Forschung & Entwicklung

Blick aus der Wissenschaft

Mehr Mütter braucht das Management

Immer noch sind Mütter in Geschäftsleitungen deutlich unterrepräsentiert. Ein Plädoyer für die «späte» Karriere und den Wiedereinstieg von Müttern ins Management.
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Der aktuelle Diversity-Index der Hochschule Luzern spricht eine klare Sprache: Der Frauenanteil in den Geschäftsleitungen der untersuchten Grossunternehmen liegt bei unter zehn Prozent! Und nur ein Viertel der Frauen in einer Geschäftsleitung haben Kinder. Mit anderen Worten: Von 100 Geschäftsleitungsmitgliedern sind bloss drei Mütter. Wieso finden so wenige Mütter den Weg ins Management, obwohl der Anteil von Frauen im Erwerbsleben seit Jahren zwischen 45 Prozent und 47 Prozent liegt und die Erwerbsquote der Frauen mit Kinder seit 2008 höher ist als bei denjenigen ohne Kinder?

Seit Anfang der 1990er-Jahre beschäftigen sich Studien mit Fragen zur Effizienz bei Teilzeitarbeit. So zeigte sich, dass Teilzeitangestellte motivierter und effizienter sind als Vollzeitangestellte. Teilzeitmitarbeitende fehlen weniger häufig aufgrund Krankheit oder Unfall, arbeiten produktiver und sind loyaler. Teilzeitjobs entwickelten sich als ideale Möglichkeit für Frauen, nach der Mutterschaft den Kontakt zur Arbeitswelt nicht zu verlieren. Nur sind diese Jobs in der Regel keine Karrieresprungbretter. Typische Karrieren sind nur beschränkt mit Teilzeitarbeit möglich. Vor allem mit Pensen unter 80 Prozent. Schaut man sich die Karriereentwicklungen von Männern an, so kann man vier Phasen erkennen: Die erste Phase ist die der Aus- und Weiterbildung sowie des Berufseinstiegs (verspielter Junge), gefolgt von der Phase der Bewährung und Entwicklung (junger Held) und den entscheidenden Karrierejahren zwischen 35 und 45 Jahren (harter Kämpfer). In der letzten Phase ist entscheidend, wie «erfolgreich» der Kampf verlaufen ist. Entweder folgt nach 50 bis 55 Jahren die Phase des resignierten, auf die Pension wartenden, ermüdeten Krampfers oder es folgt die Phase des als «Sieger» Gefestigten. Der Sieger herrscht über einen Machtbereich, befindet sich im Kader oder in der Geschäftsleitung und ist vielleicht auch ein Verwaltungsratsmitglied. Die Ausnahme dieser Regel sind die Aussteiger, welche in der Lebensmitte ein ganz neues Lebenskonzept verfolgen. Bei den Siegern ist interessant, dass sie die Vereinbarkeit  von Karriere und Familie als kein grosses Problem ansehen (Frau sei Dank …).

Demgegenüber verläuft die Karriere einer Frau, welche sich für eine Mutterrolle und Familie entscheidet, weniger gradlinig und steil. Auch hier finden sich Phasen. Die erste als strebsame, tüchtige junge Frau. Dies deckt sich mit der Phase des verspielten Jungen. Ausbildung und Berufseinstieg gelingen. In den ersten Berufsjahren erfolgt oft sogar noch eine Weiterbildung und die junge Frau wird zum «Young Talent» oder Potenzial. Nun stellt sich die Weiche. Die biologische Uhr läuft langsam ab, und zwar just in der Phase, in der die jungen Helden und Young Talents sich für den harten Kampf auf der Karriereleiter rüsten. Kind oder Karriere – so die Frage. In dieser dritten, für die Karriere entscheidenden Phase stehen folgende Optionen offen: erstens Konzentration auf die Karriere als typische Karrierefrau, zweitens Ausstieg und Mutterschaft und drittens Mutterschaftsurlaub und Wiedereinstieg. Schon hier zeigt sich, dass die wenigsten Frauen den Karriereweg einschlagen. Die meisten Frauen entscheiden sich für den dritten Weg: Mutterschaft und ein Wiedereinstieg.

Familie oder Karriere
In dieser Phase ist der grosse Bruch zu suchen. Nach einer Geburt arbeiten die Mütter zwar im Schnitt noch 57 Prozent im gleichen Unternehmen, sie finden aber trotzdem keinen Zugang ins Management. Es scheint, dass die in den letzten Jahren oft zitierte Vereinbarkeit von Karriere und Familie nicht wirklich greift. Vielmehr ist es eine Vereinbarkeit von Familie und Teilzeitarbeit. Schaut man sich nun an, welche Kompetenzen die Frauen in dieser dritten Phase im Modell Mutterschaft und Wiedereinstieg erwerben, ist es erstaunlich, wie wenig Unternehmen diese Fähigkeiten nutzen. Es scheint, als ob die Kompetenzen, die sich Mütter in dieser Phase im Umgang mit den verschiedensten «Stakeholder» (Kinder, Jugendliche, Lehrer, Familie, Freunde, Ehemann...) erwerben, nicht zählen oder mindestens nicht ernst genommen werden.

Während die Männer zwischen 30 und 45 Jahren an ihren Karrieren arbeiten, entwickeln die Mütter im und um das Familienleben wichtige und wertvolle Kompetenzen. Und sie lernen sich in den verschiedensten Systemen zu behaupten. Dies reicht von den pädagogisch/didaktischen Erfahrungen durch die Erziehung der Kinder, über die Haushalts- und Wirtschaftskompetenzen im Umgang mit vielfach knappen Budgets bis hin zur Verhandlungskompetenz im Umgang mit Handwerkern oder Vertretern (ja die gibt es noch).

Daneben beweist sie Talent als Eventorganisatorin bei Familienfesten. Dazukommt der Umgang mit Unvorhergesehenem (das Auto springt nicht an und bringt damit den gesamten Tagesplan ins Wanken oder ein Kind kommt unerwartet und krank von der Schule nach Hause). Und wenn dies dann noch mit einer Teilzeitanstellung «angereichert» wird, kann man sich vorstellen, welche Herausforderungen die Mütter meistern. In der Fülle dieser Aufgaben beweisen sie Flexibilität und Belastbarkeit. Anforderungen, welche eigentlich auch im Management zentral sind. Die Kraft dieser Diversity wird nicht genutzt. Dabei haben verschiedenste Studien belegt, dass Unternehmen, welche die Gleichstellung ernst nehmen, finanziell erfolgreicher sind. Marcus Noland und seine Partner haben in einer aktuellen Studie 21 000 Firmen aus über 90 Ländern analysiert (u. a. 207 Firmen aus der Schweiz). Sie untersuchten den Frauenanteil auf der Führungsebene und setzten diese Zahl ins Verhältnis zu den Geschäftsergebnissen aus dem Jahr 2014. Sie stellten fest, dass die Anzahl weiblicher Führungskräfte einen starken positiven Einfluss auf die Höhe des Gewinns hat. Der Effekt gilt vor allem für die Ebene unterhalb des CEO. Konkret stellten sie fest, dass ein Frauenanteil in der Geschäftsleitung von 30 Prozent die Nettoumsatzmarge des Unternehmens um 15 Prozent verbessert.

Mehr Mütter ins Management
Auch eine Umfrage der deutschen Bertelsmann Stiftung und des Familienministeriums unter 500 Müttern in Spitzenpositionen kam zum Fazit: «Die besonderen Fähigkeiten von Müttern bilden einen Gewinn für Unternehmen, die auf diese nicht verzichten sollten.» Eigenschaften wie Gelassenheit, Organisationsfähigkeit, Pragmatismus verstärkten sich durch die Mutterschaft deutlich. Die Mütter delegierten eher und achteten stärker auf Teamarbeit. Und noch ein weiterer Punkt spricht für mehr Mütter im Management: Nehmen die Anforderungen in der Familie wieder ab, weil die Kinder erwachsen werden, kann die Frau sich wieder auf eine herausfordernde Aufgabe im Beruf fokussieren – vorausgesetzt sie erhält diese Möglichkeit. Geht man davon aus, dass dies in einer Lebensphase zwischen 45 und 55 Jahren geschieht, kommt dieses Managementpotenzial just in der Phase, in der sich manche Männer bereits in der beruflichen Sackgasse mit Frustration und Ermüdung befinden.

Es ist gut nachzuvollziehen, dass jene Unternehmen, die den Frauen die Möglichkeit des Wiedereinstiegs und der Bewährung in herausfordernden Managementaufgaben geben, multiple, flexible, erfahrene, belastbare sowie hochmotivierte Führungskräfte gewinnen. Und nicht zuletzt bringen Mütter mit ihrem andersartigen Erfahrungshintergrund neue Perspektiven sowie Sichtweisen in ein Unternehmen. Etwas, das in der heutigen VUCA* Welt immer wichtiger wird.

*VUCA ist ein Ausdruck für eine Welt, die volatil, unsicher, komplex (Complex) und widersprüchlich (Ambiguity) ist.