Wer beschreiben will, was Führung im Kern ausmacht und was gute Führung ist, muss meist verschiedenste Definitionsansätze heranziehen und eine lange Liste mit beschreibenden Adjektiven bemühen. Den meisten Menschen fällt es schwer, eine knappe und doch umfassende Beschreibung zu finden, denn Führung stellt eines der zentralen Ordnung stiftenden Elemente in menschlichen Gesellschaften dar, und was für Menschen relevant ist, schlägt sich meist mit hoher sprachlicher Differenzierung in einer Vielzahl von Begriffen nieder, um der Fülle von Situationen und Unterschieden gerecht zu werden.
Hogan und Kaiser (2005) haben in ihrem wegweisenden Artikel «What We Know About Leadership» dargestellt, wie Führung umfassend beschrieben werden kann. Da kann man sich berechtigterweise die Frage stellen, was es jetzt über Führung noch zu sagen gibt. Wurde diesbezüglich nicht schon genug gedacht, erfunden, erklärt und definiert?
Auf jeden Fall berührt das Thema nach wie vor und ist hochaktuell. Daher hat das IAP Institut für Angewandte Wissenschaften ein Modell entwickelt, das umfassend ist und gleichzeitig auf konkrete Kompetenzen mit spezifischer Aussagekraft fokussiert, fest in der Forschung verankert und doch handhabbar in der Praxis ist sowie eine neue Perspektive aufzeigt, wie Kompetenz gerade im Hinblick auf Führungsentwicklung gedacht werden kann.
Forschung als Basis
Umfassend ist ein Modell dann, wenn es alle möglichen Führungsaufgaben abschliessend beinhaltet. Doch ist es realistisch, anzunehmen, dass es so etwas überhaupt gibt? Robert Tett und Forschungskollegen (2001) gingen genau dieser Frage nach und trugen aus verschiedenen Studien datierend von 1951 bis 1993 zusammen, was alles unter beobachtbaren Führungsaufgaben verstanden wird. Die ursprüngliche Liste von 109 Führungsaufgaben verdichteten sie in einem aufwendigen Forschungsprojekt immer weiter, bis zuletzt eine Liste von 53 Kompetenzen resultierte.
Für den Einsatz in der Praxis ist ein Modell, das 53 Kompetenzen umfasst, immer noch unhandlich und zu detailliert. Aus diesem Grund starteten wir ein eigenes Forschungsprojekt, mit dem Ziel, aus den 53 Managementkompetenzen ein für die Praxis handhabbares Führungskompetenz-Modell zu entwickeln und gleichzeitig den umfassenden Rahmen beizubehalten. Das Studiendesign sah vor, dass erfahrene Führungskräfte und als Diagnostiker tätige Psychologen aus den 53 Führungskompetenzen nach eigenem Gutdünken sinnvolle Gruppen bildeten. Als Resultat entstanden gemittelte Ähnlichkeitsgruppen. Diese wurden von drei Experten und einer Expertin mit je mehr als zehn Jahren Erfahrung in der Management-Diagnostik in einem Einigungsverfahren zu Kompetenzen zusammengestellt.