Forschung & Entwicklung

Methoden und Prozesse

Innovation als ein Kernelement der Unternehmenskultur

Nachhaltige Innovation braucht mehr als neue Tools und spielerische Innovationsworkshops und auch mehr als die Einführung einer Innovationseinheit. Der Beitrag zeigt die grössten Hürden, die der Innovation im Wege stehen und wie diese zu überwinden sind.
PDF Kaufen

Design Thinking, Service Design, Kreativitätsworkshop, Innovationsprozesse aktuelle Schlagwörter. Innovation ist auch für KMU vom Wettbewerbsvorteil zum überlebensnotwendigen Faktor geworden. Die Nachfrage nach Innovationsworkshops und jenen Innovationsberatern, die einen solchen Workshop moderieren oder einen Prozess begleiten, nimmt zu.

Viel Aufwand, wenig Wirkung

Es werden interne Innovationszentren gegründet oder Innovationsverantwortliche benannt, die das Ziel haben, die Innovation im Unternehmen voranzutreiben. Es werden Mitarbeitende, Kunden und Experten zu Innovationsworkshops eingeladen, und es werden Mitarbeitende auf Schulungen geschickt, in denen kreative Methoden geschult werden. Und dabei entstehen viele neue Ideen. Was aber geschieht anschliessend? Studien zeigen,

  • dass 40 bis 90 Prozent aller neuen Produkte (abhängig von der Produktkategorie) scheitern (Gourville, 2006),
  • dass die Innovationsmaturität der Unternehmen heute noch vergleichsweise gering ist (Capgemini, 2017),
  • dass nur 17 Prozent der Unternehmen angeben, Innovationen organisationsübergreifend auszuführen (Capgemini, 2017) und
  • dass 51 Prozent der Führungskräfte der Meinung sind, ihrem Unternehmen sei es nicht möglich, mit der Geschwindigkeit heutiger Marktveränderungen mitzuhalten (Capgemini, 2017)

Häufig hört man, dass die Ideen verpuffen, dass Anfangseuphorie sich legt und viele Ideen die Umsetzungsphase nie erreichen. Sie scheitern an internen Prozessen, interner Akzeptanz, Machbarkeit, mangelnden Ressourcen für den Roll-out, mangelnder Unterstützung auf der Entscheiderebene und an Umsetzungshürden, die im Workshop nicht absehbar waren. «Innovationworkshop meets reality» und plötzlich bleibt nichts mehr übrig. Die Kosten sind versenkt, der Nutzen oft fraglich.

Gerade für KMU, die mit finanziellen Mitteln haushalten müssen, ist das inakzeptabel. Passiert das mehrfach, wird nicht nur «kein Nutzen» generiert, sondern es kann schädliche Auswirkungen auf Motivation und Vertrauen der Mitarbeitenden haben. In manchen Firmen lassen sich eine Resignation und Zynismus verzeichnen. «Nicht schon wieder ein Innovationsworkshop. Da fragt man uns wieder nach unseren Ideen, wir investieren Zeit und Musse, schöpfen Hoffnung, dass sich die Dinge ändern, und am Ende passiert wieder nichts.» Nachhaltige Innovation in Unternehmen braucht mehr, als ein paar spielerische Innovationsworkshops und auch mehr als die Einführung einer Innovationseinheit.

Innovationshürden

Aber wo liegt das Problem? Nachfolgend werden vier Faktoren erläutert, welche nachhaltiger Innovation im Wege stehen.

Design Thinking wird als Methode verstanden, benötigt aber eine entsprechende Kultur und Prozesse

Design-Thinking-Methoden wie die beschreibung einer Persona, die Erstellung einer Customer Journey oder Stakeholder Map, eines Desktop Walkthrough, oder das Bauen von Mockups aus Lego oder Wireframes aus Pappe finden in heutigen Unternehmen zunehmend Anwendung. Die Zugänglichkeit sowie die Schlichtheit dieser Werkzeuge überzeugen und schnell werden solche Tools in ein Unternehmen eingeführt. Mit spielerischer Leichtigkeit setzten die Mitar-
beitenden solche Hilfen ein und dank positivem Miteinander entstehen Ideen. Das Unternehmen hat einen Schritt in Richtung Innovationskultur geschafft.

Doch so schnell solche Tools begeistern, so schnell kann der Effekt davon wieder verpuffen, sofern nicht tatsächlich eine nachhaltige Kultur der Innovation entwickelt wird. Durch blosse Anwendung der Werkzeuge, ohne ein Umdenken in Richtung human-centered Organization, können keine nachhaltigen Innovationen geschaffen werden. Ohne unternehmensweit verbreitetes Design Thinking/Service Design Mindset werden Innovationen am Kunden vorbeientwickelt. Aus Sicht der Autoren sind drei Ebenen relevant. Erstens die des Unternehmens: Eine Strategie, welche Innovation als Kernelement definiert sowie Führungskräfte, welche diese Art zu arbeiten vorleben und unterstützen. Innovation entsteht dort, wo Prozesse flexibel und agil sind, um schnelle Entscheidungen zu treffen – und dort, wo Fehler nicht nur erlaubt, sondern erwünscht sind «sometimes you win, sometimes you learn» (John C. Maxwell). Zweitens auf Ebene des Teams: Ohne Vertrauen, gegenseitige Wertschätzung, Reflexionskompetenz und psychologische Sicherheit in den Innovations­teams ist es schwer möglich, gemeinsam zu lernen, Fehler zu machen und kreativ zu sein. Und drittens auf der Ebene des einzelnen Mitarbeitenden: Nachhaltige Innovationen entstehen, wo Mitarbeitende tatsächlich den Kunden im Fokus haben, wo Mitarbeitende echtes Interesse am Kunden und seinen Bedürfnissen haben. Sie entstehen vor allem auch dort, wo Mitarbeitende eine Tätigkeit ausüben, die sie mit Sinn erfüllt und der sie gerne nachgehen.

Innovationsprozesse sind Transformationsprozesse und müssen auch als solche behandelt werden

Schaut man sich die gängigen Innovations-Phasenmodelle an, so enden diese häufig nach dem Test (siehe Abbildung 1). Die Implementierungsphase wird vernachlässigt. Die Einführung eines neuen Produkts oder einer neuen Dienstleistung im Unternehmen wird selten im Innovationsprozess diskutiert. Und wenn, dann eher von der technisch-fachlichen Seite oder aus der Kundensicht als von der Seite des Mitarbeitenden. Die Implementierung von neuen Produkten oder Dienstleistungen kann ein Change-Prozess sein, bei dem die Mitarbeitenden neue Kompetenzen, Verhaltensweisen oder Prozesse erlernen müssen. Es ist entsprechend mit Hürden, Widerständen und Bedenken seitens der Mitar­beitenden zu rechnen. Das Problem ist aber noch tiefgreifender. Schlussendlich möchten die meisten Unternehmen nicht nur einzelne Innovationen implemen­tieren, sondern Innovation als Teil der Unternehmens-DNA verankern. Dafür bedarf es eines Transformationsprozesses, welcher Strukturen, Verhaltens, Führungs­stile und Denk- sowie Arbeitsweisen umfasst. Dieser Transformationsprozess funktioniert nur, wenn er konzipiert und be­gleitet wird.

Innovation wird outgesourct

Aufgrund von fehlenden internen Ressourcen und Kompetenzen beauftragen die Unternehmen manchmal externe Be­ratungen, um für sie Innovationen zu ent­wickeln. «Macht ihr mal!». Der Berater begleitet den Innovationsprozess nicht, sondern kommt mit einer Anzahl vereinbarter Ideen zum Unternehmen zurück. Warum ist das problematisch?

  • Das Know-how und die langjährige Erfahrung der Mitarbeitenden können nicht einfliessen.
  • Wenn die Mitarbeitenden in der Analysephase nicht selbst mit ihren Kunden sprechen oder diese beobachten, sondern der Berater die Kundenbefragungen übernimmt, lernen die Mitarbeitenden die Kunden nicht besser kennen. Ihnen fehlt damit auch das Verständnis, welche Erkenntnisse die Basis für die neuen Innovationsideen sind. Die Mitarbeitenden können dann auch nicht aus Sicht der Kunden argumentieren beziehungsweise in der Sprache der Kunden sprechen und so das neue Produkt/den neuen Service kundenspezifisch verkaufen.
  • Wenn die Innovationsidee nicht aus den Reihen der Mitarbeitenden kam oder von diesen mitentwickelt wurde, kann die Akzeptanz dafür wesentlich geringer sein (man spricht vom Not-invented-here-Syndrom).

Internen Innovationszentren fehlen interne wie externe Vernetzung und Führungsunterstützung

Laut einer Studie von Capgemini haben derweil eine Vielzahl von Unternehmen ein Innovationszentrum. Jedoch geben nur 17 Prozent der fast 2000 Befragten an, dass bei ihnen Innovation auch aus­serhalb dieser Innovationszentren entstünde. Innovationszentren beziehungsweise Innovationsbeauftragte sind oft dezentral und nicht je Geschäftsbereich im Organigramm aufgehängt. Die Zusammenarbeit mit Externen (Kunden, Zulieferern und Hochschulen), aber auch die interne Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Geschäftsbereichen wird dort nicht häufig unterstützt. Nicht selten fehlen Entscheidungskompetenzen, Legitimation oder Unterstützung aus der Geschäftsführung.

So hart und motiviert man dort auch arbeitet, die Innovationseinheit fristet dann oft ein Dasein als interner Serviceprovider. Als solche kann diese zwar anbieten zu unterstützen, aber echte Veränderung von Arbeitsweisen, Prozessen und Änderung des unternehmensweiten Umfelds hin zu einer innovationsoffenen und fehlerfreundlichen Kultur sind aus dieser Position kaum zu erwirken. Es braucht Führungsunterstützung aus allen Geschäftsbereichen, die dafür sorgt, dass die Innovation nicht nur Auftrag des Innovationszentrums ist, sondern jeder Geschäftsbereich seinen Beitrag leistet.

Stufenmodell für Innovation

Zunächst einmal macht es Sinn, sich klar- zumachen, dass Innovationsinitiativen auf verschiedenen Stufen stattfinden können. Die Autoren haben dazu das «Stufenmodell von Innovation Facilitation» entwickelt (siehe dazu die Abbildung 2). Auf der untersten Stufe wird dem Unternehmen eine Innovationsspritze verabreicht, deren Wirkung jedoch schnell verpuffen kann. Auf der obersten Stufe wird Innovation als ein Kernelement der Unternehmenskultur und in der DNA eines Unternehmens Schritt für Schritt verankert, sodass der Innovationsfluss nicht wieder versiegt. Je höher ein Unternehmen die Treppe hinauf möchte, desto mehr Veränderungsaufwand muss es betreiben und desto mehr Zeit sowie Ressourcen muss es veranschlagen.
 
Der zentrale Aspekt in dem Stufenmodell ist, dass die Haltungen, die Methoden und die Prozesse des Design Thinkings (beziehungsweise des Service Designs) verknüpft werden mit den Haltungen Prozessen und Methoden aus der Organisationsentwicklung sowie dem Changemanagement. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle auch, dass die Innovations- und die Changeprozesse Hand in Hand gehen sollten und dass das Potenzial, welches in der Verknüpfung von beiden Fachrichtungen liegt, derzeit noch (viel zu) selten gehoben wird.

Porträt