Eine zentrale Regel in Krisensituationen lautet: «Distanz schaffen, um auf das Essenzielle fokussieren zu können.» Zahlreichen Unternehmen und ihrem Kader mag das gerade schwerfallen. Viele müssen neben einer schwelenden Strategiekrise zusätzlich eine Ertragskrise und sogar eine Liquiditätskrise bewältigen.
Die zwei zentralen Fragen für das Turnaround-Management lauten: «Wie überstehen wir die Krise?» sowie «Was machen wir daraus?». Gefragt sind innovative Strategien, die das Unternehmen nach vorne bringen oder sogar zu einem Wertsprung führen.
«Turnaround to the Future»
Gemeinhin wird Turnaround-Management als Vorgehen für Bewältigung von Krisensituationen durch radikales Kosteneinsparen – üblicherweise in Verbindung mit Personalabbau – verstanden. In der
Tat sind Kostensenkungen, die Neuallokation von Ressourcen, Reorganisationen oder Schliessungen von Unternehmensteilen immanente Bausteine von Turnaround-Massnahmen.
Das Unternehmen hat sich selber in eine Sackgasse manövriert oder wurde durch exogene Faktoren (zum Beispiel einen Angebots- oder Nachfrageschock) hineingestossen. Meistens ist es eine Kombination von beidem. Auf jeden Fall muss das (neue) Management schnellstmöglich einen tragbaren, Erfolg versprechenden Weg einschlagen können, bevor im schlimmsten Fall die Illiquidität oder die Überschuldung eintritt.
Die anzuwendenden Instrumente des Turnaround-Managements hängen stark von der Ausgangssituation und der Zeitkomponente ab. Befindet sich das Unternehmen im Bereich einer Strategiekrise, erwirtschaftet es meistens immer noch gute Umsätze und ist profitabel. Entsprechend sind die Handlungsoptionen zahlreicher, als wenn ein Unternehmen Verluste schreibt und die Bilanzreserven schwinden (Ertragskrise).
Nochmals völlig anders präsentiert sich die Lage, wenn das Unternehmen in einer Liquiditätskrise steckt. Das bedeutet, dass es Löhne und andere finanzielle Verpflichtungen nicht mehr pünktlich oder mit einer akzeptierbaren Verspätung begleichen kann. In dem Fall kann das Unternehmen nur mithilfe einer radikalen finanziellen, rechtlichen und meistens auch operativen Sanierung vor dem Untergang oder der Zerstückelung gerettet werden. Anzumerken bleibt, dass lebensbedrohliche Liquiditätskrisen zu jedem Zeitpunkt im Lebenszyklus auftreten können – typischerweise gerade auch in der an sich erfolgreichen Wachstumsphase.
Grundsätzliches Ziel des Turnaround-Managements ist es, die Erfolgskurve nach oben zu zwingen und damit dem Unternehmen starke Impulse für eine neue Phase im Lebenszyklus zu ermöglichen. Die Abbildung verdeutlicht die unterschiedlichen Arten von Turnaround-Management im Verlauf des Lebenszyklus.
Nachhaltig erfolgreiches Turnaround-Management braucht zwingend Leadership, Sinnhaftigkeit, Kreativität und konsequentes Handeln. Hier kommen enge Berührungspunkte von Turnaround-Management zu Change-Management, Innovationen und Unternehmenskultur zum Tragen.
Nicht selten findet man ein ausgeprägtes «Not-invented-here»-Syndrom als wesentlichen Mitverursacher der Unternehmenskrise. Unternehmen, die eine fundamentale Neuorientierung einleiten wollen, sollten daher zuerst Turnaround-Fähigkeit und -Würdigkeit prüfen, wie weit ihre Kultur und ihre Belegschaft überhaupt dafür offen sind.
Das führt uns zum ersten Zwischenfazit, nämlich dass der Begriff des Turnaround-Managements differenziert zu betrachten ist und stets die Frage der Zukunftschancen im Mittelpunkt steht. Entsprechend passt hier Winston Churchills geflügeltes Wort «Never let a good crisis go to waste!». Diese Meinung vertrat er im Zusammenhang mit der Konzipierung der UNO als
supranationale Kooperationsplattform nach Ende des Zweiten Weltkriegs.
Wir betrachten im Folgenden, wie Kooperationsstrategien sowie die Digitalisierung den «Turnaround to the Future» unterstützen und nachhaltigen Erfolg ermöglichen können.