Forschung & Entwicklung

Unternehmensnachfolge

Nachfolgeregelung: Mit Netzwerken Grenzen überwinden

Eine Nachfolge für das eigene Unternehmen zu finden, ist eine der letzten grossen Herausforderungen im Arbeitsleben. Warum nicht einfach den Suchradius auf das Ausland erweitern? Vertreter von Unternehmen, Fördereinrichtungen und Hochschulen diskutierten die Möglichkeiten und Grenzen internationaler Nachfolgeregelungen.
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Die Zahl potenzieller Unternehmensnachfolger wird aller Voraussicht nach die Nachfrage in den kommenden Jahren nicht decken können. Dies gilt für die Schweiz wie für unsere Nachbarländer. Neue Strategien und eine rechtzeitige Planung werden daher immer wichtiger. Eine mögliche Option bietet die grenzüberschreitende Suche nach Nachfolgern. Dabei ist aber auch zu prüfen, ob das Unternehmen innovativ und zukunftsfähig ist. Diese zentralen Themen für die Unternehmen standen im Mittelpunkt eines sogenannten Alp Cafés.


Die Fragestellung

Die Alp Cafés sind ein Diskussionsformat des von der EU im Rahmen des Interreg Alpine Space Program geförderten Projekts C-Temalp (Continuity of Traditional Enterprises in Mountain Alpine Space Areas). Ziel des Projektes ist es, zu sensibilisieren und die Rahmenbedingungen für die grenzüberschreitende Unternehmensnachfolge in den zehn beteiligten Regionen zu verbessern. Die Schweiz wird von der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur mit Unterstützung des Netzwerks «KMU Next» vertreten. Folgende Fragen wurden den Diskutanten aus KMU, Seco, Hochschulen, Netzwerken und Beratungseinrichtungen gestellt:

  • Wie präsent ist für Sie die Option der internationalen Nachfolge, also der Verkauf oder Kauf eines Unternehmens ins oder aus dem Ausland, und welche Herausforderungen sehen Sie dabei?
  • Was könnten Akteure wie das Netzwerk KMU Next, Hochschulen und ähnliche Einrichtungen tun, um dabei zu helfen?
  • Womit befassen sich Unternehmer, um ihr Unternehmen zukunftsfähig und zukunftssicher zu machen, und welche Rolle spielen Innovationen dabei?
  • Welche Unterstützung können Netzwerk KMU Next, Hochschulen und ähnliche Akteure dabei leisten?


Herausforderungen

Die Grenzen in unseren Köpfen: Die erste Herausforderung, um das Thema Unternehmensnachfolge im grenzüberschreitenden Kontext zu erörtern, liegt darin, die Grenzen in unseren Köpfen zu überwinden. Das eigene Unternehmen ist für Unternehmer etwas sehr Persönliches und darüber spricht man nicht gerne mit Fremden, also denen auf der anderen Seite der Grenze, auf der unser Pass uns zu Ausländern beziehungsweise Fremden macht. Entsprechend dürften viele vor allem kleinere Schweizer Unternehmen erst dann die Suche nach Nachfolgern oder Käufern im Ausland vorantreiben, wenn die Möglichkeiten im Inland aus
gereizt scheinen.

Wenn dann eine Unternehmensnachfolge grenzüberschreitend umgesetzt wird, sind gute vertrauensvolle Netzwerke gefragt, um auch die Angst vor unbekannten Regelungen und Abläufen im Ausland zu überwinden. Es ist auch nicht selbstverständlich, dass ein Geschäftsmodell, das in der Schweiz mit Schweizer Kunden und deren Gewohnheiten gut funktioniert, im Ausland auch erfolgreich sein könnte oder auch umgekehrt, falls ein ausländisches Unternehmen von einem Schweizer Unternehmer gekauft würde. Schliesslich dürfen die Mitarbeitenden nicht vergessen werden. Die Integration ausländischer Unternehmensteile kann zu hohen Anforderungen seitens der Belegschaft führen, sei es bei der Kommunikation über Sprach- und Kulturräume hinweg, der kulturellen Identität und Vielfalt, aber auch hinsichtlich der erforderlichen Mobilität.

Voraussetzungen

Die Philosophie des Unternehmertums: Für viele Unternehmer ist Unternehmertum eine Frage der Werte, der Grundeinstellung und Philosophie. Da gibt es die einen, für die Nachhaltigkeit des Unternehmens ein hoher Wert ist. Für sie stehen Standort- und Arbeitsplatzsicherheit weit oben auf der Liste der Zielbereiche einer Nachfolgeregelung. Das Lebenswerk soll erhalten bleiben und die eigene Belegschaft vertrauensvoll in eine sichere Zukunft übergeben werden. Das lässt sich gewährleisten, wenn die sogenannte Chemie zwischen dem alten und neuen Eigentümer stimmt.

Schwieriger wird es, wenn an die Stelle eines «industrial buyer», also einem Käufer, der den neuen Betrieb in die Wertschöpfungssysteme seines eigenen bestehenden Unternehmens integrieren möchte, ein «private equity buyer» tritt, der distanzierter mit einer Investmentlogik in den Nachfolgeprozess einsteigen wird. Es dreht sich also um die Frage, ob das Unternehmen in Zukunft «managergeführt» oder unternehmergeführt sein soll.

Zeit zur Vorbereitung: Passen Chemie und Philosophie zusammen, ist mit einem grosszügigen Zeitplan eine weitere Voraussetzung zu erfüllen. Die häufig genannten fünf Jahre, die man für eine erfolgreiche Nachfolgeregelung einplanen sollte, können schnell knapp werden, insbesondere, wenn man noch Herausforderungen der internationalen Übergabe meistern möchte. Die so wichtige Zeit ist auch erforderlich, um die sogenannte Nachfolgewürdigkeit zu überprüfen. Das heisst, die Unternehmer, die ihr Unternehmen abgeben wollen, sollten möglichst emotionsfrei und selbstkritisch fragen, ob es wirklich realistisch und erforderlich ist, das Unternehmen durch einen Verkauf fortzuführen. Auch die Schliessung und endgültige Aufgabe eines Unternehmens ist eine legitime und vielleicht schlaue Alternative. Ein kräfte- und ressourcenraubender Nachfolgeprozess, unter Umständen auch noch international, kann auch erfolglos zu Ende gehen, was für die Unternehmerfamilie ein vielleicht grösserer Verlust ist als die Entscheidung, das Unternehmen aufzulösen.


Lösungsansätze

Start-ups als geborene Nachfolgekandidaten: In der europäischen Start-up-Szene ist es bis heute nicht unüblich, ausländische, häufig US-amerikanische Geschäftsmodelle zu kopieren mit dem Ziel, bei nationalen Erfolgen vom ausländischen Vorbild aufgekauft zu werden. Dieses von traditionellen KMU-Unternehmern wenig geschätzte Verständnis von Unternehmertum ist also bereits in der Gründungsphase ein Nachfolgeprojekt, indem die Unternehmerinnen und Unternehmer ihren In­vestoren die sogenannte Exit-Strategie aufzeigen. Die Exit-Strategie fasst die Möglichkeiten der Investoren zusammen, ihr Risikoinvestment mit Gewinn wieder zurückzuziehen, also ihre Anteile wieder veräus­sern zu können.

Bei dieser Fragestellung prallten grundlegende unternehmerische Überzeugungen aufeinander, die geprägt waren vom traditionellen «Unternehmerethos» einerseits und einer modernen, innovations- und zukunftsorientierten Gründerkultur andererseits. Letztere beinhaltet eben von Beginn an das Bestreben, jederzeit nachfolgewürdig zu sein, sodass ein Exit, also der Wechsel von Investoren, erleichtert wird.

Förderobjekt Unternehmensnachfolge: Die Diskussion der ersten Frage endete mit dem Hinweis, dass Nachfolgeregelungen nicht vom Himmel fallen und die Finanzierung eines Unternehmenskaufs eine grosse Hürde gerade für jüngere, individuelle Kaufinteressenten darstelle. Aus dem Interesse der Volkswirtschaft – also der Arbeitsplatz- und Standortsicherung – seien Bund und Kantone hier gefordert, die passenden Finanzierungsinstrumente zur Hilfe anzubieten.

Zukunftsfähigkeit

Zu spät für die Zukunft: Die zweite Fragerunde wurde eingeläutet mit der provokativen Behauptung, dass viele Unternehmer sich erst Gedanken über die Zukunftsfähigkeit ihres Unternehmens machen, wenn sich ihre berufliche Laufbahn dem Ende zuneigt und sie selbst keine Zukunft mehr in ihrem eigenen Unternehmen haben werden.

Kommunikation und Führung: Es ist wichtig, «die Braut zu schmücken». Damit ist keineswegs gemeint, etwa die Geschäftszahlen zu manipulieren. Vielmehr geht es darum, dass der bisherige Unter­nehmer den Kaufinteressenten das Unternehmen so darstellen muss, dass sie es auch verstehen. Verstehen bedeutet in diesem Zusammenhang, das Geschäftsmodell, die Kundenbasis, aber auch alle Schwächen und Stärken mit klaren Botschaften zu kommunizieren.

Eine wichtige Rolle dabei spielt auch das Führungsverhalten der scheidenden Geschäftsleitung in den letzten Jahren. Hier kann viel vorgebaut werden, sodass die Mitarbeitenden, wenn es denn so weit ist, das Unternehmen vorübergehend auch gut ohne ihr gewohntes Top-Management weiterführen können.

Innovation als Lebensaufgabe: Auch Veränderungen im Geschäftsmodell des Unternehmens können Weichenstellungen für einen erleichterten Nachfolgeprozess sein. Innovationen sollten auch gegen Ende der unternehmerischen Aktivität der Unternehmer nicht infrage gestellt werden. Sicherlich kann ein intaktes Unternehmen eine ganze Weile ohne Innovationen überleben, doch ein Verkauf wird ohne Innovationstätigkeit erschwert. Insbesondere für eine grenzüberschreitende Nachfolgelösung kann das bedeutend sein, weil das Innovationspotenzial, das vorhanden sein mag, für eine fremde Person nicht sichtbar ist, die tatsächlichen Innovationen hingegen schon. Beim Thema Innovation und Innovationsmanagement könnten die Fachhochschulen, Universitäten und öffentlichen Forschungsanstalten eine starke Unterstützung für KMU sein.

Allerdings scheint hier eine grosse Lücke zwischen den Angeboten der Forschungseinrichtungen und dem Wissensstand der KMU vorzuliegen. Diese zu schliessen, ist im ersten Schritt Aufgabe der Hochschulen. Dann müssen die Unternehmen aber selbst ihre Kom­petenz im Innovationsmanagement aufbauen. Das kann ihnen niemand dauerhaft abnehmen. Dennoch wird hier auch der Unterstützungsbedarf der KMU bestätigt.

Schwierig zu positionieren ist in diesem Kontext auch die Aus- und Weiterbildung. Einerseits gibt es viele gute Studiengänge mit Titeln wie Betriebsökonomie, Innovationsma­na­gement oder Business Development im Bachelor, Master sowie auch in Weiterbildungsangeboten. Andererseits brauchen Unternehmer etwas, das man vielleicht nicht unterrichten kann, sondern auf das man nur vorbereiten und wobei man nur unterstützen kann. Das kann man vielleicht mit Unternehmergeist, Talent und Intuition beschreiben. Wohl aber können Hochschulen und Weiterbildungsanbieter das Fachwissen dazu vermitteln.

Zusätzliche Herausforderungen unserer Zeit: Auch zum Thema Nachfolgeregelung im grenzüberschreitenden Raum werden am Ende der Diskussionsrunde zwei Themen aufgeworfen, die in aller Munde sind. Einerseits die Generation Y mit ihrer guten Ausbildung, aber – wie hier zu hören war – zu wenig unternehmerischem Biss und Einsatzwillen. Sie seien zu schnell zufrieden mit gut bezahlten Jobs in Grossunternehmen und scheuten die Herausforderung unternehmerischer Tätigkeit. Andererseits leben wir in einer Zeit, in der unsere Verkehrssysteme überlastet sind und wir die technischen Möglichkeiten haben, neue Formen von Arbeit und Zusammenarbeit zu entwickeln.

Fazit

Das Fazit der Diskussion fällt durchaus kritisch aus. Offensichtlich war für die Diskutanten die internationale Unternehmensnachfolge trotz der, rational betrachtet, guten Argumente dafür nur zweite Wahl gegenüber der eher regio­nalen Suche nach Käufern. Für Unter­nehmen, die aufgrund ihres Geschäftsmodells, ihrer Geschäftsleitung, Eigen­tümerstrukturen, Mitarbeitenden et cetera für eine internationale Nachfolge gerüstet wären, werden sich auch die Wege finden, das umzusetzen.

Wie auch immer, die Innovationsfähigkeit, Zukunftsfähigkeit und im Ergebnis die Übernahme- oder Nachfolgewürdigkeit sind Grundvoraussetzung. Sind sie nicht gegeben, stellt sich die Frage nach dem nationalen beziehungsweise internationalen Fokus nicht. Wenn aber doch, herrschte Einigkeit, können Netzwerke wie etwa das Netzwerk KMU Next und das im Rahmen des Interreg-Projekts C-Temalp aufgebaute internationale Netzwerk der Einstieg und Katalysator einer internationalen Nachfolgeregelung sein. Netzwerke schaffen durch persönlich bekannte Knotenpunkte Vertrauen und erleichtern den Schritt über die Grenze auf der Landkarte. Und im Kopf.

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