In Zusammenhang mit der Revision des Aktienrechts im Jahr 2008 sahen sich viele KMU gezwungen, gegenüber der externen Revisionsstelle ein dokumentiertes Internes Kontrollsystem (IKS) nachzuweisen. Dieser Umstand führte damals zur berechtigten Frage, wie KMU mit ihren knapp bemessenen Ressourcen die neuen Gesetzesvorgaben erfüllen sollten. Die neue IKS-Pflicht sorgte bei vielen mittelständischen Unternehmen für Unmut, da insbesondere die damit verbundene Kostenbelastung als erheblich erachtet wurde. In den meisten Unternehmen existierten zwar schon Ansätze von Risiko- und Kontrollinstrumenten. Diese wurden aber in der Regel selten konsequent genutzt und nicht mit anderen Führungsinstrumenten abgestimmt. Zudem waren viele Kontrollen – aus Sicht der externen Revisionsstelle ein zentraler Mangel – für Dritte aufgrund fehlender Dokumentation kaum nachvollziehbar.
Entlastung der KMU fraglich
Der Gesetzgeber reagierte per 1. Januar 2012 auf die Begehren der KMU und erhöhte mit der Aktienrechtsrevision die Schwellenwerte für die ordentliche Revision signifikant. Zahlreiche KMU wurden somit wieder von der formalen IKS-Pflicht befreit – der Einfluss des Gesetz-
gebers hat sich verkleinert. Die Erhöhung der Schwellenwerte gilt es jedoch ebenso kritisch zu beurteilen. Ob diese überhaupt zur geforderten Entlastung der KMU führt, wird sich erst noch zeigen müssen. Gegebenenfalls kommt es lediglich zu einer Verlagerung der Kosten, z. B. von den Aufwendungen für die Prüfung der Jahresrechnung hin zu Kosten für Ad-hoc-Prüfungen oder für das Bereitstellen von Sicherheiten. Es ist ferner auch nicht auszuschliessen, dass die Vernachlässigung formaler Kontrollen höhere Risikokosten verursacht und die Anzahl von KMU-Konkursen zunehmen wird (vgl. Zihler, 2011, S. 675).
Diese Entwicklungen führten dazu, dass sich die Hochschule Luzern – Wirtschaft einem von KTI / Bund mitfinanzierten Forschungsprojekt zum Thema «integrierte Steuerung und Kontrolle von KMU mit IT» angenommen hat (siehe Textbox «Das KTI-Projekt» auf Seite 99).
Erhöhter Handlungsbedarf
Angesichts der gesetzlichen Veränderung bezüglich Revisionsrecht und den Charakteristika von KMU wie zum Beispiel knappe Personalressourcen, flache Hierarchien und ungenügende Funktionentrennung lassen sich zwei Beweggründe für das erwähnte Forschungsprojekt aufführen:
Einerseits gilt es durch die reduzierte oder entfallene Fremdkontrolle durch die externe Revisionsstelle für KMU die Eigenkontrolle im Rahmen einer guten Corporate Governance zu fördern. In der Regel fehlt es heute den KMU allerdings an Hilfsmitteln und Anreizen, freiwillig geeignete Instrumente zu optimieren oder effizienter zu gestalten.
Andererseits legen verschiedene Studien dar, dass die Orientierung der IKS-Umsetzung am Gesetzesminimum, d. h. der Sicherstellung einer wahrheitsgemässen finanziellen Berichterstattung, von KMU als wenig sinnvoll und nützlich erachtet wurde. Dementsprechend gross ist das Bedürfnis nach einem integrierten Konzept, das auch die Schnittstellen zur Unternehmensstrategie, operativen Geschäftstätigkeit und Compliance für eine effektive und effiziente finanzielle Steuerung und Kontrolle miteinbezieht.
Die primäre Herausforderung des KTI-Projekts liegt daher in der Konzeption eines kostengünstigen und wirksamen Steuerungs- und Kontrollrahmens, der die Bedürfnisse der KMU berücksichtigt und die freiwillige Umsetzung fördert. Vor dem Hintergrund der häufig nur informell oder fragmentarisch vorhandenen Abläufe und Prozesse sowie der teilweise nicht vollständig vorhandenen Finanzplanung müssen kosteneffiziente Mittel und Wege gefunden werden.
Ein geeignetes Mittel zur Steigerung der (Kosten-)Effizienz ist unter anderem der Einsatz der Informationstechnologie (IT). Diese begünstigt die Automatisierung von Prozessen, ermöglicht IT-gestützte, präventive Kontrollen, optimiert den Ressourceneinsatz und stellt die Überwachung der finanzrelevanten Prozesse und Aktivitäten in KMU sicher.