Forschung & Entwicklung

Studie: Markenführung

KMU haben noch viel Potenzial zur Markenstärkung

Während das Thema «Markenführung» in Grossunternehmen breit erforscht ist, fristen die KMU hierbei ein eher stiefmütterliches Dasein. Die Berner Fachhochschule (BFH) hat sich dieser Thematik angenommen und eine Studie in mehr als 30 schweizerischen KMU durchgeführt. Was im Kontext der Markenführung (nicht) gemacht wird, zeigt dieser Beitrag.
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Markenführung wird als der Auf- bzw. Ausbau einer Marke verstanden, mit dem Ziel, beim Konsumenten einen Wiedererkennungswert zu schaffen und damit die Kaufbereitschaft zu erhöhen. Taucht man ein in die Literatur und sucht spe­zifische Vorgehensweisen, wird man schnell fündig: Ein ganzes Spektrum an strategischen und operativen Anleitungen ist verfügbar – jedoch beziehen diese sich auf Grossunternehmen. Wir stellten uns die Frage: Die Marke als elementares Differenzierungsmerkmal im immer intensiver werdenden Wettbewerb – wie sehen und reflektieren dies KMU in der Schweiz und welche Instrumente setzen sie ein? – Um dies zu beantworten, lancierten wir eine empirische Untersuchung. Mehr als 30 Unternehmen wurden anhand eines strukturierten Interviewleitfadens befragt und ihre Antworten ausgewertet.

Konzeption der Studie

Im Rahmen einer qualitativen Studie wurden mehr als 30 CEOs und Marketingverantwortliche aus schweizerischen KMU (Unternehmen zwischen 10 und 249 Mitarbeitenden) befragt. Von den befragten Unternehmen kümmert sich gemäss eigenen Angaben fast immer der CEO selbst oder ein Marketingexperte um Marketingfragen. Hinsichtlich des geografischen Raums haben wir uns auf die Deutschschweiz fokussiert.

Bewusst wurde ein Ansatz gewählt, der einen Querschnitt durch die Unternehmenslandschaft darstellt, wobei der Fokus auf B2C und Dienstleistungen lag. Um für KMU «typische» Aussagen zu erhalten, wurden vereinzelt Unternehmen einerseits im B2B-Bereich, andererseits Familienunternehmen und Konzerne als Vergleichsgrundlage hinzugezogen.

Markenführung im Fokus

Die Untersuchung fokussierte folgende Dimensionen des Markenmanagements:

  • Markenidentität
  • Wettbewerbsdifferenzierung
  • Markensignale
  • Markenimage

Wir haben uns für diese Bereiche entschieden, da sie unsere Absicht, Markenführung in einer gewünschten Breite und Tiefe abzudecken, am besten widerspiegeln. Dabei ist uns bewusst, dass der Begriff Markenführung nicht einheitlich operationalisiert wird, sondern je nach Sichtweise unterschiedliche Parameter und Dimensionen von Wissenschaftlern, Unternehmensberatern und Werbeagenturen eingesetzt werden.

Markenidentität

«Markenidentität» definieren wir als Gesamtheit der Merkmale bzw. Komponenten einer Marke, wie sie aus dem Unternehmen heraus gestaltet wird. Es handelt sich demnach um einen Prozess aus der Innensicht des Unternehmens, mittels dem der «Charakter» der Marke geformt wird: das Eigenbild der Marke. Insbesondere sind hier Struktur, Konzeption und Auftritt gemeint wie auch die Eigenschaften in Form von Leistungskomponenten und emotionalen Verknüpfungen.

In der vorliegenden Studie haben wir zwei Aspekte fokussiert:

  • Einerseits die Identitätsverknüpfung der Marke mit einem Produkt und /oder dem Unternehmen (Einzelmarken- versus Dachmarkenstrategie). Die von uns befragten KMU bevorzugen klar eine Wahrnehmung von beidem in Kombination, also Produkt und Unternehmen, und möchten dies auch beibehalten. Müssten sie sich zwingend für eins von beiden entscheiden, wird fast ausnahmslos die Wahrnehmung des Produkts favorisiert.
  • Andererseits die leistungs- und emotionsbezogenen Komponenten der jeweiligen Marke, welche für deren
    Positionierung relevant sind. Es dominierten hier Angaben wie «Qualität» sowie die Definition des Angebots wie zum Beispiel «Produkte für den Innenbereich».

Hinsichtlich der Komponenten zur Marken­identität dominieren klar Attribute wie «Qualität», «Seriosität/Verlässlichkeit» bei fast 80 Prozent der Angaben. Auch «Swissness», «preislich attraktiv» wurden genannt – der Erreichungsgrad dieser Eigenschaften aus heutiger Sicht wurde durchweg zwischen 80 und 95 Prozent als sehr hoch eingeschätzt. Die «Erhöhung der Qualität» ist durchgehend eine zentrale Komponente des Leistungsversprechens und soll auch entsprechend emotionalisiert werden. Die Antworten auf die Frage, was unter «Qualität» zu verstehen ist, sind breit gefächert. Genannt wurden hier «längere Haltbarkeit», «besserer Service», aber auch einzelne Produkteigenschaften wie «schönere Farben» sowie allgemeine Aussagen wie «eben besser».

Die Befragung hat gezeigt, dass für die jeweilige Marke veränderte Leistungspotenziale erwartet werden, sich dies jedoch nicht in einer veränderten Ausgestaltung der Marke widerspiegeln soll. Ein Paradox? Ja und nein. Mehr als zwei Drittel der Befragten gehen davon aus, dass der Markt sich ändern wird, demzufolge an ihrer Marke entsprechende Anpassungen vornehmen werden. Aber es bestehen Unsicherheiten, wie sich ihre Marke verändern soll. So besteht die Frage, welchen Herausforderungen die Marke gewachsen sein muss. Die Konsequenz: Abwarten, was passiert. Dies untermauern Aussagen wie «Vermutlich wird sich einiges in der Branche tun, aber wir wissen noch nicht, was genau» oder «Wir brauchen konkrete Anhaltspunkte, sonst können wir am Markt vorbeiproduzieren» und «wir warten das ab». Hier wird Unsicherheit deutlich, wie und in welche Richtung allfällige Veränderungen gehen und wie sich das Unternehmen am besten aufstellen soll.

Dabei kommt unser zweiter Aspekt zum Tragen: Mehr als die Hälfte der Befragten verknüpft die Markenidentität mit dem Unternehmen und dem entsprechenden Produkt. Diese Sichtweise, sogenannte Mischformen im Rahmen der Branding­strategien, sei auch künftig erwünscht. Insbesondere wird eine einseitige Fokussierung der Markenwahrnehmung auf das Produkt /die Dienstleistung einerseits bzw. das Unternehmen andererseits als riskant empfunden. Eine «breitere» Abstützung auf Produkt und Unternehmen scheint sicherer, so die Aussagen wie «eine Fokussierung können wir uns nicht leisten, da verlieren wir Kunden» und auch «wir müssten erst überlegen, ob wir Veränderungen auf die Wahrnehmung und die Leistung von unserer Firma oder dem Produkt wollen und welches die Auswirkungen wären».

Dass diese vermeintliche Sicherheit sich eventuell negativ auf eine Abgrenzung zum Wettbewerb auswirken könnte – Stichwort «Unschärfe» in der Positionierung – wird billigend in Kauf genommen. Die exemplarische Aussage «unsere Kunden wissen, was sie an uns haben» fokussiert zwar den vorhandenen Kundenstamm, ignoriert jedoch Akquisitionspotenziale zum Ausbau desselben durch klare Profilierung.

Wettbewerbsdifferenzierung

Die Differenzierung der Marke gegenüber dem Wettbewerb ist unbestritten eine der Schlüsselaufgaben des Marketings. Vor diesem Hintergrund überrascht es, dass fast die Hälfte der Befragten den eigenen Markenauftritt nicht mit dem ihrer Konkurrenz vergleichen kann. Der Grund: Es fehlen die Vergleichsparameter der Konkurrenz und damit verbunden das Wissen und die Intuition, sich selbst als stärker, schwächer oder gleichwertig einzustufen.

Wenn nun verglichen wird, was wird verglichen? In den Befragungen überwiegen deutlich zwei Differenzierungsmerkmale gegenüber der Konkurrenz: zum einen die nicht näher spezifizierte «Qualität» sowie zum anderen das emotionale Differenzierungsmerkmal «die persönliche Beziehung». Gerade Letzteres wird als elementarer Vorteil beurteilt, den alle befragten Unternehmen ausnahmslos als nachhaltig einschätzen. «Dem Kunden den Puls fühlen», «unsere Kunden sind von uns überzeugt», «eigentlich verlieren wir keine Kunden» sind Aussagen, die diese Einschätzung belegen – was wir hingegen nicht fanden, waren scharf umrissene Abgrenzungsprofile gegenüber der Konkurrenz.

Und dennoch betreiben 80 Prozent aller Befragten Konkurrenzbeobachtungen – es überwiegt bei Weitem die unsystematische Beobachtung anhand verfügbarer Informationen. Hierbei fokussieren sich die Aktivitäten auf Mystery Shopping, Studieren der Geschäftsberichte durch Aktienerwerb, Befragung der jeweiligen Mitarbeiter im Recruiting-Prozess und ähnliche Massnahmen. In einem Fall wurde «Vernetzung» als beste Informationsquelle angegeben. Bei diesem Ansatz helfen insbesondere Vertriebs- und Geschäftspartner, über geplante Aktivitäten der Konkurrenz Informationen zu gewinnen.

Für die künftige Entwicklung schreiben alle Befragten den emotionalen Komponenten eine zunehmende Bedeutung zu. Befragt, wie die Emotionen bei den Kunden geweckt werden, reicht das Massnahmenspektrum von Geschenken, Einladungen bis zu werblichen Aktivitäten aller Art. Was hier zum Einsatz kommt, hängt vom angebotenen Produkt bzw. Service und vom jeweiligen Budget ab.

Markensignale

Unter «Markensignale» verstehen wir die Elemente einer Marke, die einzeln oder kombiniert zur Wahrnehmung der Wertvorstellungen, Einstellungen und Erwartungen – den später beschriebenen Bestandteilen des Markenimages – beitragen. Dies können beispielsweise sein: Logo, Farben, Schriftzug, Musik, Verpackung und Design, Websites, Kundenservice und Produkteigenschaften, aber auch Personen wie Verkäufer- bzw. Beraterpersönlichkeiten. Auch hier wurde im Rahmen unserer Befragung zwischen emotionalen und leistungsbezogenen Komponenten unterschieden.

Alle befragten Unternehmen setzen Markensignale ein – Schriftzug und/oder Logo – und präsentieren dies am Firmensitz. Die Befragung zeigt deutlich, dass die emotionale Bedeutung der Marke zunehmen wird. Dies spiegelt sich in einer verstärkten Emotionalisierung der Werbebotschaft wider, mittels der versucht wird, der zunehmenden Austauschbarkeit der Dienstleistungen und Produkte ein Differenzierungspotenzial abzugewinnen. Rein rational orientierte Markensignale sind nur bei B2B-Produkten anzutreffen und hier auch weiterhin erwünscht, da, so unisono die Angaben der Befragten, die Sicherheit, das technisch richtige Produkt zu kaufen, nicht mittels emotionaler Signale transportiert werden kann.

Ein Drittel der befragten Unternehmen hat in den letzten Jahren ihre Markenzeichen verändert. Dabei weiss die Mehrheit nicht, ob die Veränderung einen Effekt hatte, z.B. von den Kunden überhaupt wahrgenommen wurde. «Wir haben nicht nachgefragt», lauteten die jeweiligen Antworten, wobei bis auf zwei Unternehmen die veränderten Signale auch vorab nicht getestet wurden. Allfällige positive Reaktionen waren primär intern, bei den Mitarbeitern, konstatiert worden, insbesondere dann, wenn die Veränderung als «moderner» im Aufritt empfunden wurde. Inwieweit hier eine Kosten-Nutzen-Relation stattgefunden hat, bleibt offen. Zwei Drittel der Unternehmen sind mit ihrem Markenzeichen zufrieden und sehen keinen Grund für eine Änderung.

Nur ein Unternehmen aus dem Food-Bereich hat mittels sensorischer Massnahmen versucht, Aufmerksamkeit zu generieren, diese Massnahme wurde von den anderen Befragten als nicht zielführend bzw. als «zu abgehoben» eingeschätzt. Damit überzeugt dieser Trend, der sich in den USA immer grösser werdender Akzeptanz erfreut, in der Schweiz noch nicht.

Markenimage

Diese Untersuchung versteht unter «Markenimage» die Gesamtheit der mit der Marke verbundenen (Wert-)Vorstellungen, Einstellungen und Erwartungen durch die Zielkunden. Hierbei ist einerseits zwischen «Ist», den aktuellen Parametern, und «Soll», den angestrebten Vorstellungen, zu differenzieren. Markenimage bedeutet demnach das «Fremdbild» der Marke durch den Kunden.

Auf die Frage, wie Kunden die Marke in der Zukunft wahrnehmen sollen, wünschen sich fast drei Viertel der Befragten keine Änderung. Von denjenigen, die eine Änderung anstreben, plant die Hälfte Massnahmen, die jedoch noch nicht konkretisiert sind: «Wir werden das angehen, hat aber im Moment keine Priorität» oder «Da müssen wir uns erst noch genauere Gedanken machen» sind typische Aussagen, die den Schluss zulassen, dass kein akuter Handlungsbedarf gesehen wird.

Überrascht haben die Angaben zum Markenmonitoring, der Überprüfung des Markenimages: Nur wenige Unternehmen messen ihr Image. Der Grund sind Unsicherheiten wie «Es gibt Mittel, aber ich glaube, das ist sehr teuer», «Haben wir uns noch nicht näher damit befasst», «Wir haben uns informiert, aber uns nicht entschieden».

Wir konnten keine Korrelationen zwischen Unternehmensgrösse, Produkt- bzw. Dienstleistungsanbieter oder Marktgebiet feststellen. Aber all jene, die Markenmonitoring einsetzen, beobachten auch die Konkurrenz, attestieren der Marke eine zunehmende emotionale Bedeutung und glauben, dass die Kunden die Marke sowohl auf das Produkt bzw. die Dienstleistung als auch auf das Unternehmen beziehen.

Den Stellenwert der Markenführung beurteilen fast alle der Befragten als sehr wichtig bis wichtig, wobei die Bedeutung auch weiterhin steigen wird.

Fazit

Prinzipiell lässt sich aus der Studie ableiten, dass dem Thema Markenführung in den hier untersuchten vier Dimensionen zwar eine hohe Relevanz attestiert wird, sprich, es auf strategischer Ebene eine grosse Bedeutung geniesst, de facto aber in der Umsetzung, Einschätzung hinsichtlich Auftritt, Positionierung und den anderen angeführten Parametern sehr viel Potenziale zur Markenstärkung birgt.

Ein wesentliches Ergebnis dieser Studie besteht darin, dass das Thema «Markenführung» von allen befragten Unternehmen als hochkomplex wahrgenommen wird. Dass sich fast alle Unternehmen mit einer strukturierten Wettbewerbsbeobachtung schwertun, und identitäts- und imagestiftende Merkmale fast ausschliesslich – wenn überhaupt – entweder sehr unpräzise und/oder wenig differenziert angegeben werden, zeigt die bestehenden Unsicherheiten im Umgang mit dieser Thematik auf.

Dass Markenführung Chefsache ist, beweist der Umstand, dass es bei den von uns befragten Unternehmen fast ausnahmslos in der Unternehmensführung verankert ist. Die Herausforderung sehen wir darin, dass die KMU das Thema Markenführung so operationalisieren, damit machbare Aufgabenpakete und messbare Ergebnisse entstehen. Es hat sich auch gezeigt, dass die KMU, die Markenführung in allen vier Dimensionen wahrnehmen und diese bearbeiten, besser aufgestellt sind als die Unternehmen, die sich einzelnen Komponenten widmen.

Markenmanagement entsteht nicht von heute auf morgen – es benötigt Zeit, die Ziele zu bestimmen, Analysen durchzuführen und die Prozesse zu verankern. Aber das Ergebnis wird für sich sprechen: Mit der unverwechselbaren Identität klare Wettbewerbsvorteile erzielen und das gewünschte Image mit den richtigen Signalen transportieren – das ist Markenführung.

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