Interkulturelle Praxiserfahrung
Im Rahmen eines Zertifizierungsprogramms am IAP Institut für Angewandte Psychologie in Zürich begleiten Teilnehmende Unternehmer und deren Team in einem asiatischen Schwellenland bei der Gründung eines Sozialunternehmens. Neben den unternehmerischen Kompetenzen von Bedarfsanalyse, Erstellung eines Businessplans, dem Pitchen eines Investors und der letztendlichen Umsetzung steht und fällt die Zusammenarbeit zwischen den Teams mit der Fähigkeit, in einem selbstorganisierten Setting ohne hierarchische Strukturen Vertrauen, Verantwortungsübernahme und Team-Kohäsion aufzubauen.
In einem konkreten Fall war das Projekt, in dem das Team den Aufbau eines nachhaltigen und pestizidfreien Agrarbetriebs in Kambodscha begleitete, stark durch ein Akzeptanzgefälle beider Seiten belastet. Interessanterweise wurde dies sehr unterschiedlich beschrieben. Der kambodschanische Unternehmer legte in den begleitenden Coachings offen, dass er kein Vertrauen in die Kompetenzen des schweizerischen Teams habe, da dieses seine Vorschläge harsch zurückweise und ihn als Experten nicht akzeptiere. Mitglieder des Schweizer Teams äusserten sich ähnlich, nur mit einem anderen Fokus. Der Unternehmer akzeptiere ihre Vorschläge nicht, könne nicht strukturieren, würde für seine Entscheidungen nicht einstehen und sei nicht greifbar. Im Mai 2021 hat das Team erfolgreich die Sozialunternehmung gründen können, sehr zum Wohle der lokalen Kleinst-Farmbetriebe. Was hat die Wende unterstützt? Die aktive, offene Suche nach dem gemeinsamen «Wofür», der lebendigen Vision für das Unternehmen, zusammen mit einer Offenlegung der Bedürfnisse, Werte und Wünsche jedes einzelnen Teammitglieds hat eine Vertrauensebene schaffen können, in der das Ringen um Ideen nicht mehr als Kritik und das Geben von Feedback nicht mehr als Bedrohung wahrgenommen wurde.
Heterogenität kanalisieren
Dies hat aber eine bewusste und nicht einfache Auseinandersetzung mit den eigenen kulturellen und individuellen Werten vorausgesetzt, die von vielen anfangs als «Leerlauf» oder «unnötige Umwege» angesehen wurde. Gleichzeitig hat erst dieser Leitstern die Energie freisetzen können, die es gebraucht hat, um in heterogenen Kontexten mit einer Vielfalt an Lebensläufen und den Restriktionen der aktuellen Pandemie der Vision des Unternehmers zum Leben zu verhelfen.
Zusammenfassend kann eine Führungsperson in der heutigen Welt nur dann wirkungsvoll handeln, wenn sie sich ihrer eigenen Werte und Bedürfnisse bewusst ist, die der anderen mit berücksichtigt und eine gemeinsame Vorstellung über das zu erreichende Gut entwickelt werden kann.
Wichtiger denn je ist eine Orientierung am «Whole-person paradigm», das Covey (2013) schon Anfang des Jahrtausends postulierte: Wir haben es immer mit «ganzen Menschen» zu tun, mit Geist, Körper und Herz. Und nur wenn wir das Potenzial dieser Ganzheit nutzen, kann Grosses entstehen.
Mögliche Massnahmen
Nicht nur im interkulturellen Kontakt, auch in homogenen Teams bieten sich folgende Massnahmen an:
- Reflexion der eigenen Sinnorientierung als Führungsperson: Wofür stehe ich ein? Welches attraktive Bild der Zukunft leitet mich in meinen Entscheidungen? Welchen bedeutsamen Unterschied macht mein Handeln?
- Austausch in der Organisation / im Team: Welches Gut steht im Zentrum unserer Bemühungen? Welchen Beitrag leisten wir für die Erreichung dieses Guts? Was wäre, wenn es uns nicht gäbe?
- Reflexion und Austausch unter den Teammitgliedern: Welche Werte hat jeder Einzelne von uns? Wie stehen diese im Verhältnis zueinander? Wie fühle ich mich aufgehoben?
Methodisches Vorgehen: Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit stellt sich vor allem dann ein, wenn ein Gefühl von Sinnhaftigkeit vorhanden ist. Für die Ausarbeitung dieser Fragen bieten sich daher Methoden an, die Verstand, Gefühl und Körper miteinbeziehen, seien es Bilder, Analogien, Figuren oder anderes. Mit solchen analogen Methoden greifen wir auf unser gesamtes Spektrum an Kreativitäts- und Innovationsfähigkeit zurück.