Forschung & Entwicklung

Human Resource Management

Herausforderungen für die strategische Personalplanung

Die Sicherstellung des Personalbedarfs wird zunehmend zum kritischen Wettbewerbsfaktor. Trends wie die Digitalisierung lassen sich ohne geeignete Fachkräfte nicht erfolgreich angehen. Der Beitrag beschreibt die Notwendigkeit einer strategischen Personalplanung und stellt ein Referenzmodell vor.
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Der durch den demografischen Wandel induzierte Fachkräftemangel erhält aufgrund der Digitalisierung zusätzliche Brisanz. Bereits heute ist es für Unternehmen, insbesondere für KMU, in einigen Bereichen nicht einfach, geeignete Fachkräfte zu finden. In einer aktuellen Befragung im grenzüberschreitenden Bodenseeraum sind 56 Prozent der Unternehmen nicht der Ansicht, dass die von ihnen benötigten Arbeitskräfte am Arbeitsmarkt verfügbar sind (Olbert-Bock et al. i. E.). Trends wie Agilität, Industrie 4.0 oder Digitalisierung von Geschäfts- und Wertschöpfungsmodellen lassen sich ohne geeignete Fachkräfte nicht erfolgreich angehen. Digitalisierung wird gerade dann positiv für alle Beteiligten ausgehen, wenn jeder darum besorgt ist, dass die relevanten Kompetenzen aktuell und künftig verfügbar sein werden. Die Sicherstellung des Personalbedarfs wird folglich zum kritischen Wettbewerbsfaktor (Stiehler et al. 2014).

Komplexe Probleme

Nicht nur für mittelständische Unternehmen stellt sich die Frage, wo sie mit Blick auf die Verfügbarkeit von Mitarbeitenden und Kompetenzen heute und in Zukunft stehen und was sie tun sollen, um die anstehenden Herausforderungen zu bewältigen. Eine notwendige Antwort ist jene, sich auf das «Wesentliche» zu konzentrieren und neben Rekrutierung verstärkt dazu überzugehen, sich den bereits im Unternehmen befindlichen Talenten und ihrer Entwicklung zuzuwenden.

Im Zuge der Digitalisierung sind Unternehmen zunehmend mit der Herausforderung konfrontiert, immer wieder neuartige Lösungen für komplexe Probleme zu finden, die eine gelingende Kooperation von Spezialisten erforderlich macht. Dabei setzen sich die Personen aus immer unterschiedlicheren Gruppen zusammen. Einige sind Angestellte, andere sind selbstständig, weitere gehören zu einem anderen Unternehmen und so weiter. Die Erforderlichkeit einer Handlungskompetenz in intelligenten, vernetzten Situationen setzt unter anderem ein permanentes Up Skilling in einzelnen Funktionen voraus.

Gleichzeitig geht man davon aus, dass einfachste Funktionen verbleiben, die mit einem Downskilling verbunden sein können. Bereits jetzt zeigt sich ein wachsender Mismatch zwischen den am Arbeitsmarkt benötigten und verfügbaren Kompetenzen in beide Richtungen (OECD 2015). Im Zuge einer Alterung der Bevölkerung nimmt das Arbeitsangebot grundsätzlich schneller ab als seine Nachfrage. Vor allem aber ist unklar, wie gut der Arbeitsmarkt Personen mit neuartigen Kompetenzen zur Verfügung stellen kann.

Personalressourcen, die für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens entscheidend sind, werden vermutlich am Markt immer seltener und teurer zu beschaffen sein. Dies birgt gerade für KMU erhebliche Risiken. Es ist offen, ob sie über die gleiche Attraktivität und Zahlungsfähigkeit verfügen, um dauerhaft in Konkurrenz zu Grossunternehmen um rare Fachkräfte zu treten. Sie müssen mehr und mehr aus den eigenen Reihen hervorgebracht werden.

Da Kompetenzen, die selbst entwickelt werden müssen, nicht von jetzt auf gleich zur Verfügung stehen, ist es wichtig, bereits heute zu wissen, was morgen fehlen könnte. Dann lässt sich der systematische Aufbau sowohl einer quantitativ als auch qualitativ ausreichenden Personalausstattung frühzeitig in Angriff nehmen. Ein «strategisch gefärbter Blick» auf die Belegschaft und frühzeitige Transparenz einer sich möglicherweise aufbauenden Fachkräfteknappheit im eigenen Unternehmen macht sie handhabbar (Hoffmann et al. 2013). Genau das ist die Zielsetzung der strategischen Personalplanung bzw. von «Strategic Workforce Planning».

«Strategic Workforce Planning»

Ziel der strategischen Personalplanung ist die frühzeitige Identifikation von Personalengpässen in einer dynamischen Betrachtung. Es geht darum, den Geschäftszweck über die Verfügbarkeit der notwendigen Personalressourcen zu sichern (Berendes et. al. 2011). Die strategische Personalplanung bildet eine notwendige Grundlage einer nachhaltigen und zielgerichteten Entwicklung der Personalressourcen über die richtigen Personalmassnahmen. Damit gemeint ist einerseits die prognostische Planung des künftigen Personalbestandes in quantitativer und grundlegender qualitativer Hinsicht: Berücksichtigt im «HR-Planungspuzzle» (siehe Abb. 1) werden Veränderung der Altersstruktur der Beleg-
schaft, aber auch des Personalbedarfs aufgrund von Änderungen der strategischen Unternehmensausrichtung, zum Beispiel hinsichtlich neuer Geschäftsmodelle und damit verbundenen Mengen- und/oder Qualifikationsanforderungen.

Die Verzahnung von Unternehmensstrategie und Personalressourcen stellt einen geeigneten Hebel zur Vorbereitung eines Unternehmens auf die Zukunft dar, da das rechtzeitige Erkennen möglicher Kapazitätsgrenzen ein proaktives Eingreifen erlaubt, um die Über- oder Unterdeckungsrisiken quantitativ und qualitativ sowie unter Kostengesichtspunkten sinnvoll zu managen.

Obwohl vielerorts zusehends erkannt wird, dass der Personalplanung in Zeiten demografischer Herausforderungen, angespannterer Arbeitsmärkte und immer dynamischerer Wettbewerbssituationen ein hoher Stellenwert zukommt, wird sie in vielen Unternehmen noch primär als operative, kurzfristige und quantitative Personalplanung verstanden. Ein Grossteil Schweizer Unternehmen steckt bei der professionellen Umsetzung von «Strategic Workforce Planning» in den Anfängen, wie dies eine PWC-Studie (Donkor et al. 2012), bei der 113 HR- und Linienverantwortliche aus der DACH-Region befragt wurden, zum Vorschein brachte.

69 Prozent der 2017 in einer Studie der Haufe Akademie beteiligten 168 deutschen Unternehmen beschäftigen sich laut Jäger et al. (2017) jährlich mit quantitativer und qualitativer Personalplanung – ein Zeithorizont, der für eine
qualitative Personalplanung zu kurz ist. Lediglich 35 Prozent der Unternehmen, die grundsätzlich Personalplanung betreiben, führen gemäss Jäger et al. (2017) im Weiteren eine strategische Personalplanung über fünf Jahre hinaus durch, für knapp zwei Drittel ist das Thema immer noch unbedeutend.

Schwierige Prognosen

Die Tatsache, dass sich das Themenfeld «Strategic Workforce Planning» noch nicht flächendeckend als Garant nachhaltigen Unternehmenserfolgs durchgesetzt hat, hat unterschiedliche Gründe. Hierzu zählen, dass oftmals dem Tagesgeschäft ein zu grosser Vorrang eingeräumt wird oder auch, dass die erforderliche HR-Kompetenz im Unternehmen noch nicht ausreichend ausgeprägt ist.

Die prognostische Ermittlung des quantitativen Personalbedarfs und die Identifikation künftiger qualitativer Anforderungen an Mitarbeitende gestaltet sich tatsächlich schwierig, da mit einem zunehmenden Planungshorizont auch die Ungewissheiten steigen. Umso mehr, je schneller sich Veränderungen ereignen und je ausgeprägter disruptiven Anteile sind. Auch können bestehende Verfahren einer strategischen Personalplanung alleine noch nicht Fragestellungen betreffend künftig erforderlicher Qualifikationen und Kompetenzen von Mitarbeitenden liefern. Damit die richtigen Strategien zur Sicherung der benötigten Fachkräfte mit zukunftsrelevanten Kompetenzen und Fähigkeiten formuliert werden können, gilt es, Personalplanung angemessen auf die Vorhaben des Unternehmens gerichtet anzulegen und ihre Ergebnisse mit einer adäquaten Interpretation zu verknüpfen. Sie liefern einen Beitrag zur nachhaltigen Überlebensfähigkeit eines Unternehmens.

Softwaregestützte Planung

Es sind vor diesem Hintergrund daher Instrumente gesucht, welche die Dynamik der Personal- und Geschäftsentwicklung aufgreifen und die Diskussion in der Geschäftsleitung möglichst ohne zusätzlichen Aufwand unterstützen. Vergleichsweise wenige Unternehmen verfügen über geeignete Softwarelösungen, die die dominierenden Excel-Lösungen (Jäger et al. 2017) erst nach und nach verdrängen.

Lineare Trendextrapolationen wie etwa mit bekannten Tabellenkalkulationsprogrammen greifen zu kurz. Eine moderne Planung berücksichtigt die Simulation von Szenarien. Denn keiner kann sagen, wie die Zukunft genau aussieht. Die Arbeit mit Szenarien bereitet jedoch auf mögliche zukünftige Zeitpfade bestens vor. Über die Abbildung von extremen Parameterausprägungen kann die Balance zwischen Personalbedarf und -bestand unter verschiedenen Geschäftsbedingungen betrachtet werden. Der Zugang zu einem simulationsbasierten Ansatz muss dabei nicht schwer sein, wie die Lösung HR Match von Dynaplan zeigt (siehe Abb. 2). Entwickelt mit den Erfahrungen über die erfolgreiche Einführung einer strategischen Personalplanung in Grossunternehmen, wie zum Beispiel bei der Lufthansa-Gruppe (Berendes et. al. 2017), bietet es als pragmatisches Denkwerkzeug einen Einstieg auch für mittelständische Unternehmen, der keinen grossen Implementierungsaufwand verursacht.

Schritt für Schritt wird der Anwender in dieser Lösung angeleitet. Die Vorbereitung beginnt mit der Bestimmung der bestehenden Mitarbeitergruppen, denn eine strategische Planung muss zunächst unabhängig von der Einzelperson erfolgen. Die strategische Personalplanung stellt das grosse Ganze, die Erfüllung des Geschäftszwecks, in den Vordergrund und nicht die Leistung des Einzelnen. Dazu werden Mitarbeitende zu gleichartigen Tätigkeiten zu einer Gruppe zusammengefasst. Die Gruppierung muss dabei nicht zwangsläufig der Aufbauorganisation folgen. An der Stelle der Mitarbeitergruppe hat sich in der Praxis auch der Begriff der «Jobfamilie» etabliert. Unter der Berücksichtigung von weiteren Merkmalen wie dem Alter und Annahmen über sonstige Abgänge wird die Entwicklung des Personalbestands ohne Zuführungs- und Entwicklungsmassnahmen in einem ersten Szenario simuliert.

Diese Erkenntnis über das Abschmelzen des Personalkörpers wird im Folgeschritt dem Personalbedarf gegenübergestellt. Der Personalbedarf wird dabei zum Beispiel über volumenabhängige Geschäftstreiber (Kunden oder Aufträge) sowie zugehörige Produktivitätsannahmen pro Job-Familie definiert. Dabei können Abhängigkeiten der Mitarbeitergruppen untereinander betrachtet oder Wachstumsraten angenommen werden. Es geht nicht um eine reine Fortschreibung der Personalbedarfe. Vielmehr sollen die personalwirtschaftlichen Auswirkungen der Unternehmensstrategie sichtbar gemacht werden. Die Annahmen lassen sich dabei für den Planer leicht über das bereitgestellte Simulationscockpit variieren und zeigen in weiteren Szenarien die zukünftigen Personallücken in einer Risikolandkarte (siehe Abb. 3) differenziert nach Jobfamilien auf.

Den Abschluss bildet die Ableitung der Massnahmen, welche einen Ausgleich erkennbarer Lücken ermöglicht. Damit entsteht ein Regelkreis über die Personallücke zurück zum neuen Personalbestand. Der Ansatz der Simulation unterstützt die Möglichkeit, Alternativen in der Beschaffung der benötigten Ressourcen zu explorieren und zu bewerten (zum Beispiel die zeitliche Wirkung beim Mix aus externen Einstellungen und internen Personalentwicklungen unter Berücksichtigung der erforderlichen Anlernzeiten. Die Konkretisierung von Strategien für die Rekrutierung und die Entwicklung sowie die Definition der Massnahmen schliessen direkt daran an. Zudem können Anpassungen auf der Seite der Geschäftsstrategie über einen zweiten Regelkreis auf die Personallücke wirken.

Kritische Erfolgsfaktoren

Die Geschäftsleitung, das HR, aber auch die Führungskräfte haben mit «Strategic Workforce Planning» einen wichtigen Stellhebel in der Hand, um die Belegschaft abgestimmt auf die Geschäftsstrategie systematisch weiterzuentwickeln. Die Erkenntnisse aus den strategischen «Workforce Plannings» ermöglichen Unternehmen unter anderem:

  • bei Zusatzbedarf rechtzeitig Mitarbeitende aus dem externen Arbeitsmarkt anzuwerben,
  • neuartige Lösungen zur Deckung entstehenden Personalbedarfs zu erwägen und aufzubauen,
  • intern qualifizierte Fachkräfte mit Potenzial früh genug für Schlüsselstellungen weiterzuentwickeln,
  • für künftig relevante Funktionen entsprechende Kompetenzen in der Belegschaft zu entwickeln,
  • sich als Gesamtorganisation rechtzeitig für künftige Anforderungen zu rüsten / sich fit für die Zukunft zu machen,
  • das Unternehmen fundiert, systematisch und strategiekonform in die Arbeitswelt der Zukunft zu führen.

Um eine strategiekonforme Personalplanung zu ermöglichen, bedarf es einer Verzahnung der Unternehmens- sowie der Personalplanung, einen kontinuierlichen Austausch seitens der Personalabteilung mit den verschiedenen Unternehmensbereichen sowie einer engen Kooperation mit den verschiedenen Führungskräften. HR-Verantwortliche sollten ein Problembewusstsein erzeugen und sich nicht scheuen, das Management auf die Notwendigkeiten eines strategischen «Workforce Plannings» hinzuweisen. Sie können so ihre Rolle als strategischer Partner für das Geschäft stärken.

Der hier vorgestellte Ansatz trägt zu einer Versachlichung der Diskussion über zukünftige Personalbedarfe bei und bietet ein datengestütztes Referenzmodell, das das vielzitierte «Bauchgefühl» ergänzt. Denn das Vorgehen mithilfe der Simulation von Szenarien darf nicht mit dem Blick in eine Glaskugel verwechselt werden. Es ist klar: Wir wissen nicht, wie die Zukunft aussieht. Aber eine strategische Personalplanung hilft, sich auf mögliche, zukünftige Entwicklungen vorzubereiten. Jene unlieben Überraschungen, die den Erfolg der Unternehmung gefährden können, indem auf einmal die notwendigen Personalressourcen fehlen, lassen sich über eine vorausschauende Personalarbeit vermeiden.

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