen sind und diese weniger gerne Fremdkapital aufnehmen. Deshalb folgt, wie eben im Praxisfall gesehen, dass die Projektdurchführung aus Budgetgründen einer Mittel-Ziel-Logik folgt. Es liegt auf der Hand, dass es optimaler wäre, wenn auf der Basis der angestrebten Ziele Mittel und Vorgehen definiert und beschafft würden.
Angenommen, die Ideen wären in den Unternehmungen vorhanden und der Wille zum Innovieren wäre da. Dennoch werden verschiedenste Fachkompetenzen benötigt, um Ideen erfolgreich in Produktinnovationen umzusetzen. Die Vielfalt der notwendigen Kompetenzen hat sich auch durch die Megatrends Digitalisierung und Beschleunigung (time to market) deutlich erhöht. KMU können nicht alle diese Kompetenzen in der eigenen Unternehmung aufbauen, noch können sie sich kostspielige Fehlschläge leisten. Es müssen andere Wege gesucht werden. Ebenfalls zeichnen sich kleine und mittelgrosse Unternehmen dadurch aus, dass Improvisation und Intuition eine höhere Bedeutung als in Grossunternehmen haben, wo ein besser ausgebautes Informationswesen besteht und stärker geplant wird (Bergmann, Volery, 2016).
Innovation ist grössenabhängig
Schweizer Unternehmen gehören nach wie vor zu den innovationsstärksten der Welt. Dies konstatiert das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation in seiner Studie zur Forschung und Innovation in der Schweiz (SBFI, 2016). Die Anzahl der Innovationen ist aber abhängig von der Grösse des Unternehmens: je grösser ein Unternehmen, desto mehr Innovationen. Die MEM-Industrie ist Spitzenreiter in Bezug auf öffentlich geförderte Innovationsprojekte. Gemäss Jahresbericht der Kommission für Technologie und Innovation (heutige Innosuisse) wurden 2017 131 Forschungsprojekte der Industrie mit Hochschulen in der Maschinentechnik bewilligt, das entspricht 14,6 Millionen Franken Bundesbeiträgen.
Bei kleineren KMU sieht die Situation etwas anders aus. Ein Schlüsselfaktor für erfolgreiche Innovationen sind die Mitarbeitenden. Bei KMU sind diese Mitarbeitenden meistens stark durch das operative Geschäft ausgelastet und es sind keine weiteren Ressourcen (personell und finanziell) für die Umsetzung der Ideen vorhanden. Eine Studie von Swissmem in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz bestätigt diese Tatsache (Barjak, Heimsch, von Arx, 2017). Bei dieser Studie wurden die Mitglieder betreffend ihrer «Pains und Gains» in Bezug auf Innovation befragt. Bei 23 Prozent der MEM-Betriebe sind die mangelnden finanziellen Ressourcen ein echtes Problem, weitere 45 Prozent der Betriebe fühlen sich ebenfalls eher davon betroffen.
Auch die Unternehmensgrösse spielt eine Rolle. Je kleiner ein Unternehmen, desto häufiger ist das Ressourcenproblem ein Hinderungsgrund für Kooperationen. Aufwendungen für Innovationsaktivitäten fallen bei KMU allerdings vor allem für marktnahe Tätigkeiten wie Produktentwicklung sowie Konstruktion und Design an. Hohe Forschungsaufwendungen sind bei KMU eher die Ausnahme (Bergmann, Volery, 2016).