Frau Dr. Herrmann, viele Unternehmensführer fragen sich, wie sie umweltfreundliche Produkte erfolgreicher machen können. Eine häufige Antwort darauf ist: Menschen müssen umweltbewusster werden. Stimmen Sie dem zu?
Nur bedingt, denn mehr Umweltbewusstsein führt nicht unbedingt zu umweltfreundlichem Verhalten. Man spricht hier von einer «attitude-behavior gap», also einer Diskrepanz zwischen der Einstellung und dem Verhalten. Die stark vereinfachende Annahme, dass man Einstellungen beeinflusst und sich daraus zwangsläufig Veränderungen im Verhalten ergeben, ist zwar weit verbreitet, stimmt jedoch so nicht. Das liegt daran, dass es neben den Einstellungen noch zahlreiche weitere Einflussfaktoren auf das Verhalten gibt.
Wie entsteht dieser Widerspruch zwischen umweltbewusster Einstellung und fehlendem umweltbewusstem Verhalten?
Umweltfreundliches Verhalten setzt eine umweltbewusste Einstellung und ein hohes Mass an Motivation voraus. Allerdings kann es schwierig sein, sich konsequent zu umweltbewusstem Verhalten zu motivieren. Der Psychologe Dan Ariely hat dies vor einiger Zeit sehr treffend beschrieben. Er hat – grob übersetzt – gesagt: «Wenn mir jemand die Aufgabe stellen würde, ein Problem zu erfinden, um das sich Menschen möglichst wenig sorgen würden, dann würde ich die Klimaerwärmung erfinden. Denn die Auswirkungen der Klimaerwärmung treten überwiegend irgendwann in der Zukunft auf. Ausserdem passiert es anderen Menschen. Und alles, was der oder die Einzelne tut, ist nur ein Tropfen auf den heis-sen Stein.» Dies trifft nicht nur auf die Klimaerwärmung zu, sondern auch auf andere Umweltthemen. Und diese Merkmale machen es aus motivationspsychologischer Sicht für den Einzelnen schwierig, sich konsequent umweltbewusst zu verhalten. Dies gilt selbst für Personen, die ein recht starkes Umweltbewusstsein entwickelt haben. So lange weder umweltschonendes noch umweltschädliches Verhalten kaum konkret erlebbare Auswirkungen auf die eigene Situation hat, ist es für den Einzelnen schwierig, sich zu motivieren. Das klingt jetzt etwas entmutigend. Ist es aber gar nicht. Denn Unternehmen können einiges tun, um ihre umweltfreundlichen Angebote für Konsumentinnen und Konsumenten attraktiv zu machen und so umweltfreundliches Verhalten zu fördern.
Was können die Unternehmen aus Ihrer Sicht tun, um ihre Konsumenten dahingehend zu motivieren, umweltfreundliche Produkte zu wählen?
Unternehmen sollten vor allem die Barrieren reduzieren, welche die Konsumenten davon abhalten, ein umweltfreundliches Produkt zu wählen. Dabei geht es um die Faktoren Zeit, Geld oder Aufwand für umweltbewusstes Verhalten. Diese Faktoren werden oft zusammenfassend als «Kosten» bezeichnet, auch wenn damit nicht nur finanzielle Kosten gemeint sind.
Ein Beispiel: Früher musste man für Bio-Lebensmittel in ein Spezialgeschäft gehen. Inzwischen sind Bio-Produkte in grossen Supermärkten gleich neben den konventionellen Produkten erhältlich. Dadurch reduzieren sich die für Konsumenten entstehenden Kosten – nämlich Zeit und Aufwand. So wird es für sie leichter, und damit auch wahrscheinlicher, umweltfreundliches Einkaufsverhalten zu zeigen.
Wie beeinflussen diese Kosten das Kaufverhalten?
Eine umweltbewusste Einstellung führt vor allem dann zu einem umweltbewussten Verhalten, wenn die oben genannten Kosten gering sind. Bei hohen Kosten dagegen kann es trotz einer umweltbewussten Einstellung zu einem weniger umweltbewussten Verhalten kommen. Lassen Sie mich das an zwei Beispielen illustrieren. Nehmen Sie die Abfalltrennung im Haushalt: Seinen täglichen Abfall zu trennen und separat zu entsorgen ist mit vergleichsweise geringem Aufwand verbunden. Man spart sogar etwas Geld, weil weniger kostenpflichtiger Restabfall anfällt. Eine umweltbewusste Einstellung führt hier höchstwahrscheinlich zu einem umweltbewussten Verhalten, also zu getrennter Abfallentsorgung. Wenn die Kosten hoch sind, kommt es dagegen eher zu einem Widerspruch zwischen der Einstellung und dem Verhalten. Nehmen wir an, Sie planen einen Wochenendtrip nach Wien. Hier sollte eine umweltfreundliche Einstellung dazu führen, dass man mit dem Zug reist. Doch die Kosten hinsichtlich Zeit und Aufwand sind hoch. Und das macht es sehr wahrscheinlich, dass man eben doch das Flugzeug nimmt. Aufgrund dieser Diskrepanz zwischen Einstellung und Verhalten können Unternehmen sich nicht darauf verlassen, dass eine zunehmend umweltbewusstere Bevölkerung auch häufiger umweltfreundliche Produkte wählt.