Forschung & Entwicklung

Blick aus der Wissenschaft

Mitarbeiterpotenziale mittels KVP besser nutzen

Viele der in Unternehmen angeschobenen kontinuierlichen Verbesserungsprozesse (KVP) scheitern, aus diversen Gründen. Ein transparenter Ablaufplan des KVP-Prozesses kann das verhindern.
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Das systematische Vermeiden jeglicher Ressourcenverschwendungen, und sind diese noch so klein, ist das Ziel von kontinuierlichen Verbesserungsprozessen, kurz KVP genannt. Viele Unternehmen, die KVP einführen oder eingeführt haben, scheitern früher oder später. Aus Sicht der Führung sind die Resultate, gemessen an den Verbesserungsvorschlägen, oft enttäuschend. Oder die Mitarbeiter machen anfangs zwar Vorschläge, aber aufgrund fehlender Rückmeldungen oder Reaktionen verlieren sie schnell das Interesse. Aus verschiedenen Erfahrungen in Projekten und Ergebnissen von Arbeiten an der Hochschule Luzern zum Thema KVP sind Vorschläge entstanden, welche die Arbeit mit KVP deutlich verbessern können.

Potenzielle Stolpersteine erkennen und Handlungsspielräume aufzeigen

Der Grund liegt darin, dass bestimmte Stolpersteine nicht bekannt waren und / oder bei der Gestaltung des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses nicht erkannt und berücksichtigt wurden:

  • komplizierte Organisationsstrukturen,
  • fehlende Zeit für KVP-Aktivitäten (zum Beispiel Teambesprechungen, KVP-Workshops),
  • lange Umsetzungszeit von Vorschlägen und Ideen der Mitarbeiter,
  • kein Feedback auf Ideen der Mitarbeiter,
  • fehlende Unterstützung durch Führungskräfte,
  • unzureichende Qualifizierung der in den Verbesserungsprozess involvierten Personen,
  • Nutzen der kontinuierlichen Verbesserungsmassnahmen werden zu wenig aufgezeigt,
  • Angst, aufgrund der KVP-Vorschläge Personalanpassungen oder Budgetkürzungen hinnehmen zu müssen und darum: abnehmende Motivation der Mitarbeiter, sich im KVP-Prozess zu engagieren.

Das Bessere ist des Guten Feind: Es gilt, den Mitarbeitern die Handlungsspielräume in ihrer täglichen Arbeit aufzuzeigen. Sie sollen ermutigt werden, sowohl in ihrem als auch über ihr Handlungsfeld nachzudenken / zu reflektieren, Verschwendungen in allen Belangen zu vermeiden und Optimierungen zu suchen. Dabei gilt es, einen möglichst umfassenden Blick für mögliche Verbesserungen zu entwickeln. Dies können sein: Erhöhung der Produktivität (zum Beispiel durch Senkung von Stillstand- und Ausfallzeiten), Erhöhung der Flexibilität (zum Beispiel durch angepasste Organisationskonzepte und optimierte Schnittstellen zwischen Abteilungen), Erhöhung der Qualität (zum Beispiel durch intelligentere Lösungen), Erhöhung der Arbeitszufriedenheit und der Mitarbeitermotivation (zum Beispiel durch Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Aufgabenzuteilungen), Erhöhung der Kundenzufriedenheit (zum Beispiel durch Verbesserung der Servicequalität und der Reaktionsfähigkeit), Einsparung von Kosten (zum Beispiel durch veränderte Materialien, Prozessschritte, Bestandssenkungen und Variantenreduktion). Ein Schlüsselfaktor für einen wirkungsvollen KVP ist ein permanentes Bewusstsein der Mitarbeiter, Verbesserungen zu suchen und Optimierungen anzustreben. KVP soll einen festen Platz in der täglichen Arbeit eines jeden Mitarbeiters einnehmen.

Die Rolle der Vorgesetzten

Die Vorgesetzten und Führungskräfte agieren als KVP-Coaches. Ihre Aufgabe besteht in erster Linie darin, ihrem Personal die nötigen Freiräume zu geben, Denk- und Handlungsspielräume aufzuzeigen und selbstständiges Denken und Handeln zu fördern. Die Mitarbeiter sind demgegenüber im KVP die Experten. Sie kennen die Prozesse im Detail, erkennen Schwachstellen und erleben Hemmnisse in ihrer Arbeit. Die Führungskraft ist im KVP-Prozess der Empfänger der Verbesserungsvorschläge und verantwortlich für deren «Bearbeitung». Wichtig sind dabei unkomplizierte sowie transparente Entscheidungswege und vor allem rasche Rückmeldungen. Die Mitarbeiter machen in ihrer Rolle als Experten Vorschläge und die Vorgesetzten als KVP-Coaches nehmen diese entgegen und sorgen für rasche Entscheidungen und koordinierte Umsetzungen. Wobei die Umsetzung an die Experten, sprich Mitarbeiter, übergeben werden kann.

Klare und nachvollziehbare Prozesse

Ein weiterer wichtiger Faktor ist ein klarer / transparenter KVP-Prozess. Gemeint ist dabei ein (operativer) Prozess, welcher möglichst eng an die täglichen Unternehmensprozesse angelegt ist. Es geht dabei um einen Ablauf, welcher regelt, wie Inputs und Vorschläge abgeholt, eingebracht, bearbeitet, entschieden, rückgemeldet und allenfalls umgesetzt werden. Hierzu hat eine Arbeitsgruppe der Hochschule Luzern folgenden Vorschlag (Prozessmodell) ausgearbeitet (Mitarbeiterinvolvierung im KVP-Prozess; Räth et al. 2015):

  1. Schritt: Input. Ein Mitarbeiter oder eine Gruppe gibt einen Input zur Verbesserung. Idealerweise werden bereits existierende Elemente wie das Vorschlagswesen oder regelmässige Teamsitzungen genutzt. Empfänger des Vorschlages ist der Vorgesetzte.
  2. Schritt: Bearbeitung. Der Vorgesetzte ist nun in der «Pflicht», das Thema aufzunehmen und innerhalb von maximal zwei Arbeitstagen mit dem Ideengeber zu besprechen. Bereits hier ist darauf zu achten, dass jeder Vorschlag ernstgenommen und seriös mit dem Ideengeber besprochen wird. Dies ist deshalb wichtig, weil dadurch der Vorgesetzte das Engagement seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützt und wertschätzt. Die Arbeitsgruppe empfiehlt dafür ein maximal 15-minütiges Gespräch. Ziel ist die Klärung der Situation und das gemeinsame Verständnis der Idee. Dabei begegnen sich der Mitarbeitende (Experte) und Vorgesetzter (KVP-Coach) auf Augenhöhe.
  3. Schritt: Entscheidung. Nach dieser Klärung ist nun entscheidend, dass der Vorgesetzte möglichst schnell über das weitere Vorgehen entscheidet. Dies macht er idealerweise in Zusammenarbeit mit dem Ideengeber. Wenn dies in der Sitzung (noch) nicht möglich ist, trifft er danach die weiteren Abklärungen und fällt nachträglich die Entscheidung. Jedoch immer erst in Abstimmung mit dem Ideengeber. Auch in diesem Fall ist auf eine zeitnahe Kommunikation zu achten.
  4. Schritt: Umsetzung. Wird die Idee weiter verfolgt, gilt es zu entscheiden, ob der Ideengeber die Idee selber umsetzen kann oder ob die Umsetzung in einer Gruppe (Arbeitsgruppe), allenfalls mit Unterstützung eines weiteren, für die Umsetzung notwendigen Experten oder Verantwortlichen (zum Beispiel IT-Fachmann, Prozessowner usw.), erfolgen muss. Der Vorgesetzte übernimmt in der Rolle als KVP-Coach die Funktion als Initiator, Organisator und Koordinator der Umsetzung. Idealerweise sollten nicht mehr als eine Arbeitswoche zwischen erster Besprechung (Schritt 2) und dem ersten Schritt zur Umsetzung sein.
  5. Schritt: Abschluss und Kommunikation der Ergebnisse. Nach der erfolgreichen Umsetzung der Verbesserung sollten die Ergebnisse in der Gruppe, Abteilung oder im Bereich kommuniziert und wertgeschätzt werden.

Im Sinne der Transparenz und Unterstützung des KVP-Nutzens empfiehlt es sich, die realisierten Verbesserungsprojekte und erwirkten Optimierungen möglichst breit innerhalb der Organisation zu kommunizieren. Damit wird die Akzeptanz des KVP nochmals verbessert und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können erkennen, dass ihre Inputs und Vorschläge bedeutend sind für die Unternehmung. Denn, nur zu oft werden Fortschritte zu wenig gewürdigt und der Fokus geht allzu schnell wieder auf die nächste Schwachstelle. Drum: Tue Gutes und sprich darüber.

Prof. Markus Zemp ist Studienleiter für die MBA-Programme an der Hochschule Luzern – Wirtschaft und Dozent für Unternehmensführung, strategisches Management und Leadership.