Forschung & Entwicklung

Studie: Internationalisierung

Internationalisierungskompetenzen bewerten und fördern

Wie kann der internationale Markterfolg von KMU langfristig gesichert werden? Das Forschungsprojekt «KMU-Internationalisierung» der Hochschule Luzern hat die dazu notwendigen Führungs- und Managementkompetenzen erforscht und ein Instrument zur Messung dieser Kompetenzen entwickelt.
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Gemeinsam mit zahlreichen Unternehmenspartnern hat die Hochschule Luzern Wirtschaft in einem Innosuisse-Forschungsprojekt Führungs- und Mana­ge­mentkompetenzen identifiziert, welche in erfolgreich internationalisierten Unternehmen deutlich werden. Im Rah­men dieses Forschungsprojekts haben 69 Führungspersonen aus Schweizer KMU ihre Internationalisierungskompetenz messen lassen. Die Ergebnisse bieten einen Benchmark, an dem sich KMU orien­tie­ren können. Die Führungs- und Mana­gementkompetenzen können in sieben Teilkompetenzen eingeteilt werden. Je besser sie bei KMU-Führungskräften ausgebildet sind, desto Erfolg versprechender können sie Internationalisierungsprozesse gestalten und zum Ziel führen. Die sieben Teilkompetenzen wurden im «KMU-Magazin» (Ausgabe 3/2019, Seite 100 f.) vorgestellt. Eine kurze Wieder­holung findet sich in Abbildung 1.

Um herauszufinden, wie ausgeprägt diese sieben Teilkompetenzen in Unternehmen sind, wurde im Rahmen des Forschungsprojektes ein Messinstrument entwickelt. Dieses bietet KMU und deren Führungskräften ohne viel Aufwand eine Standortbestimmung bezüglich ihrer Internationalisierungskompetenz und einen Vergleich mit anderen Unternehmen.

Das methodische Vorgehen

Im Entwicklungsprozesses des Assessment-Tools wurde pro Teilkompetenz eine unterschiedliche Anzahl Aussagen formuliert. Insgesamt kamen so 51 Aussagen zusammen, die von Unternehmen bewertet werden können und es erlauben, Rückschlüsse auf den Reifegrad der Internationalisierungskompetenz zu ziehen. Mithilfe einer Online-Umfrage wurden schweizweit Daten von Führungskräften gesammelt, die es nun ermöglichen, die Ausprägung dieser Teilkompetenzen bei KMU aufzuzeigen und entsprechende Benchmarks abzuleiten. 

Zahlreiche Führungspersonen wurden dazu eingeladen, in einer Onlineumfrage ihre Haltung gegenüber den verschiedenen Aussagen zu den Teilkompetenzen mithilfe einer Skala von 1 = «trifft nicht zu» bis 5 = «trifft stark zu» (sogenannte Likert-Skala) zu bewerten. Solche Bewertungen können direkt miteinander verglichen werden, erlauben die Bildung von Differenzen und Summen und dürfen unter bestimmten Voraussetzungen auch zur Berechnung von Durchschnitten benutzt werden. 

Bei der Einladung der Führungspersonen zur Teilnahme an der Umfrage im Herbst 2018 wurde darauf geachtet, dass sie aus einem bereits internationalisierten Unternehmen stammten beziehungsweise aus einem, das die Inter-nationalisierung als kurzfristiges Ziel hat. Ausserdem durfte das Unternehmen im Hinblick auf die Anzahl der Beschäftigten nicht zu gross sein. Im Durchschnitt wurden 150 Vollzeitäquivalente erreicht. Die Teilnehmenden beantworteten den Fragebogen nicht aus Sicht der Gesamtunternehmung, sondern nur für den unmittelbar relevanten Bereich des Internationa­lisierungsvorhabens. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass trotz der Teilnahme einiger Führungs-personen aus Unternehmen, welche die gängige De­finition von KMU als Unternehmen mit weniger als 250 Vollzeitäquivalenten sprengen, aufschlussreiche Ergebnisse für KMU herauskamen. 

Wissenschaftliche Ergebnisse

Die Umfrage wurde insgesamt 69 Mal beantwortet. In dieser Stichprobe befinden sich Unternehmen mit unterschiedlich langer Erfahrung im Ausland. Auch hinsichtlich der Wichtigkeit des Auslandgeschäfts gab es Unterschiede. So erzielt etwas weniger als ein Drittel zwischen 80 und 100 Prozent des Umsatzes im Ausland, während am anderen Ende des Spektrums ein Fünftel weniger als 5 Prozent erreicht. Die Verteilungen der Unternehmen nach der Dauer der internationalen Tätigkeit und dem im Ausland erzielten Anteil des Umsatzes sind in Abbildung 2 ersichtlich. 

In der Wissenschaft wird die Qualität einer Umfrage oft mithilfe des sogenannten Cronbachs Alpha evaluiert. Es handelt sich dabei um ein Mass für die Reliabilität (Zuverlässigkeit) eines Testverfahrens, hier der Bewertung der 51 Aussagen. Das Alpha liegt immer zwischen minus unendlich und eins, und je grösser es ist, desto aussagekräftiger sind die Ergebnisse und desto weniger können sie nur zufällig zustande gekommen sein. Werte um die 0,7 gelten als akzeptabel.

Für die verschiedenen Teilkompetenzen in der Umfrage der Hochschule Luzern lagen sie zwischen 0,7 und 0,9. Somit darf angenommen werden, dass die Umfrage aussagekräftige Ergebnisse produziert hat und konsistent ist. Das ist insofern auch wichtig, als dass bei vom Bund geförderten Innosuisse-Projekten die Wissenschaftlichkeit durch die beteiligten Hochschulen sichergestellt werden muss.

Kompetenz im Vergleich

Diese Umfragewerte ermöglichen es, nun ein einzelnes Unternehmen an den Werten aller teilnehmenden Unternehmen zu messen. Diese Form des Benchmarkings bildete den Hauptzweck bei der Entwicklung des Messinstruments. Konkret kann nun für eine einzelne Unternehmung berechnet werden, zu welchem Prozentsatz die notwendigen Teilkompetenzen vorhanden sind. Dies kann als Zielerreichungs- oder Reifegrad interpretiert werden. Beispielsweise lässt sich dann sagen, dass ein Unternehmen 65 Prozent der maximalen Ausprägung der Teilkompetenz «Marktorientierung» erreicht hat und somit noch Spielraum nach oben vorhanden ist. Um die Ergebnisse über die sieben Teilkompetenzen hinweg zu veranschaulichen, werden diese, wie in Abbildung 3 gezeigt, in einem sogenannten Spider-Chart dargestellt. Dieses Diagramm wird über alle Kompetenzen hinweg aufgespannt und macht auf einen Blick ersichtlich, wo mit Massnahmen zur Entwicklung und Verbesserung angesetzt werden sollte. 

Das Benchmarking der 69 Unternehmen wird in einer Rangordnung von vier Gruppen dargestellt, den sogenannten Quartilen. Im ersten Quartil befindet sich das Viertel an Unternehmen, das die tiefsten Werte erreichte, im vierten Quartil dasjenige mit den höchsten Reifegraden. Die zweite Quartilsgrenze, die auch als Median bezeichnet wird, teilt die Unternehmen in eine stärkere und eine schwächere Hälfte beziehungsweise grenzt das zweite und dritte Quartil voneinander ab. 

Die Quartilsgrenzen werden als eine rote, eine gelbe und eine grüne Linie in Abbildung 3 dargestellt. Die Farben der Linien symbolisieren die Dringlichkeiten von Massnahmen. Während also tiefere Werte als die grüne Linie (Quartil 3) noch keine Alarmglocken auslösen, wird beim Unterschreiten der gelben Linie (Median) erhöhte Aufmerksamkeit notwendig. Unterhalb der roten Linie, das heisst der ersten Quartilslinie, sollte gemäss den Forschungsergebnissen der Hochschule Luzern kein Unternehmen länger verbleiben, wenn es erfolgreich im Ausland tätig sein möchte.

Eigene Kompetenz bewerten

Die Quartilsgrenzen können also als Benchmarks dienen und zeigen dem Unternehmen, wo es sich relativ zu den anderen befindet. Gehört es zum untersten Viertel, kann es schon mit der Hälfte der anderen mithalten, oder ist es sogar unter den besten 25 Prozent? Das Management kann somit transparent und gezielt auf eine Verbesserung in einer Teilkompetenz hinarbeiten und bei ty­pischerweise begrenzten Ressourcen Prioritäten setzen. Als Beispiel für diesen Vergleich eines einzelnen Unternehmens mit den Quar­tilsgrenzen ist die blaue Linie in der Ab­­bildung 3 dargestellt. 

Dieses Beispiel­unternehmen kommt mit seinen Reife­graden für die Teilkom­pe­tenzen «Unter­­­nehmergeist» wie auch «Lern­fähige Organisation» unter den besten 25 Prozent der Unternehmen zu lie­gen, während es bei den Teilkompetenzen «Interkulturelle Kompetenz» und «Marktorientierung» zu den schwächsten 25 Prozent gehört. Auch der Wert der «Internatio­nalen Partnerschaften» reicht nicht aus, um dort zur besseren Hälfte der Unter­nehmen zu zählen. Die Reifegrade der restlichen Teilkompetenzen liegen alle über der Medianlinie, das heisst, hier gehört das Unternehmen zu den besseren 50 Prozent. Aus der Analyse des Spider-Charts kann nun die Schlussfolgerung gezogen werden, dass dringender Handlungsbedarf besteht, die interkulturelle Kompetenz und die Marktorientierung zu entwickeln, wenn die Chancen, international erfolgreich zu sein, erhöht werden sollen.

Eigene Kompetenz fördern

Für die Konkretisierung der notwendigen Förderung einzelner Teilkompetenzen ist es angebracht, die Einzelergebnisse der ihnen zugeordneten Aussagen genauer zu betrachten. Sie sind in Abbildung 4 aufgelistet. In diesem Beispiel könnte man zum Schluss kommen, dass das Unternehmen zwar ein hohes Ansehen für sein Produkt geniesst, da bezüglich «Markt­orientierung» Aussage 1 mit 4 von 5 Punkten auf Zustimmung gestossen ist. Die Aussagen 2 und 7 wurden aber jeweils nur mit einer 2 bewertet, die Aussage 3 erreicht gar nur eine 1. 

Aufgrund dieser Bewertungen kann nun vermutet werden, dass das KMU durchaus über ein gutes und anerkanntes Qualitätsprodukt verfügt. Die anvisierten Kennzahlen könnten aber deshalb unter den Erwartungen bleiben, weil das Verständnis dafür fehlt, wie dieses Produkt in einem bestimmten ausländischen Markt angeboten werden kann und welche Anpassungen am Produkt nötig wären, um dort eine grössere Nachfrage zu wecken. 

Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass eine vertiefte Analyse der Kundenbe­dürfnisse im Zielmarkt ins Auge gefasst werden sollte. Zusätzlich müssen die Vertriebsprozesse genauer betrachtet werden beziehungsweise mehr Informationen darüber gesammelt werden, wie ein solches Produkt besser angeboten werden kann. Dies würde unbedingt auch Recherchen direkt vor Ort beinhalten – etwas, das bisher vernachlässigt worden ist. Das zeigen die niedrigen Werte der ersten sowie letzten Aussage zur «Interkulturellen Kompetenz».

Die erreichten Werte in den Teilkompetenzen «Unternehmergeist» und «Lernfähige Organisation» des Beispielunternehmens stimmen zuversichtlich, dass das Unternehmen über die nötigen Fähig­keiten verfügt, die Defizite auszugleichen. Typischerweise deuten solche Bewertungen auf stark lösungsorientierte Unternehmen hin, in deren Personal viel Selbstvertrauen und Robustheit gegenüber Rückschlägen verkörpert ist. Ausserdem sind die Mitarbeitenden gut motiviert, initiativ und kämpfen kaum mit personellen Engpässen. Das im Projekt entwickelte Messinstrument ermöglicht also einerseits die Diagnose von Schwachpunkten, für die konkrete Entwicklungsschritte abgeleitet und priorisiert werden können. Andererseits wird erkennbar gemacht, auf welche Kompetenzressourcen bereits zurückgegriffen werden kann, um die Fähigkeit zur Internationalisierung zu stärken.

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