Forschung & Entwicklung

Interne Krisenkommunikation

Herausforderungen, Ziele und Lösungsansätze

Die Medienarbeit in einer Krise steht meistens im Fokus der Praxis und der Lehre. Die interne Krisenkommunikation wird oft vernachlässigt oder ganz ausgeblendet. Und gerade die internen Anspruchsgruppen spielen in der Krise eine Schlüsselrolle und sollen genauso prioritär behandelt werden.
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In der Krise können sich die Mitarbeitenden als anonyme Quellen bei den Medien melden oder die eigene Organisation öffentlich an den Pranger stellen. Sie arbeiten als Whistleblower mit Behörden und Medien zusammen, um Missstände aufzudecken, oder widersetzen sich den Bemühungen der Leitung, die Krisensituation zu bewältigen. Dies sind Ereignisse, die jede Organisation unabhängig ihrer Grösse treffen können.

Die Herausforderungen

Die beiden zentralen Aufgaben der internen Kommunikation sind, Vertrauen zu schaffen und das Engagement der internen Anspruchsgruppen zu stärken. Eine Krise, selbst verschuldet oder infolge eines externen Ereignisses, ist ein einschneidendes Ereignis, das die Reputation und die Existenz einer Organisation gefährdet. Auch wenn die Mitarbeitenden auf ihren Arbeitgeber stolz sind und sich mit den Werten und der Strategie identifizieren, empfinden sie in der Krise Unsicherheit, Enttäuschung und sogar Ärger. Sie fühlen sich angegriffen, brauchen mehr Informationen und persönliche Betreuung. Wenn die Organisation ihre Bedürfnisse vernachlässigt, dann wird das über Jahre aufgebaute Vertrau-en in wenigen Tagen verspielt.

Der Fokus der Praktiker sowie der Forschung liegt auf der Krisenkommuni­kation mit externen Anspruchsgruppen wie Medien, Kunden und Kapitalmarkt. Es wird selten behandelt, was innerhalb einer Organisation in der Krise passiert und wie die Kommunikation zwischen dem Management und den Mitarbeitenden erfolgt. Genau diese Themen sind Gegenstand der internen Krisenkommunikation. Die Vorbereitung einer internen Krisenkommunikation ist mit praktischen Herausforderungen verbunden:

  • Wenn eine professionelle interne Kommunikation fehlt, ist es sehr schwierig, diese während der Krise aufzubauen.
  • Die Mitarbeitenden und das Management spielen in der Krise eine Schlüsselrolle, von ihrem Engagement und ihrer Vorbereitung hängt die Bewältigung der Krise ab.
  • Die Umsetzung der internen Krisenkommunikation ist eine zentrale Führungsaufgabe, die eine enge interne Zusammenarbeit bedingt.

Kommunikation als Grundlage

Die interne Kommunikation und somit die interne Krisenkommunikation sind grundsätzlich von der Organisations­grösse und der Organisationsstruktur sowie von der Branche abhängig. Nicht nur die Anzahl der Mitarbeitenden, der Abteilungen und der Hierarchiestufen, sondern auch die Personalzusammensetzung oder die Personalheterogenität prägen die Inhalte sowie die Organisation der internen Kommunikation. Darum sind die Kommunikationskulturen in einem exportorientierten mittleren Industrieunternehmen im Familienbesitz oder in einem lokal verankerten Handwerkerbe­trieb beziehungsweise in einem wissensorientierten Dienstleistungsunternehmen sehr unterschiedlich.

In KMU ist die interne Kommunikation oft informell gestaltet. Flache Strukturen erlauben einen schnellen, unkomplizierten und persönlichen Informationsaustausch. Da die Ressourcen meist knapp sind, liegt die Kommunikations-Verantwortung auf den Schultern einer einzigen Person, des Geschäftsführers. Aufgrund der vielfältigen Aufgaben erfolgt die interne Kommunikation oftmals sporadisch und nach Bedarf. Kurze Entscheidungswege und eine familiär geprägte Unternehmenskultur kompensieren diese Defizite nur zum Teil.

Mit dem organisatorischen Wachstum nimmt auch der Koordinations- und Informationsbedarf zu. Generell kann Folgendes beobachtet werden: Je grösser eine Organisation ist, desto wahrscheinlicher liegt eine etablierte interne Kommunikation mit Strukturen, Verantwortlichkeiten und Instrumenten vor. Die Aufgabe der internen Kommunikation wird zwischen der Leitung, den Personal- und Kommunikationsverantwortlichen geteilt. Die erste Abbildung veranschaulicht die Elemente eines Konzeptes der internen Kommunikation.

Hoher Bedarf nach Leadership

Gerade in kleinen oder mittelgrossen Unternehmen ist die Identifikation mit den Unternehmenswerten und Führungspersonen unter den Mitarbeitern besonders stark. Eine Krise kann diese Werte im Grunde erschüttern. Je nachdem wie intern mit der Krise umgegangen wird, entscheidet sich, ob die Mitarbeitenden als Botschafter die Krisenbewältigung unterstützen oder als Widersacher die Krise verlängern und sogar beschleunigen. Um die internen Kommunikationsziele auf diese neue Situation anzupassen, muss das veränderte Verhalten der Mitarbeitenden und des Managements besser verstanden werden.

Ein Krisenereignis führt wie eine Spirale zu einem Zustand des dauerhaften Stresses für alle Beteiligten. Die Mitarbeitenden fragen sich, welche Auswirkungen die Krise auf ihre persönliche Situation hat. Das Vertrauen in Kollegen und Vorgesetzte schwindet und die Angst um den eigenen Arbeitsplatz und die Zukunft nimmt zu. Die resultierende Demotivation führt oft zum verstärkten Konkurrenz- und Sicherheitsdenken und zu einer vergifteten Arbeitsatmosphäre. Wenn diesem gestiegenem Bedürfnis nach Informationen nicht mit entsprechender interner Kommunikation begegnet wird, dann kommt es unausweichlich zu längeren unproduktiven Zeiten. Das Tagesgeschäft liegt brach. Die Krise wird zum dominierenden Thema und die Organisation beschäftigt sich mit sich selbst.

Selten ist der Bedarf nach Leadership grös­ser als in der Krise. Die Unternehmensführung ist einer mehrfachen Belastung ausgesetzt. Einerseits ist die eigentliche Krise zu bewältigen, andererseits sind alle Anspruchsgruppen, auch die Mitarbeitenden, zu betreuen. Die Unternehmensleitung ist die Projektionsfläche für interne Ängste, Ärger und Enttäuschung. Die Führung in der Krise ist ohne fachliche und psychologische Vorbereitung schwierig zu meistern.

Die Überforderung und der gefühlte Kontrollverlust können auch hier Angstzustände verursachen und zu Handlungsblockaden führen. Es ist eine besondere Herausforderung, die eigenen Gefühle im Gleichgewicht zu halten, auch wenn man in der Krisensituation oftmals emotional angegriffen und sogar gezielt provoziert wird. Angesichts dieser Verhaltensänderungen werden die Ziele der internen Kommunikation angepasst (siehe dazu auch die Abbildung 2).

Systematische Vorbereitung

Um diese Ziele erreichen zu können, ist eine systematische Vorbereitung unabdingbar. Denn ein Leadership in der Krisensituation ist nur dann möglich, wenn die Führungspersonen sich ihrer Rolle bewusst sind. Ein Krisentraining für das mittlere und höhere Management sollte deshalb regelmässig stattfinden. Die Teilung der Verantwortung in einem mehrköpfigen Krisenteam kann sicherstellen, dass jeder Einzelne in einer solchen Situation entscheidungs- und handlungsfähig bleiben kann.

Durch eine wirkungsvolle Kommunikation kann auch das erschütterte Arbeitsklima stabilisiert werden. Eine offene «Fehler»- und «Risiko»-Kultur entsteht aber nicht über Nacht. Der Dialog über mögliche Risiken und kritische Themen ist dabei genau so wichtig wie die Reflexion über Fehler und die vorhandenen Kompetenzen. Auch der Umgang mit Whistleblowern und einer betriebsinternen Gerüchteküche kann vor einer Krise diskutiert und festgelegt werden.

Die Vorgehensweise

Eine effektive Krisenkommunikation ist ein kritischer Bestandteil eines professionellen Krisenmanagements, und zwar vor, während und nach einer Krise. Sie muss intern und extern eng abgestimmt sowie geplant sein. Eine Befragung in Schweizer KMU hat aber gezeigt, dass lediglich ein Drittel ein Konzept für die Krisenkommunikation hat. Noch seltener wird die interne Krisenkommunikation detailliert behandelt. Um solcherlei Defizite zu beheben, empfiehlt sich ein Vorgehen in drei Schritten:

Erstens, den aktuellen Stand der Kommunikation im eigenen Unternehmen kritisch überprüfen und diese Fragen beantworten: Sind Strukturen, Abläufe und Verantwortlichkeiten festgelegt? Sind die für eine professionelle Kommunikation notwendigen Ressourcen und Kompetenzen vorhanden? Ist Unterstützung durch externe Dienstleister notwendig? Wie bauen wir eine eigene Expertise in der internen Kommunikation auf?

Zweitens, die Krisenkommunikation vorbereiten: Definition von Krisenszenarien und Kommunikationsstrategien gegenüber den unterschiedlichen Anspruchsgruppen, Entscheiden über die Zusammensetzung und die Arbeitsweise des Krisenteams, Festlegen von Strukturen und Verantwortlichkeiten. Externe sowie interne Kommunikation werden dabei gleichwertig behandelt und aufeinander abgestimmt.

Drittens, schlüssige Konzepte sind nur der Anfang und dürfen nicht in der Schublade bleiben. Deshalb sind die definierten Abläufe sowie Kompetenzen regelmässig (semesterweise, jährlich) zu trainieren. Nur wenige Manager können eine langjährige und relevante Krisenerfahrung vorweisen. Durch Simulation von unterschiedlichen Krisenszenarien kann man sich gedanklich auf die Krise vorbereiten und wertvolle Routinen aufbauen. Zentrale Rolle dabei soll der Umgang mit den eigenen Mitarbeitenden spielen.

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