Ich hatte eine Fortsetzung meiner Wissenschaftskolumne der Ausgabe 3/2024 versprochen. Es stand dort die Frage im Mittelpunkt, wie wir hybrides Zusammenarbeiten erfolgreich organisieren, das heisst, wenn Mitarbeitende teil- und zeitweise vor Ort arbeiten und teilweise aus dem Homeoffice, Teile des Teams vor Ort sich treffen und Teile des Teams sich online zuschalten. Ich hatte einerseits auf die Gestaltung geeigneter Rahmenbedingungen und die richtige Auswahl von Kommunikationstechnologien hingewiesen. Andererseits habe ich betont, dass Teams und deren Führungskräfte über spezifische Kompetenzen verfügen müssen, die hybrides Arbeiten erfolgreich machen. Ich möchte in dieser Kolumne nun fokussiert darauf eingehen, welche Kompetenzen für hybrides Zusammenarbeiten vorhanden sein müssen und wie diese entwickelt werden können.
Grundlegende Kompetenzen für hybrides Arbeiten
Mit unserer Forschung können wir zeigen, dass erfolgreiches hybrides Arbeiten und Führen auf acht Kompetenz-Dimensionen beruht. Die ersten drei dieser acht Kompetenzen sind wenig überraschend, weil diese für jegliche Form der Zusammenarbeit wichtig sind: (1) die Kompetenz, für ein Team oder ein Projekt sowohl realistische wie ambitionierte Arbeitsziele zu definieren; (2) die Kompetenz, im Team klare Verantwortungen und Aufgabenpakete zu definieren und diese entsprechenden Personen oder Sub-Teams zuzuweisen; (3) die Kompetenz, alle notwendigen Informationen transparent, zeitnah und ortsunabhängig (d. h. digital) bereitzustellen, sodass Teams sowohl alle grundlegenden Informationen für ihre Arbeit zur Verfügung haben, sich aber auch stets über Prozesse und Veränderungen im Arbeitsverlauf informieren können.
Diese Kompetenzen sind wie erwähnt für jegliche Form der Zusammenarbeit grundlegend. Aber in hybriden Teams sind diese Kompetenzen noch wichtiger. Denn durch das hybride Zusammenarbeiten sehen sich Teams weniger oft gleichzeitig an einem Ort, sodass die einzelnen Team-Mitglieder selbstständiger arbeiten dürfen und müssen. Damit diese selbstständigere Arbeitsweise zielgerichtet stattfindet, müssen Arbeitsziele, Verantwortlichkeiten und Arbeitspakete sehr klar definiert sein. Erfolgreiche hybride Teams achten deshalb gewissenhaft darauf, dass sich alle Team-Mitglieder der Zielsetzungen, Verantwortlichkeiten und Arbeitspakte stets bewusst sind. Für diese Klärung braucht es Zeit und auch gemeinsame Team-Anlässe – entweder regelmässig gemeinsam vor Ort oder sich online treffend. Diese Team-Anlässe sollten in regelmässigen Abständen stattfinden, sodass Verantwortlichkeiten und Arbeitspakte erneut geklärt werden können, sollten sich das Projekt oder gar die Arbeitsziele verändern oder eine nächste Projekt-Phase bearbeitet werden.
Neben diesen klärenden Team-Meetings gehört ein sehr gutes Informationsmanagement zum erfolgreichen hybriden Arbeiten. Alle Team- und Projektmitglieder müssen jederzeit und einfach Zugang zu den wesentlichen Informationen haben. Das heisst, die Team-Mitglieder müssen wissen, wo sie welche Informationen orts- und zeitunabhängig finden und welche Informationen, Kompetenzen und Kapazitäten im Team zur Verfügung stehen, wenn sie Unterstützung benötigen. Auch müssen Arbeitsergebnisse oder Veränderungen im Projektverlauf transparent dokumentiert werden, sodass sich auch darüber das Gesamt-Team stets informieren kann. Ein solcher Austausch von Informationen bedingt eine Arbeitskultur, in der Wissen gerne und grosszügig geteilt wird; und auch die Sicherheit, dass mit vertraulichen Informationen sorgfältig umgegangen wird.
Technologien bewusst nutzen
Nicht überraschend beinhaltet erfolgreiches hybrides Zusammenarbeiten auch Kompetenzen in der Technologienutzung: (4) die Kompetenz, sich bezüglich verfügbarer Kommunikationstechnologien auf dem Laufenden zu halten und die richtigen Technologien für die verschiedenen Formen der Zusammenarbeit auszuwählen; (5) die Kompetenz, nützliche Regeln und Verhaltensweisen zu definieren, wie genau diese Technologien im Arbeitsalltag genutzt werden sollen; (6) die Kompetenz, einen Teamgeist zu entwickeln und aufrechtzuerhalten, der unabhängig ist von einem physischen Ort. Diese Kompetenzen sollen insgesamt zu einer sehr bewussten Nutzung von Technologien führen. Es sollte dem Team klar sein, dass für verschiedene Zusammenarbeitsformen verschiedene Arten von Technologien zur Verfügung stehen, und das Team sollte fähig sein, all diese Technologien zu nutzen. Für kurze Informationen ohne weiteren Abstimmungsbedarf eignet sich ein Chat. Für kurze nicht komplexe Abstimmungen über Distanz ist ein Telefonat nützlich. Wird der Abstimmungsbedarf über Distanz komplexer und sollte am Ende der Abstimmung etwas Schriftliches vorliegen, eignet sich zusätzlich das gemeinsame Arbeiten an einem Dokument – zum Beispiel mit gemeinsamem Zugriff via Webbrowser oder das gemeinsame Visualisieren via einer Plattform wie Miro oder Mural.
Routinen und klare Regeln
Dienen Diskussionen neben dem Austausch von Informationen auch dem Austausch verschiedener Meinungen oder gar von Konflikten, das heisst, werden auch emotionale Themen bearbeitet, so empfiehlt sich tatsächlich ein gemeinsames Meeting vor Ort oder in einem virtuellen Raum, in dem einfache physische Nähe und dadurch Empathie erfahren werden kann. Kurz: Es sollten sich in einem Team Routinen entwickeln, für verschiedene Formen der Zusammenarbeit entsprechend geeignete Technologien zu nutzen. Und zu diesen Routinen gehören klare Regeln der Nutzung, zum Beispiel erwartete Antwortzeiten nach Kontaktaufnahme via Chat oder E-Mail, Kameras anlässlich von Online-Meetings anlassen, keine parallelen Arbeiten während Online-Meetings, Präsenzverpflichtung bei wesentlichen Team-Anlässen, wechselnde Moderationen durch Team-Mitglieder bei Abstimmungsmeetings, Ruhephasen der Nichterreichbarkeit etc. Nachweislich können solche gelungenen Routinen und technologieunterstützten Interaktionen zu einem Teamgeist führen, der unabhängig davon ist, ob man sich regelmässig vor Ort trifft, weil man regelmässig und nutzstiftend eben auch in einem hybriden Kontext interagiert, unterstützt durch Technologie.
Sicherheit und Vertrauen schaffen
Ganz wesentliche Kompetenzen der hybriden Zusammenarbeit beziehen sich auf den Menschen: (7) die Kompetenz, im Team eine Atmosphäre der psychologischen Sicherheit und des Vertrauens aufzubauen und aufrechtzuerhalten, trotz teilweiser und zeitweiser physischer Distanz; und (8) die Kompetenz, Team-Mitglieder in diesem Kontext stärkenbasiert zu fordern und zu fördern. Die Forschung identifiziert diesbezüglich ein Dilemma: Hybride Zusammenarbeit gelingt dann besser, wenn sich hybride Teams sicher fühlen und sich gegenseitig vertrauen. Und Sicherheit und Vertrauen entsteht dann, wenn sich Teams gut persönlich kennen, was einfacher ist, wenn man sich vor Ort sieht. Dieses Dilemma muss in hybriden Arbeitskontexten aufgelöst werden, sodass Teams trotz physischer Distanz Sicherheit und Vertrauen entwickeln. Hierbei sind regelmässige Team-Treffen in physischer Präsenz durchaus nützlich, insbesondere dann, wenn sie neben dem Beruflichen auch auf das Persönliche und die Begegnung der Team-Mitglieder als Menschen fokussieren. Aber auch über Distanz kann Sicherheit und Vertrauen befördert werden, wenn auch anlässlich von Online-Treffen das Persönliche Raum einnehmen darf, wenn in kleineren Sub-Gruppen persönliche Nähe entsteht oder wenn die Führungskraft regelmässig bilateral Kontakt mit den Mitarbeitenden aufbaut, um auch Persönliches oder Vertrauliches besprechen zu können. Auch ist die Führungskraft dafür verantwortlich, die Mitarbeitenden stärkenbasiert einzusetzen, sodass Mitarbeitende anlässlich des selbstständigen Arbeitens Produktivität und Zufriedenheit erfahren können; beziehungsweise dann zeitnah unterstützt werden, wenn zur produktiven Erreichung der Arbeitsziele Wissen oder Kompetenzen fehlen und aufgebaut werden müssen.
Insgesamt wird erneut – wie anlässlich der Kolumne im März – deutlich, dass der Erfolg hybrider Zusammenarbeit weniger von der Technologie oder von der physischen Präsenz abhängt, sondern wie wir mit der Technologie umgehen, sodass wir uns einerseits produktiv, aber weiterhin als Menschen wahrnehmen können.