Forschung & Entwicklung

Digitale Transformation Teil 2 von 3

Vier Entwicklungsstufen am Beispiel der Industrie

Die digitale Transformation bietet viele Chancen, ist aber auch eine unternehmerische Herausforderung. Der Beitrag gibt Einblick, welche Stufen der digitalen Transformation Unternehmen Graubündens erreicht haben, welche Massnahmen getätigt und welche geplant sind. Dadurch entsteht eine Auslegeordnung auch für andere KMU.
PDF Kaufen

Die digitale Transformation ist ein vielschichtiger Prozess mit einer Vielzahl an Möglichkeiten. Das Churer Modell der digitalen Transformation (siehe Teil 1 dieser dreiteiligen Serie, «KMU-Magazin», Ausgabe 1-2/2019) veranschaulicht die Dimen­sionen, welche für eine erfolgreiche Umsetzung zu berücksichtigen sind. Ent­sprechende Massnahmen lassen sich vier übergeordneten Entwicklungsstufen zuteilen. Diese reichen vom intelligenten Produkt, zum intelligenten und vernetzten Produkt, zum Produktsystem bis zum Ökosystem. 

Welche Stufe haben die Industrieunternehmen Graubündens erreicht?  Im Auftrag des Kantons Graubünden haben die Autoren 16 Unternehmen aus Industrie, Bau, Tourismus, Logistik und Handel befragt, um den Stand der digitalen Transformation zu bestimmen sowie zukünftige Massnahmen zu identifizieren. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf Interview­daten der Industrie. 

Massnahmen zur Digitalisierung

Die Interviews mit Industrievertretern Graubündens zeigen, dass die digitale Transformation hohe strategische Priorität einnimmt. Die Grundlage zur digitalen Transformation (DT) konnte mit der Implementierung von Sensoren und Aktoren gelegt werden. Weitere, in den letzten Jahren eingesetzte Technologien der Industrieunternehmen, sind kollaborative Roboter und der 3-D-Druck. Andere umgesetzte Massnahmen der befragten Unternehmen beziehen sich auf die Stufe zwei. So ermöglichen beispielsweise die getätigten Investitionen in die Durchgängigkeit der Daten und die Vernetzung eine direkte Ansteuerung der Anlagen und Roboter sowie deren Überwachung. Durch den Einsatz von verschie­denen Technologien, wie zum Beispiel Dash-Boards an den Anlagen, kann der Zustand visualisiert und frühzeitig reagiert werden. 

Bereits realisiert wurden Massnahmen zur Gewährung der Rückverfolgbarkeit. Bei einem Unternehmen wurden diese Massnahmen durch den Einsatz von 2-D-Barcodes durchgängig umgesetzt. Einerseits ermöglicht dies eine lückenlose Dokumentation, was seitens der Kunden erwünscht ist, andererseits kann dadurch die Ursache von Fehlern einfacher eruiert werden. Ein weiteres wichtiges Thema ist der ortsunabhängige Zugriff auf die Produkte oder Maschinen (Remote Access). Der ortsunabhängige Zugriff konnte bei den Inter­viewpartnern bereits umgesetzt und dem Kunden dadurch Mehrwerte offeriert werden. Datenbasierte Dienstleistungen werden bislang jedoch nur vereinzelt angeboten. Grundlage für solche datenbasierte Dienstleistungen bilden die Kundennutzungs- und Zustandsdaten der Produkte. 


Vernetzung interner Prozesse

Erst die Speicherung, Analyse und In­terpretation der Daten ermöglichen das Anbieten datenbasierter Dienstleistungen. Beispiele hierfür sind die vorausschauende Wartung, mit dem Ziel, un­geplante Maschinenstillstände zu vermeiden oder Empfehlungen im Umgang mit dem Produkt. Solche Dienstleistungen entsprechen dem Wunsch des Kunden, Echtzeitinformationen über den Zustand seines Produktes zu erhalten und notwendige Massnahmen rasch einleiten zu können. 

Die Mehrheit der bereits durchgeführten Massnahmen befindet sich auf Stufe zwei, das heisst, Maschinen und Anlagen können ortsunabhängig überwacht werden, entsprechende Daten analysiert und, vereinzelt in Echtzeit, Aktionen eingeleitet werden. Die getätigten Investitionen in die Vernetzung interner Prozesse verfolgen das langfristige Ziel der intelligenten Fabrik. Die Analyse der Akti­vitäten zeigt jedoch, dass für die Er­reichung einer vollautonomen Fabrik, bestehend aus dem digitalen Abbild, einem durchgängig vernetzten Maschinenpark, Datenintegration und integrierten IT-Systemen, weitere Investitionen notwendig sind. 

Was die Zukunft bringt 

Die digitale Transformation ist ein mehrjähriger Prozess, der eine Vielzahl an Massnahmen beinhaltet. Die durchgeführten Interviews zeigen, dass mit den geplanten Initiativen die Position auf Stufe zwei gestärkt wird. Zudem werden Investitionen geplant, welche die Transformation zur Stufe drei, dem Produkt­system, anstossen. Die geplanten Massnahmen der befragten Unternehmen zeigen auf, dass die Vernetzung der Prozesse weiterhin ein zen­tra­-les Thema bleibt (Stufe zwei). So betreffen weitere Vorhaben  die durchgängige Rückverfolgbarkeit und die Vernetzung bestehender Maschinen (Retrofit).  

Weitere Pläne umfassen die Entwicklung neuer, datenbasierter Dienstleistungen, die auf Kundennutzungs- und Zustandsdaten basieren. Als besonders wichtig er­achten die Unternehmen dabei die Investi­tionen in die Datenanalyse und -inter­pretation, deren Umsetzung eine zentrale Voraussetzung für die Anbie­tung datenbasierter Dienstleistungen ist. Bei den datenbasierten Dienstleistungen sind grosse Unterschiede bei den befragten Unternehmen ersichtlich. Die Spannweite reicht von konkreten Investitionen in die Datensammlung, der Skizzierung neuer datenbasierter Dienstleistungen bis zur Einstufung als langfristiger Trend. 


Intelligente Fabrik als Ziel

Die Transformation zur intelligenten Fabrik (Stufe drei) ist ein wesentliches Ziel der befragten Unternehmen. Dabei wird sowohl die Kommunikation zwischen Maschinen vorangetrieben als auch eine durchgängige Vernetzung der gesamten Produktionsanlagen angestrebt. Weitere Massnahmen beziehen sich auf die Integration vor- und nachgelagerter Prozesse. Dabei zeigt sich, dass die Vernetzung ein langfristiger Prozess ist, welcher sich sowohl vertikal (entlang mehrerer Unternehmensebenen) als auch horizontal (entlang der Wertschöpfungskette) ausweitet. Der Entwicklungsspielraum in der dritten Stufe, dem Produktsystem, ist gross. Diese Aufgabe wird die Unternehmen Graubündens noch einige Zeit beschäftigen. 

Als Trend identifizieren die befragten Unternehmen das Bilden von Ökosystemen, das heisst, den Datenaustausch entlang von Wertschöpfungsnetzwerken mit dem Ziel, den Kunden Zusatznutzen zu generieren oder Effizienzvorteile in der Leistungserbringung zu erzielen. Verschiedene Untersuchungen dazu zeigen, dass Manager überzeugt sind, dass sich die Art und Weise, mit der Wert erzeugt wird, massgebend verändern wird. 

Weiter weisen die befragten Industrie­vertreter Graubündens darauf hin, dass aufgrund der digitalen Transformation die Stellung eines Unternehmens im Umfeld zu reflektieren und die Positionierung neu zu überdenken ist. Es gilt, sich für den internationalen Wettbewerb in Ökosystemen zu positionieren. 


Nur die Basis ist gelegt

Ein von den Autoren durchgeführter Vergleich mehrerer Studien zur digitalen Transformation zeigt, dass sich die Unternehmen Graubündens mit den getätigten und geplanten Massnahmen nicht massgeblich zu Unternehmen in der Schweiz unterscheiden.

Obwohl erste Erfolge der digitalen Transformation ersichtlich sind, sind weitere Massnahmen notwendig. So konnten bisher weder die Potenziale der intelligenten Fabrik, intelligenter Wertschöpfungsnetzwerke, datenbasierter Dienstleistungen noch diejenigen von Ökosystemen genügend genutzt werden. Ausruhen geht also nicht.

Die digitale Transformation in Industrieunternehmen beginnt oftmals mit einem Produkt- und Technologiefokus, bevor weitere Potenziale aus der Vernetzung und den Daten genutzt werden können. Die vorliegende Analyse zeigt, dass die Grundlage in der Industrie Graubündens dafür gelegt wurde. Ähnliche Erkenntnisse sind in weiteren Branchen Graubündens, dem Bau, Handel und Logistik und im Tourismus, ersichtlich.

Welche Auswirkungen und Hemmnisse die Unternehmen Graubündens aus den zentralen Branchen Graubündens in der digitalen Transformation als zentral erachten und welche übergeordneten Massnahmen notwendig sind, wird im dritten Teil (Ausgabe 4-5/2019) dargestellt.

Porträt