Forschung & Entwicklung

Studie: Internationalisierung

Kompetenzen für eine erfolgreiche Internationalisierung

Der wirtschaftliche Erfolg in internationalen Märkten wird für Schweizer KMU stets wichtiger. Was aber macht diesen Erfolg aus, welche Kompetenzen benötigen KMU-Führungskräfte im Internationalisierungsprozess? Mit dem Forschungsprojekt KMU-Internationali­sierung ist die Hochschule Luzern dieser Frage nachgegangen.
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Der Erfolg des schweizerischen Wirtschaftsstandortes ist zu einem grossen Teil vom Erfolg der schweizerischen KMU abhängig. Und der Erfolg der schweizerischen KMU ist immer stärker von deren Erfolg auf internationalen Märkten abhängig. Deshalb ist es wichtig, die Antworten auf folgende Fragen zu kennen: Wie kann ein KMU zu einer erfolgreichen Internationalisierung geführt werden? Wie kann der internationale Markterfolg von KMU langfristig gesichert werden? Das Forschungsprojekt «KMU-Internationalisierung» der Hochschule Luzern (gefördert durch die Schweizerische Innosuisse) trägt zur Beantwortung dieser Fragen bei, indem es die für die Internationalisierung nötigen Führungs- und Managementkompetenzen aufzeigt.


Systematische Vorgehensweise

Im Rahmen des Forschungsprojektes «KMU-Internationalisierung» haben wir untersucht, auf was es wirklich ankommt, wenn eine Führungskraft ihr KMU zu internationalem Erfolg führen will. Dafür hat die Forschungsgruppe in einem ersten Schritt die Führungs- und Managementkompetenzen und Verhaltensweisen von denjenigen KMU-Führungskräften analysiert, die anerkannte Internationalisierungserfolge aufzuweisen haben (zum Beispiel «Switzerland Global Enterprise Success Stories»).  Dieser Schritt erlaubte es, unmittelbar aus der gelebten Realität Best Practices abzuleiten. Mit einem sogenannten Mixed-Methods-Design wurden diese Best Practices in Kooperation mit fünf  Unternehmenspartnern validiert und verdichtet. Die Identifikation von Best Practices, wie KMU-Führungskräfte ihr KMU zum internationalen Erfolg führen können, war zunächst etwas schwierig. Erfolg­reiche KMU-Führungskräfte sind im
Prozess der Internationalisierung Ge­neralisten – sie können Vieles, sie machen sehr viel Verschiedenes, und sie tun dies auch noch gleichzeitig. Es wurde aber bei genauer Analyse der Hand­lungs­weisen deutlich, dass aus dieser ausserordent­lichen Vielfalt an gleichzeitigen Hand­lungen keinesfalls ein Chaos entsteht. Vielmehr gibt es eine System­­atik der Vorgehensweise; sie liegt den Hand­lungs­weisen aller erfolgreichen KMU-­Inter­nationalisierer zugrunde. Die Sy­s­­­te­matik stellen wir im Folgenden dar, indem wir auf die Führungs- und Ma­­na­gement­kom­petenzen erfolgreich internationalisierender KMU-Führungskräfte eingehen.


Sieben Teilkompetenzen

Die Forschungsergebnisse zeigen, dass die Internationalisierungskompetenz von KMU-Führungskräften in insgesamt sieben Teilkompetenzen aufgeteilt werden kann. Diese lauten wie folgt:

  • Risikobewusstsein: Die Kompetenz, eine adäquate Risiko­einschätzung vor­zunehmen, um je nach Reifegrad des Internationalisierungsprojektes entweder kleinteilige Internationalisierungsvarianten mit Fehlertoleranz zu testen oder konsequent und mutig erhebliche Ressourcen zu mobilisieren.
  • Strategie: Die Kompetenz, eine Internationalisierungsstrategie – falls nötig rollend – herzuleiten, zu fokussieren und umzusetzen.
  • Lernfähige Organisation: Die Kompetenz, eine Kultur einer lernfä­h­igen Organisation herzustellen, sodass im Internationalisierungskontext im richtigen Masse Exploration, Delegation und Entwicklung stattfinden.
  • Unternehmergeist: Die Kompetenz, im ausreichenden Ausmass und mit kontinuierlichem Elan, grossem Durchhaltewillen, Problemlösungsorientierung und Improvisationsvermögen eine starke Zielgerichtetheit und Resilienz vorzuleben.
  • Interkulturelle Kompetenz: Die Kompetenz, Personen mit anderen kulturellen Hintergründen sowohl persönlich wie beruflich einschätzen zu können, sowie die Kompetenz, sich an Gepflogenheiten und Regeln anderer Kulturen und Märkte anzupassen und etwaige Divergenzen zu überbrücken.
  • Internationale Partnerschaften: Die Kompetenz zum Aufbau, zur Nutzung und zur Förderung internationaler Partnerschaften, zum Zweck des Voranbringens unternehmerischer Ziele.
  • Marktorientierung: Die Kompetenz, Kunden- und Marktbedürfnisse wie auch Marktmechanismen zu verstehen, um darauf aufbauend die Kunden und Märkte effektiv und effizient zu bedienen.

Unsere Forschung zeigt, dass erfolgreich internationalisierende KMU-Führungskräfte gut ausgebildete Kompetenzen in diesen sieben Bereichen haben. Im näch­sten Abschnitt soll spezifiziert werden, wie gut ausgebildete Kompetenzen aussehen.

Prozess in drei Phasen

Zur Konkretisierung der Internationalisierungskompetenzen in den sieben Teilbereichen ist es wichtig zu verstehen, dass Internationalisierungsprojekte in der Regel drei Phasen durchlaufen (im Folgenden in Kürze beschrieben; für eine detaillierte Beschreibung der drei Phasen siehe Stolz, Scherrer, Gisin, 2018). 

Phase 1

In der Startphase findet durch geschäftiges und hartnäckiges Handeln eine Ideenfindung und eine erste Exploration statt, um überhaupt die Optionen, Szenarien und Opportunitäten einer etwaigen Internationalisierung zum Leben zu erwecken und zu reflektieren. In dieser Phase entwickeln erfolgreiche KMU-Führungskräfte also ein Gespür für die möglichen Erfolgschancen und die potenziellen Herausforderungen.

Phase 2

In der Konsolidierungsphase werden die neuen Informationen verdichtet und zu ersten Entscheidungsgrund­lagen ausgearbeitet. Diese sind jedoch nicht als endgültige Strategie zu verstehen, vielmehr dienen sie der Entwicklung erster Pilotprojekte, um die Idee zu testen und zu evaluieren. Ziel dieser Phase ist es, den besten Weg zur Umsetzung der Idee sowie Lösungen auf unmittelbar auftretende Herausforderungen zu finden.

Phase 3

Der Eintritt in die Etablierungsphase markiert den Übergang zur konsequenten Umsetzung der Internationalisierungsidee. In dieser Phase werden mutig diejenigen Lösungen skaliert und implementiert, die man zuvor getestet und evaluiert hat. 

Je nachdem, in welcher Phase sich ein Internationalisierungsprojekt befindet, sollten die oben aufgeführten Teilkompetenzen eine andere Ausprägung annehmen. Das heisst, dass erfolgreich internationalisierende KMU-Führungskräfte – 
je nach Phase eines jeweiligen Inter­nationalisierungsprojektes – andersartig ausgeprägte Handlungsweisen zeigen. Die Abbildung stellt die Handlungsweisen phasenweise je Teilkompetenz dar. 

Da sich die in der Tabelle auf Seite 101 dargestellten Teilkompetenzen auf die Projekt­ebene beziehen, kann es durchaus sein, dass sich ein KMU mit einem Internationalisierungsprojekt bereits in der Etablierungsphase befindet, mit einem anderen aber erst in der Konsolidierungsphase. Die KMU-Führungskraft muss hier gleichzeitig in der Lage sein – je nach Phase dieser beiden Projekte – diese Projekte mit jeweils unterschiedlichen Ausprägungen der Teilkompetenzen voranzutreiben. Neben der Anpassung von Kompetenzen und Handlungsweisen – gemäss der Phase eines Internationali­sierungs­projektes – muss eine KMU-Führungskraft den richtigen Zeitpunkt identifizieren, zu dem der Übergang in die jeweils nächste Phase gestaltet werden muss. Unsere Forschung zeigt, dass Probleme in der KMU-Inter­nationalisierung gerade dadurch entstehen, dass KMU-Führungskräfte zu lange in einer Phase verweilen, das heisst, ihre Handlungsweisen zu langsam für den Übertritt in eine nächste Phase der Inter­nationa­lisierung anpassen. 

Handlungsempfehlungen

Was bedeutet das Wissen um Teilkompetenzen und Phasen nun konkret für empfohlene Handlungsweisen? Wie können KMU-Führungskräfte ihr Unternehmen zum internationalen Erfolg führen? Abgeleitet von den Erkenntnissen des Forschungsprojektes «KMU-Internationa­lisierung» bezüglich Teilkompetenzen und Phasen können folgende sieben all­ge­meinen Handlungsprämissen vorgeschlagen werden:

Eine gute Ausgangslage schaffen

Schaffen Sie – besonders in der Startphase – eine optimale Ausgangslage für den Internationalisierungserfolg. Fördern Sie eine Organisationskultur, die Veränderungen positiv gegenübersteht, stellen Sie sicher, dass Ihre Produkte oder Dienstleistungen auch im Ausland den Kundenbedürfnissen entsprechen, und stellen Sie die nötigen Ressourcen bereit, die eine erfolgreiche Internationalisierung erst ermöglichen. 

Internationalisierung geniessen

Sie sollten Freude am internationalen Arbeiten haben, oder ansonsten Mitarbeitende identifizieren, denen Internationalität Spass macht. Entdecken Sie das Neue und reisen Sie viel, um Partnerschaften im Ausland zu entwickeln und zu pflegen.

Vernetzen

Bauen Sie – insbesondere in der Start- und Konsolidierungsphase – interna­tionale Kontakte auf, und vertiefen Sie diese. Umso mehr, desto besser. Inves­tie­ren Sie viel Zeit und Energie in diese 
Beziehungen. 

Experimentieren

Meistern Sie die Internationalisierung mit viel Improvisationstalent und Mut. Gewinnen Sie schnell und ressourcenschonend an Erfahrungen, indem Sie mit Varianten der Internationalisierung experimentieren. Orientieren Sie sich hierbei am sogenannten «leistbaren Verlust» (Saras­vathy, 2008); das heisst, dass Sie stets auch damit rechnen sollten, dass eine Internationalisierungsvariante scheitern könnte.

Ein gutes Gespür entwickeln

Trauen Sie Ihrem Bauchgefühl. Seien Sie aber gleichzeitig bereit dazu einzuhalten, zu reflektieren und alternative Wege zu gehen. Denn Ihre Instinkte bleiben nur dann gut, wenn Sie diese immer wieder trainieren und hinterfragen; indem Sie sich unmittelbar in Situationen hineinbegeben, die Hände selbst «schmutzig machen» und nicht nur «von oben» führen. In einem internationalen Umfeld ist dies doppelt wichtig.

Entscheiden – in aller Konsequenz

Schrecken Sie im Übergang von der Konsolidierungs- in die Etablierungsphase nicht vor schwierigen Entscheidungen zurück. Bestimmen Sie – nach der Phase des Experimentierens – auf Basis von Erfahrungswerten, welche Internationalisierungsprojekte mit voller Kraft weiterverfolgt und welche besser abgeschlossen werden sollten und verfolgen Sie Ihre Ziele dann konsequent.

Nicht aufhören

Wenn Sie erste internationale Erfolge feiern: Nutzen Sie das Wissen und Vertrauen Ihrer internationalen Partner und Kunden für die Entwicklung innovativer Geschäfts- und Produktlösungen; sowohl für den internationalen Zielmarkt wie auch für den Heimatmarkt. Testen Sie diese erneut mit Freude, Gespür und Konsequenz.

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