Forschung & Entwicklung

Management-Tools Teil 2

Meta-SWOT: Vom Brainstorming zu erfolgreichen Strategien

Wie im Teil 1 zur Methodik des «SWOT-Mapping» (KMU-Magazin, Ausgabe 01-02/2013) erläutert wurde, hat die klassische SWOT-Analyse trotz ihrer weiten Verbreitung einige Schwächen. Eine davon ist ein logischer Bruch zwischen Brainstorming und Strategieformulierung. Wie die Meta-SWOT diesen Nachteil reduziert, zeigt dieser Beitrag.
PDF Kaufen

Der logische Bruch nach der ausführlichen Unternehmensanalyse zur Strategieformulierung (siehe Abbildung 1) begründet sich darin, dass üblicherweise die Auswahl der Faktoren (Stärken/Schwächen und Chancen/Gefahren) eher intuitiv erfolgt: Was man im externen Umfeld oder in der internen Unternehmensanalyse nicht findet, gibt es in der SWOT-Analyse nicht. Zudem werden die gefundenen Faktoren in der Regel alle gleich gewichtet, und die Heuristik ist oft zirkulär: Ob ein Faktor eine Chance oder eine Gefahr ist, hängt unter Umständen davon ab, ob das Unternehmen ihm eine Stärke oder Schwäche entgegensetzen kann.

Dies führt dazu, dass die Strategieformulierung häufig tendenziös und subjektiv getrieben ist und nicht mehr die Schlagkraft und den Nutzen aufweist, der ihr eigentlich zu eigen wäre. Die Meta-SWOT ist deshalb ein Instrument, das die klas­sischen Grenzen der SWOT sprengt und eine Brücke zwischen strategischer Analyse und Strategieformulierung schlägt. (Dieser Artikel basiert weitgehend auf dem neuen, vielversprechenden Ansatz der Meta-SWOT, welcher 2011 erstmals von den Professoren Argaval, Grassl und Pahl vom St. John’s College in Minnesota (USA) entwickelt, und im Journal of Business Strategy (2012) vorgestellt wurde. Er adaptiert den methodischen Ansatz für das Schweizer KMU-Umfeld).

Neben dem in der letzten Ausgabe des «KMU-Magazin» präsentierten SWOT-Mapping, das auf der klassischen Mapping-Technik beruht, zeigt sich somit die Meta-SWOT als attraktives und einfaches Tool zur Unterstützung schweizerischer KMU in ihrem Strategieprozess.

Die Meta-SWOT

Die Meta-SWOT basiert auf der Idee, dass sich ein Unternehmen nicht den Gegebenheiten des Marktes anpassen muss, um erfolgreich zu sein, sondern dann neue Chancen kreieren kann, wenn es seine Schlüsselressourcen und Kernkompetenzen konsequent aufbaut und pflegt. Dabei ist jedes Unternehmen als eine einzigartige Bündelung von Ressourcen und Fähigkeiten anzusehen. Diese «Assets» lassen sich in drei Feldern finden: Tangible Assets (bspw. Finanzen und physische Unternehmenswerte), Intangible Assets (bspw. geistiges Eigentum wie Marken und Patente, Organisations- und Prozess-Exzellenz oder auch Reputation) und Kernfähigkeiten (die Fähigkeit, Ressourcen besser einzusetzen, als es andere Unternehmen können).

Die Ressourcen und Kernkompetenzen eines Unternehmens bilden dabei die Basis dafür, dass und in welchem Umfang ein Unternehmen Wettbewerbsvorteile erringen kann. Es ist deshalb für eine Unternehmung essenziell, sich zu Beginn des Strategieprozesses über die eigenen Fähigkeiten und Ressourcen objektiv-kritisch im Klaren zu sein (siehe Abb. 2, Schritt 1 im Flussdiagramm der Meta-SWOT). Die Identifikation, ob es sich bei einer Kompetenz tatsächlich auch um eine Kernkompetenz handelt, richtet sich nach ihrer Wirkung. Erst wenn sie dem Unternehmen Zugang zu einer Auswahl an zusätzlichen Märkten ermöglicht und wenn der wahrgenommene Nutzen eines Produkts oder einer Dienstleistung in der jeweiligen Kundenwahrnehmung einen deutlichen Mehrwert darstellt, dann kann sie als Kernkompetenz bezeichnet werden (Prahalad und Hamel, 1990).

Der Unterschied zur klassischen Vorgehensweise zeigt sich somit darin, dass die externe Analyse dabei vornehmlich vor dem Hintergrund der bestehenden internen Faktoren durchgeführt wird. Ein Strategieentwicklungsprozess im Sinne der Meta-SWOT fundiert also immer darauf, was ein Unternehmen besitzt respektive kann und nicht auf einer wenig auf die eigenen Möglichkeiten abgestimmten Suche nach allfälligen Chancen im Unternehmensumfeld.

Dabei ist entscheidend, nicht nur auf bestehende Kernkompetenzen zu bauen. Es geht vielmehr darum, in der Unternehmensentwicklung eine Balance zwischen dem Ausbau von bestehenden und der Kreation von neuen, zukunftsträchtigen Ressourcen und Kompetenzen zu erreichen. Die schwierige oder kostspielige Imitierbarkeit durch Konkurrenten ist dabei das Schlüssel­element für die Schaffung nachhaltiger Wettbewerbsvorteile. Deshalb ist die Fähigkeit eines Unternehmens entscheidend, aus seinen Prozessen, den Fähigkeiten seiner Mitarbeitenden und denjenigen Unternehmens-Assets, welche nicht substituierbar und schwer imitierbar sind, Wettbewerbsvorteile zu schaffen.

Wettbewerber können diese unternehmensspezifischen «Asymmetrien» dann nicht zu Kosten imitieren, welche ökonomisch noch vertretbar wären.

«Best Practice» in der strategischen Planung bedeutet auch für Schweizer KMU: zukunftsorientiert, akkurat, ressourcen- effizient, objektiv, nützlich und zeitlich sinnvoll. Diese Kriterien liegen der Methodik der Meta-SWOT zugrunde, die in einfacher, strukturierter Weise anhand eines geführten 5-Schritte-Prozesses eine Liste strategischer Prioritäten liefert (siehe Abbildung 2). Wie beim SWOT-Mapping werden die kategorischen Skalen der SWOT (Einteilung in Stärken / Schwächen usw.) aufgelöst und alle Analyse-Fragen auf das eigene Unternehmen, jedoch mit Blick auf die Konkurrenz ausgerichtet.

Schritt 1: Aufnahme der Entscheidungsfaktoren «Ressourcen und Wettbewerb»

In Schritt 1 werden die organisatorischen Faktoren identifiziert: Als Erstes erfolgt die Aufnahme der Unternehmensziele als normative Elemente und qualitative Vorgabe. Dann sind die kritischen Erfolgsfaktoren innerhalb der Branche zu definieren und aufgrund ihrer Wichtigkeit zu priorisieren. Aus diesen Erkenntnissen werden zwei übergreifende Dimensionen abgeleitet, welche für den Wettbewerb innerhalb der Branche als allgemein entscheidend angesehen werden. In unserem Beispiel von Mobility Car Sharing sind dies «Standortnetz» und «Kundenservice» (siehe Abbildung 3). Im Anschluss erfolgt die jeweilige Zuordnung aller Ressourcen und Fähigkeiten des Unternehmens zu einer dieser beiden Wettbewerbsdimensionen. Zusätzlich wird die Performance des eigenen Unternehmens bezüglich jeder Ressource oder Fähigkeit in Relation zu jedem Wettbewerber eingeschätzt und danach der eigene Umsatz mit demjenigen der Wettbewerber ins Verhältnis gesetzt.

Schritt 2: Erstellen der Wettbewerbskarte

Daraus entsteht eine Wettbewerbskarte, aus welcher die eigene Erfolgsposition im Kontext der Wettbewerber ersichtlich wird (siehe Abbildung 3 am Beispiel von Mobility Car Sharing). Sie kann als Positionierungskarte verstanden werden, welche die Wahrnehmung des eigenen Unternehmens gegenüber dem Wettbewerb visualisiert. Die Kriterien «Kundenservice» und «Standortnetz» wurden dabei für den Car-Sharing-Markt als wichtigste Wettbewerbsdimensionen definiert.

Der grosse Unterschied zur klassischen SWOT-Analyse besteht damit darin, dass die Evaluation der internen Faktoren nicht primär von der Fantasie der Entscheidungsträger abhängt, sondern struk­­turiert und wettbewerbsbezogen respektive auf nachhaltigen Erfolg be­zogen beurteilt wird.

Schritt 3: Aufnahme der Entscheidungsfaktoren «VRIO» und «Unternehmensumfeld»

Ein strukturierter Ansatz, mit dessen Hilfe es auf einfache Weise möglich ist, Kernkompetenzen zu identifizieren, ist das sogenannte «VRIO»-Framework (Barney, 1991). Es überprüft, mit welchen Ressourcen und Kompetenzen eine erfolgsversprechende Strategie entwickelt werden kann:

› V (Wert, value): Kann ein Unternehmen mit einer spezifischen Ressource oder Kompetenz eine Chance im Unternehmensumfeld wahrnehmen oder eine Gefahr neutralisieren?

› R (Seltenheit, rarity): Verfügt nur eine sehr begrenzte Anzahl von Wettbewerbern über diese Ressource oder Kompetenz und ist sie damit selten?

› I (Imitierbarkeit, inimitability): Haben Firmen, welche diese Ressource oder Kompetenz nicht besitzen, einen erheblichen Kostennachteil, um sie zu erhalten oder zu entwickeln?

› (Organisation, organization): Sind die Organisationsstrukturen und Prozesse im Unternehmen geeignet, um die wertvollen, seltenen und kostspielig zu imitierenden Ressourcen oder Kompetenzen am Markt wirkungsvoll einzusetzen?

Im Verständnis darüber, dass Stärken oder Schwächen nur im Kontext der Wettbewerber überhaupt als solche klassifiziert werden können, werden die identifizierten Ressourcen und Fähigkeiten mit drei von vier Kriterien des VRIO-Frameworks bewertet: Seltenheit, Imitierbarkeit und Organisation. Im nächsten Teilschritt kann dann bei der nachfolgenden Umweltanalyse beispielsweise eine klassische PESTEL-Analyse durchgeführt werden, bei welcher sogenannte «Key Drivers of Change» aus den Dimensionen politisch-rechtliche, sozio-kulturelle, ökonomische, technologische und ökologische Umwelt identifiziert und bezüglich deren Wichtigkeit für den Unternehmenserfolg gewichtet werden. Zusätzlich wird bewertet, ob und wie die Wichtigkeit jedes Umweltfaktors über die Planungsperiode zunehmen wird. Davon unabhängig wird für jeden Faktor die Dringlichkeit beurteilt, welcher eine zeitliche Strukturierung und Priorisierung ermöglicht.

Schritt 4: Aufnahme der Entscheidungsfaktoren für die Evaluation «Strategischer Fit»

In dieser Phase werden zwei Beurteilungen durchgeführt. Zuerst wird jede Ressource respektive Fähigkeit geprüft, inwieweit sie mit wichtigen externen Faktoren zusammenhängt. Im Fall Mobility sind dies beispielsweise interne Faktoren wie «Marke Mobility», «hoher Marktanteil in der Schweiz», etc. (Stärken), welche mit dem externen Faktor «Kooperationspotenzial mit ÖV-Anbietern, Business-Kunden und Hochschulen» (Chance) korrespondiert. Wichtig ist dabei die Anzahl interner Faktoren, und wie stark sie kollektiv auf einen externen Faktor wirken. Dieser aggregierte Wert repräsentiert damit das vierte Kriterium aus dem VRIO- Framework, nämlich den «Wert» (value) einer Ressource oder Fähigkeit. Oder mit anderen Worten: Kann ein Unternehmen mit einer spezifischen Ressource oder Kompetenz eine Chance im Unternehmensumfeld wahrnehmen oder eine Gefahr neutralisieren?

Als nächster Teilschritt wird jede Ressource oder Fähigkeit auf ihre Relevanz für die Erreichung der formulierten Unternehmensziele evaluiert. Dieser methodische Schritt konkretisiert die eher intuitive Einsicht, dass interne Faktoren zwar bestens mit externen Faktoren korrespondieren können, für die Organisation allerdings ohne Relevanz sind, weil sie nicht oder nur wenig zur Erreichung der Unternehmensziele beitragen. Am Beispiel von Mobility ist dies beispielsweise die Entwicklung der eigenen Standard-Software-Lösung, welche zu keinem der formulierten und im Geschäftsbericht veröffentlichten Unternehmensziele beiträgt.

Schritt 5: Erstellen der Strategiekarte und Formulierung strategischer Prioritäten

Die als Ergebnis entstehende Strategiekarte (siehe schematische Abbildung 4) positioniert die Ressourcen und Fähigkeiten (blaue Kreise) in zwei Dimensionen: Eher rechts sind diejenigen positioniert, welche relativ selten, schwer imitierbar und durch die organisatorischen Fähigkeiten nutzbar sind. Sind sie zudem eher im oberen Teil verankert, versprechen sie einen sogenannten «strategischen Fit», unterstützen also in einem hohen Masse die Erreichung der Unternehmensziele.

Die relevanten Faktoren aus dem Unternehmensumfeld (graue Kreise) werden ebenfalls in die Karte eingefügt, wobei die horizontale Positionierung den erwarteten Einfluss auf die Strategieumsetzung darstellt und die vertikale Einordnung die erwartete Zunahme der Wichtigkeit über die Planungsperiode repräsentiert. Die Kreisgrösse indiziert darüber hinaus die Dringlichkeit. Hohe Relevanz für die konkrete Strategieentwicklung haben deshalb die internen und externen Faktoren im oberen, rechten Quadranten der Strategiekarte (siehe Abbildung 4, rot hinterlegter Bereich).

Mit der Strategiekarte können nun automatisch Paare von internen Stärken und externen Faktoren gebildet und priorisiert werden. Dabei kommen folgende Kriterien zur Anwendung:

1. Minimierung der Distanz zwischen den beiden Arten von Faktoren,

2. Positionierung in der Strategiekarte oben rechts sowie die Kreisgrösse.

In der Praxis bedeutet dies, dass für die strategisch relevanten Faktoren aus der Unternehmensumwelt, also die Chancen und Gefahren, welche im Zuge der Analyse identifiziert und priorisiert wurden, eindeutig und auf die Wettbewerber ausgerichtet, eigene Ressourcen und Fähigkeiten zugeordnet werden, um diese Chancen wahrnehmen oder allfällige Gefahren neutralisieren zu können. Das Ergebnis ist eine priorisierte Liste von strategischen Optionen, welche im Rahmen der Strategieentwicklung konkret ausformuliert und beispielsweise mit einer Balanced Scorecard implementiert werden können. Das Vorgehen im gesamten Prozess der Meta-SWOT ist iterativ (siehe Abbildung 2), d.h. im Verlaufe des Prozesses besteht die Möglichkeit, immer wieder Anpassungen zu machen, weil eine Art Lernprozess durchlaufen wird und Erkenntnisse laufend an jeder Stelle des Prozesses eingebracht werden können, um die Qualität der Entscheidungen positiv zu beeinflussen.

Obwohl sich auch in diesem Modell Ermessensentscheidungen nicht gänzlich verhindern lassen, reduziert das strukturierte und iterative Vorgehen der Meta-SWOT die teilweise intuitiven Sprünge vom ersten Brainstorming bis zu den strategischen Schlussfolgerungen bei der Erarbeitung einer klassischen SWOT. Als erheblicher Mehrwert ist die nahtlose Überleitung von der strategischen Analyse zur Strategieentwicklung zu sehen, bei welcher irrelevante Faktoren aussortiert und die strategischen Handlungsfelder automatisch mit den Unternehmenszielen abgeglichen werden.

Die neue Methode reduziert oder eliminiert viele der Nachteile der klassischen SWOT, weil sie mehr zukunftsorientierte, akkurate, ressourceneffiziente, objektive, nützliche und zeitlich sinnvolle Resultate liefert. Der vielleicht grösste Vorteil bei dieser Methode, die auf dem Ansatz der «Resource Based View of Strategy» fundiert, ist die Entwicklung von strategischen Optionen, ausgehend von den eigenen Stärken, statt von eher zufällig ausgewählten und meist vergangenheitsbezogenen, externen Marktgegebenheiten.Die wichtigste Einschränkung ist aus Sicht der Autoren das Fehlen von Standardtools, welche diesen Prozess IT-mäs­sig unterstützen und damit die Nutzung von metrischen statt komparativen Vergleichen auf einfache Weise ermöglichen und automatisieren werden. Sollte das Meta-SWOT-Modell weitere Verbreitung finden, dürfte dies allerdings lediglich eine Einschränkung auf Zeit sein. «

Porträt