Forschung & Entwicklung

Digitale Transformation Teil 3/3

Übergeordnete Massnahmen für die digitale Transformation

Die Umsetzung der digitalen Transformation benötigt übergeordnete, unterstützende Massnahmen, wie die Förderung der Mitarbeitenden, ein kultureller Wandel sowie Koo­pera­tionsbereitschaft. Weiter sind der Fachkräftemangel und die Veränderung der Anfor­derungsprofile zu berücksichtigen, wie dieser Beitrag zeigt.
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Die Möglichkeiten der digitalen Transformation sind vielfältig. Unabhängig von der Wahl der gewählten Massnahmen ist zu beachten, dass eine erfolg­reiche Umsetzung Veränderungen entlang mehrerer Dimensionen benötigt. Das Churer Modell der digitalen Trans-for­mation (siehe Teil 1 dieser Serie, «KMU-Magazin», Ausgabe 1–2/2019) visualisiert die wesentlichen Bausteine der Veränderung. 

Reifegrade

Basierend auf Interviews mit Industrievertretern Graubündens zeigt der zweite Teil dieser Serie («KMU-Magazin», Ausgabe 3/2019), welche (technologischen) Massnahmen bereits umgesetzt und welche geplant sind. Dabei wird ersichtlich, dass sich die digitale Transformation über mehrere Stufen entwickelt. Die Grundlage bildet das intelligente Produkt, gefolgt vom intelligenten und vernetzten Produkt. Die darin enthaltenen Investitionen in Sensorik, Aktoren und Schnittstellen bilden die Basis für das Produktsystem. Die letzte Stufe bildet das Ökosystem. Obwohl sich die spezifischen Initiativen der befragten Unternehmen unterscheiden, ist ersichtlich, dass sich die Mehrheit der umgesetzten Massnahmen auf Stufe zwei, dem vernetzten und intelligenten Produkt, befindet. 

Welche Auswirkungen verursacht die digitale Transformation und was sind die grössten Hemmnisse? In den fol­genden Ausführungen werden die Erkenntnisse aus 16 Interviews mit Unternehmensvertretern aus Industrie, Bau, Tourismus, Logistik und Handel aus Grau­bünden zusammen­gefasst. Weiter wird aufgezeigt, welche übergeordneten Massnahmen die 15 Teilnehmenden aus Industrie, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden erarbeiteten, um die digitale Transformation im Kanton Graubünden zu stärken. 

Neue Anforderungsprofile

Ein wesentlicher Treiber der digitalen Transformation ist der Mensch. In allen befragten Branchen findet eine Verschiebung der Anforderungsprofile (Funktionen) und Berufskompetenzen statt (vgl. Abbildung 1). Generell werden vermehrt IT- und Daten-Spezialisten eingesetzt, sowie bei bestehenden Berufsleuten höhere Anforderungen an IT-Kenntnisse gestellt. Ebenfalls steigt die Nachfrage nach Projektleiterinnen und Koordinatoren und nach Personen auf der Führungsebene, die systematisch zur Unternehmens- und Innovationsentwicklung beitragen.

Ergänzend dazu zeigen weitere Studien, dass sich die Beschäftigung zunehmend weg von mittelqualifizierten hin zu hochqualifizierten Berufen verlagert (Rütter Soceco, 2017). So hat sich der Beschäf­tigungsanteil in Berufen mit viel Routinetätigkeiten seit 1996 in der Schweiz deutlich verringert. Stark angestiegen ist hingegen der Beschäftigungsanteil bei analytischen und interaktiven Nichtrou­tinetätigkeiten.

Im Zuge der digitalen Transformation wird erwartet, dass die folgenden Querschnittskompetenzen an Bedeutung gewinnen werden (Bundesrat, 2017, S. 29; EHB und Infras, 2017):

  • IT-Affinität (Technologiewissen und Anwendungskompetenz) 
  • Analytische Kompetenzen (Daten analysieren, beurteilen und interpretieren; analytisches und kritisches Denken) 
  • Soft Skills (Flexibilität, Kreativität, vernetztes und prozessorientiertes Denken, Umgang mit Unsicherheiten)
  • Kundenorientierung und Kommuni­kationskompetenzen sowie der Umgang mit neuen Kommunikationstechnologien und den sozialen Medien

Fachkräftemangel als Hemmnis

Damit Unternehmen die digitale Transformation erfolgreich vorantreiben und somit deren Wettbewerbsfähigkeit langfristig sichern können, ist es entscheidend zu verstehen, welche Hemmnisse die Unternehmen heute bei der Trans­formation behindern. Die Abbildung 2 gibt einen Überblick über die von den Unternehmensvertretern wahrgenommenen Faktoren, die aus ihrer Sicht die Umsetzung der digitalen Transformation in Graubünden erschweren. 

Die Interviews zeigen deutlich, dass sich die Unternehmensvertreter aus allen befragten Branchen mit einem Fach­kräftemangel konfrontiert sehen. Unternehmen aus der Industrie und aus dem Handel und der Logistik berichten, dass der Fachkräftemangel am stärksten bei (Software-)Ingenieuren ist. Dieser Mangel kann sogar so gravierend sein, dass die Rolle als Technologieführer beeinträchtigt wird. Ein weiteres Hemmnis der digitalen Transformation ist die fehlende Kooperationsbereitschaft. Die Kooperation wird zunehmend wichtiger, je höher der Grad der digitalen Transformation. So ermöglicht die digitale Transformation den vereinfachten Austausch zwischen mehreren beteiligten Parteien entlang des Wertschöpfungsprozesses. Insbesondere der Bauprozess ist von verschiedensten Schnittstellen geprägt, wobei die digi­-tale Transformation diesen unterstützen und für alle Beteiligten erleichtern kann. Die Interviewpartner der Industrieunter­nehmen erkennen die Potenziale von Kooperationen ebenfalls, heben jedoch hervor, dass vor allem im unternehmensübergreifenden Datenaustausch weiterhin Zurückhaltung besteht.

Speziell Unternehmensvertreter der Bauwirtschaft berichten von der Herausforderung unausgereifter Technologien, welche die digitale Transformation hemmen. Den befragten Unternehmen zufolge sind vor allem IT-Anbieter gefordert, eine umfassende und insbesondere einheitliche Software zu entwickeln, welche die Zusammenarbeit über alle Teilnehmenden der Wertschöpfungskette im Bauprozess sicherstellen kann.

In eine ähnliche Richtung gehen die An­forderungen an Systeme im Tourismus, die das zunehmend komplexe Verhalten des Gastes anbieterübergreifend erfassen und die Daten so verarbeiten können, dass für den Kunden und den Anbieter ein Mehrwert entsteht. Ein Kleinunternehmen erachtet es auch als anspruchsvoll, die passenden IT-Systeme zu wählen, die ausbaufähig sind und auch in Zukunft über die passenden Schnittstellen verfügen. 

Kritik an staatlichen Auflagen

Die befragten Unternehmen geben zudem an, dass Auflagen und Vorgaben des Staates die digitale Transformation erschweren. So sind in Baubewilligungsprozessen oftmals noch zweidimensionale Pläne gefordert. Auch verlangt die staatliche Statistik eine Vielzahl von Daten (zum Beispiel zu Lohnstruktur, Unternehmensstandort), welche nicht automatisiert aus den unternehmensinternen Systemen bereitgestellt werden können. Eine verbesserte Schnittstelle zwischen den Systemen würde die mit der Datenaufbereitung verbundene Bürokratie erleichtern. Ausserdem wird vereinzelt die in der Schweiz herrschende Arbeitsmarktregulierung als Hemmnis in Bezug auf das Gründen von Unternehmen erachtet. 

Im Bereich Datensicherheit und Verhinderung von Cyberkriminalität weisen einzelne Gesprächspartner auf steigende Kosten hin. Hier wird zusätzliche Unterstützung durch den Staat (Bund) erwartet, indem die Meldestellen und Alarmsysteme ausgebaut und die Strafverfolgung intensiviert wird.

Der Datenschutz wird von we­nigen Gesprächspartnern thematisiert, und dies aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Zum einen wird der hohe Datenschutz in der Schweiz vereinzelt als Wettbewerbsnachteil eingeschätzt. Zum andern wird der Umgang mit Daten als die Herausforderung der nächsten Jahre bezeichnet, da es für Individuen und Unternehmen immer wichtiger wird, zu wissen, was mit den generierten Daten passiert und wer diese wofür verwendet. 

Netzabdeckung elementar

Eine Netzabdeckung kann durch das Festnetz, das Mobilfunknetz, ein Public-WLAN oder auch über das Low Power Network (LPN) abgedeckt werden. Eine unzureichende Netzabdeckung wird nur von zwei Gesprächspartnern, beide aus der Bauwirtschaft, als Hemmnis erachtet. Zu beachten ist jedoch, dass die befragten Unternehmen mit wenigen Ausnahmen ihren Standort in gut erschlossenen Gebieten haben. Einig sind sich die befragten Unternehmen bezüglich der Tatsache, dass ohne zureichende Netzabdeckung die Anforderungen der digitalen Transformation nur schwerlich umgesetzt werden können.

Nur gerade zwei Gesprächspartner nennen die Finanzierung als Hemmnis bei der digitalen Transformation. Sowohl die vorliegenden Ergebnisse als auch weitere Studien zur digitalen Transformation zeigen kein einheitliches Ergebnis in Bezug auf die Frage, ob die Finanzierung eine wesentliche Herausforderung darstellt. Die Finanzierung kann, muss aber nicht ein Hemmnis der digitalen Transformation darstellen.

Übergeordnete Massnahmen 

Zusammenfassend lassen sich drei übergeordnete Massnahmen zur Unterstützung der digitalen Transformation ableiten. 

Förderung der Mitarbeitenden 

Die digitale Transformation ist mit einem Wandel verbunden, der die Mitarbeitenden vor grosse Herausforderungen stellt. Entscheidend ist die Bereitschaft der Mitarbeitenden, diesen Wandel zu unterstützen und voranzutreiben. 

Kultureller Wandel

Unternehmen, welche die digitale Transformation erfolgreich umsetzen und in einem sich rasch ändernden Umfeld bestehen möchten, müssen agil sein. Damit diese Agilität entstehen kann, braucht es häufig einen kulturellen Wandel im Unternehmen. In diesem Zusammenhang soll eine Innovationskultur geschaffen werden, in der Fehler erlaubt sind, um eine nachhaltige Weiterentwicklung sicherzustellen. Wichtig sind dabei flache Hierarchien, welche schnelle Entscheidungen zulassen. Weiter ist ein Umfeld zu schaffen, das Querdenken fördert und die Mitarbeitenden motiviert, neue Bedürfnisse bottom-up zu erkennen und den Wandel voranzutreiben. 

Kooperationsbereitschaft

Um die Chancen von Ökosystemen zu nutzen, müssen sich Unternehmen für eine branchenübergreifende Zusammen­arbeit öffnen. Dazu sind Mass­nahmen einzuleiten, um sich für die Zusammenarbeit in Ökosystemen vorzubereiten. Dazu gehören unter anderem Umsetzungspläne in Bezug auf die IT-Infrastruktur sowie die Vernetzung inner­halb des Unternehmens und entlang der Wertschöpfungskette.

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