Es stimmen wohl alle überein, dass das Einbringen unterschiedlicher Perspektiven wichtig ist, um fundierte Entscheide treffen und innovative Lösungen finden zu können. Denn denken alle stets gleich – so das von uns verinnerlichte Argument –, kommt es zu Betriebsblindheit und einer von der Realität abgehobenen Unternehmensführung. Wir wollen also, dass es in unserem Unternehmen unterschiedliche Meinungen und Perspektiven gibt, und wir wollen, dass diese zum Gewinn des Unternehmens aktiv genutzt werden. Wir wollen deshalb die Diversität in unserem Unternehmen fördern und nutzen.
Umgang mit Unterschieden lernen
Doch wollen wir dies wirklich? Denn ist Diversität einmal im Unternehmen vorhanden, merken wir schnell, dass unterschiedliche Perspektiven die eigene Meinung infrage stellen und Entscheidungs- und Entwicklungsprozesse aufwendiger und zeitintensiver machen. Wir merken, dass der Umgang mit Unterschieden unbequem sein kann, und vielleicht sogar, dass Diversität einem Unternehmen mehr schaden als nutzen kann. Dann, wenn bestehende Unterschiede dazu führen, dass das uns Trennende mehr Bedeutung gewinnt als das Verbindende, und man aufhört an gemeinsamen Zielen zu arbeiten. Sollten wir also den Wunsch nach mehr Diversität hinterfragen? Nein. Denn Studien belegen die positive Wirkung von bestehender Diversität auf Entscheide, Lösungsfindungsprozesse und Unternehmen insgesamt. Doch reicht der blosse Wille zur Diversität nicht aus, denn der Umgang damit ist nicht banal. Es muss eine Kompetenz zum konstruktiven Umgang mit Diversität im Berufsalltag erarbeitet werden. Die nächsten Zeilen sollen dazu inspirieren, den konstruktiven und eventuell neuen Umgang mit Diversität im Unternehmen zu finden.
Wichtig ist zunächst die Feststellung, dass uns die Unterschiedlichkeit gemein ist. Im Kern sind wir alle einzigartig (und deshalb unterschiedlich), unsere ureigene Persönlichkeit beeinflusst unser Tun. Aber auch persönliche Attribute wie Alter, Geschlecht, Herkunft sowie physische und psychische Bedingtheiten prägen uns. Neben diesen «inneren» und «unveränderlichen» Attributen wird unser Denken und Handeln auch von «äusseren» und «gewählten» Aspekten beeinflusst, wie Ausbildung, Berufserfahrung, Weltanschauung, Zugehörigkeiten sowie von der familiären Situation. Wenn wir hier von Diversität sprechen, so ist damit das Einbringen dieser Attribute und Aspekte in den Berufsalltag gemeint. Die gute Nachricht ist, dass der Umgang mit diesen Unterschieden im Berufsalltag kein Buch mit sieben Siegeln ist und von uns allen gut erlernt werden kann. Die Herausforderung ist allerdings, dass der konstruktive Umgang mit diesen Unterschieden niemandem angeboren ist. Soll heissen: Der Umgang mit Diversität kann gelernt werden, aber er muss auch gelernt werden. Niemand kann dies einfach so. Um sich einen konstruktiven Umgang mit Diversität anzueignen, hilft es meines Erachtens, die folgenden vier Schritte zu berücksichtigen:
Vier Schritte des Umgangs mit Diversität
Der erste wichtige Schritt zum konstruktiven Umgang mit Diversität ist schlicht die Zurkenntnisnahme der Tatsache, dass es tatsächlich Unterschiede gibt. Dies klingt banal, ist aber keineswegs selbstverständlich. Gerade im Berufsalltag vergessen wir dies leicht, weil der grosse Wunsch nach Erreichung des gesetzten Ziels den Eindruck entstehen lassen kann, dass wir nicht nur am Gleichen arbeiten, sondern tatsächlich alle gleich arbeiten. Auch führen Strukturen in vielen Unternehmen nach wie vor dazu, dass wir in der Regel nur mit ähnlich denkenden Menschen arbeiten, innerhalb unserer eigenen Silos. Um mit Unterschieden umgehen zu können, braucht es Transparenz, welche Unterschiede überhaupt bestehen. Es braucht Austausch und Zeit, um die verschiedenen Perspektiven vorstellen und erklären zu können. Es braucht regelmässige Interaktion im Arbeitsalltag, auch über Team- und Abteilungsgrenzen hinweg. Das Unternehmen und die Mitarbeitenden müssen eine zumindest grobe Landkarte im Kopf entwickeln, wer warum wie (anders) denkt.