Forschung & Entwicklung

Blick aus der Wissenschaft

Handelskriege und Schlachten

Natürlich ist Chinas Wirtschaftsgebaren weit davon entfernt, als offen und fair bezeichnet werden zu können. Doch der von US-Präsident Donald Trump angezettelte Handelskrieg wird darauf langfristig nicht die richtige Antwort sein.
PDF Kaufen

Donald Trump hat seinen Wählern versprochen, den aus seiner Sicht unfairen Chinesen eine Lektion zu erteilen, sprich, diese dazu zu bewegen, ihre Handelsüberschüsse gegenüber Amerika in einen mehr oder weniger ausgeglichenen Zustand zu bringen. Einmal davon abgesehen, dass kein Amerikaner gezwungen wird, einen billigen Fernseher aus chinesischer oder einen teuren Mercedes aus deutscher Produktion zu kaufen und so zum Handelsungleichgewicht beizutragen, stellt sich die Frage, ob Trump mit seiner Zollpolitik auf chinesischen Waren den von ihm provozierten Handelskrieg gewinnen kann. 

Chinas Handelspolitik

Trumps Narrativ, dass der Handelskrieg mit der Volksrepublik einfach zu gewinnen sei, bezieht sich auf die Tatsache, dass China für etwa 505,6 Milli­arden USD 2017 Waren in die USA exportierte, die mit Zöllen belegt werden können, während China 2017 kaum mehr als für 130,4 Milliarden USD an Waren von den Amerikanern bezog. Anders ausgedrückt, Trump kann schlicht ein höheres Volumen mit Abgaben versehen als die Chinesen. Aus Trumps Sicht sind die USA für China als Absatzmarkt bedeutender als umgekehrt und die chinesische Wirtschaft entsprechend verwundbar. Davon ausgegangen, dass China tatsächlich «klein beigibt» und sich die Handelsbilanzen der beiden Supermächte wie von Geisterhand angleichen – also die Amerikaner statt Waren aus China vermehrt Produkte aus eigener Produktion kaufen –, ist die Frage zu stellen, ob Trump sein «Ziel» erreicht; den Handelskrieg und nicht nur eine Schlacht gewinnt? Diese Frage lässt sich nicht einfach beantworten, denn das «Ziel» der Amerikaner ist nicht so klar, wie es scheint.
 
Trump wird nicht müde, das Geschäftsgebaren Chinas als unfair zu bezeichnen. In diesem Punkt stimmen dem Präsidenten wohl viele andere Regierungen zu. Dass China die aus dem Verkauf von Billigfernsehern erwirtschafteten US-Dollar dazu nutzt, Schweizer und deutsche Mittelständler und deren Know-how aufzukaufen, kann man als unfair wahrnehmen, weil es ausländischen Unternehmen in vielen Branchen verwehrt ist, in China auf Einkaufstour zu gehen. Meist schreibt China ausländischen Investoren vor, dass diese nur eine Minderheit an chinesischen Unternehmen oder Joint Ventures halten dürfen, und diskriminiert internationale Investoren auf dem Heimatmarkt. 

Angesichts des chinesischen Dumpings – durch staatliche Subventionen für bestimmte Industriezweige, mit dem Ziel, die auswärtige Konkurrenz auszuschalten  – kann der Volksrepublik China mit Recht der Titel einer «offenen und fairen Marktwirtschaft» abgesprochen werden. Darüber hinaus – und seit vielen Jahren bekannt und beklagt – verletzt die Volksrepublik intellektuelle Eigentumsrechte. Es ist also richtig und wichtig, sich gegen die merkantilistische Wirtschaftspolitik Pekings zur Wehr zu setzen.

Aufstieg Asiens ist nicht zu verhindern

Fragwürdig ist, ob wahllose Zölle auf alle Waren aus China der richtige Ansatz sind, um die Spielregeln auf dem Heimatmarkt Chinas zu verändern. Vielleicht befürchtet Trump, dass der Konkurrent früher oder später die Vormachtstellung Amerikas beendet. Zweifelsohne ist China, was Grösse und Demografie angeht, den USA trotz jahrzehntelanger «Ein-Kind-Politik» überlegen. Die von der Zentralregierung ausgerufene Agenda 2025, die eine umfassende Aufwertung der chinesischen Industrie zum Ziel hat, mag kaum zur Beruhigung Trumps beitragen. China hat strategische Schlüsselindustrien identifiziert (künstliche Intelligenz, Bio­medizin, Elektromobilität usw.), von denen angenommen wird, dass sie die Zukunft massgeblich beeinflussen. So oder so – realistisch gesehen lässt sich der Aufstieg Chinas, oder besser der Aufstieg Asiens, verzögern, aber schwerlich verhindern. Davon ausgegangen, dass Trump die Vormacht Amerikas und, wenn man es grosszügig betrachtet, die Vormacht des Westens möglichst lange sichern möchte, stellt sich eine weitere Frage: Ist sein politisches Handeln diesem Ziel förderlich oder nicht? Oder anders gefragt: Sollte Trump die Schlacht um die Handelsbilanz gewinnen, ist damit der Krieg um die Vorherrschaft entschieden? 

Würde Amerika den angezettelten Krieg mit Verbündeten führen, hätte dieser vielleicht Erfolgsaussichten. Ohne Zweifel empfinden auch die Europäer die Restriktionen der Zentralregierung als unfair und dem Westen kann es nicht gelegen kommen, wenn Amerika als Leuchtturm für freien Handel ausfallen sollte. Auch in Asien hätte Trump «natürliche Verbündete». Allen voran den Japanern sind der schnelle Aufstieg und die Dominanz Chinas nicht geheuer. Südostasien – Thailand, Burma, Vietnam usw. – hat kaum eine andere Wahl, als den chinesischen Drachen zu respek­tieren. Klar ist aber, dass das Reich der Mitte für alle asiatischen Länder einschliesslich Japans zum wichtigsten Exportmarkt aufgestiegen ist. Gegen China geht in Asien nichts mehr – und zugleich bedeutet dies, dass der Handel mit den USA für die chinesische Wirtschaft heute keine Überlebensfrage mehr darstellt. 

USA brauchen den Westen

Für den Westen schwer zu durchschauen ist, dass der vermeintliche Gegner nicht nur China als solches ist. Als Beispiel sei hier Thailand genannt, das über eine chinesische Minderheit von zirka 20 Prozent verfügt, welche wirtschaftlich das Land dominiert. Doch nicht nur in Thailand, in der gesamten Region Südostasiens sind die Chinesen die vorherrschende Wirtschaftsethnie. Diese Bürger mit chinesischen Wurzeln verstehen sich zwar als Bürger ihres jeweiligen Landes, trotzdem sind sie sich ihres kulturellen Erbes und ihrer chinesischen Wurzeln bewusst und stolz auf ihren kulturellen Ursprung. China wiederum weiss die Gunst der Stunde zu nutzen und investiert hohe Summen in die Infrastruktur der Asean-Länder und schafft so Fakten und Abhängigkeiten. Getrieben von der Befürchtung, es sich mit China zu verscherzen, und nach China die Nächsten zu sein, denen Trump den Krieg erklärt, schlagen die Länder Südostasiens und ihre Wirtschaftseliten sich mehr oder weniger offen auf die Seite Chinas. 

Obamas Strategie, unter anderen die Länder Südostasiens und Japan in eine transpazifische, westlich orientierte Partnerschaft einzubinden, hat Trump ohne Not durch Torpedierung des Handelsabkommens TPP (Trans-Pacific Partnership) beendet. Dass die Trump-Regierung neben China auch zugleich die europäischen Partner gegen sich aufbringt, kann mit Logik schwer vereinbart werden. Last, but not least kann man festhalten, dass China über Perioden von amerikanischen Wahlzyklen hinaus denkt und handelt. China versteht sich als traditionelle asiatische Supermacht, welche diese Rolle für ein kurzes Jahrhundert an den Westen abgegeben hat. Trumps Versuch, die Rolle Chinas in der Welt zu reduzieren und das Land mit einem Handelskrieg gegen alle zu schwächen, kann man im Lichte der Fakten durchaus als naiv bezeichnen. Ein vorläufiges Fazit könnte lauten: Die «America First»-Politik wird wohl eher den Aufstieg Chinas beschleunigen als verzögern. Amerika mag mit brachialen Mitteln die gegenwärtige Handelsschlacht gewinnen, der Krieg um die Vorherrschaft wird dagegen wohl verloren gehen. Doch dann wird Trump schon längst nicht mehr Präsident sein.

Prof. Dr. Claus Schreier ist Dozent für Interkulturelles Management an der Mahidol University in Bangkok, Thailand, und an der Hochschule Luzern – Wirtschaft. Als Consultant berät und unterstützt er KMU bei deren Internationalisierung.

Porträt