Forschung & Entwicklung

Blick aus der Wissenschaft

Geschichte wiederholt sich doch

Ein Beispiel aus der Geschichte zeigt, dass die USA aus einem Handelskrieg mit China nur kurzfristig als Sieger hervorgehen würden. Schon jetzt ist sicher wer den längeren Atem haben wird.
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Zu Beginn der 1980er-Jahre beklagten die Amerikaner schon einmal ein übermässiges Handelsdefizit mit einem asiatischen Land: Japan. Insbesondere die japanischen Automobilexporte waren der damaligen Reagan-Regierung ein Dorn im Auge. Allerdings scheuten sowohl die Amerikaner als auch die Japaner einen Handelskrieg und mit mehr oder weniger sanftem Druck erreichten die Amerikaner eine freiwillige Exportbeschränkung für Automobile. Die Japaner sagten zu, nicht mehr als 1,68 Millionen Fahrzeuge in die USA zu schicken. Infolge der freiwilligen Selbstbeschränkung fokussierte sich die japanische Automobilindustrie darauf, nicht mehr als 1,68 Millionen, dafür aber hochpreisige Qualitätsautos zu exportieren. Kurz gesagt, statt relativ günstige Autos in grosser Stückzahl in die USA zu senden, war die neue Strategie, den US-Markt mit Qualitätsautos unter anderem mit den Marken Lexus (Toyota) und Infinity (Nissan) zu erobern. Die Japaner, die mittlerweile «gelernt» hatten, wie man Automobile baut, etablierten einen neuen Qualitätsstandard, der die amerikanischen Automobilbauer alsbald deklassierte. Resultat der «freiwilligen» Exportbeschränkung waren höhere Preise und bessere japanische Autos für den US-Konsumenten, höhere Gewinne für die japanischen Firmen und ein noch grösseres Handelsbilanzdefizit für die USA. Kurz gesagt, es war zu spät, den Siegeszug der japanischen Automobilindustrie zu stoppen. 

Gegen Entbehrungen gewappnet

Geschichte wiederholt sich bekanntlich nicht, aber es ist trotzdem wahrscheinlich, dass sich auch der chinesische Drache nicht mehr einfangen lässt. Der Trump-Regierung steht mit China ein ungleich mächtigerer Gegner gegenüber als der damaligen Reagan-Regierung. Beispielsweise wird sich Trump 2020 dem Wählervotum stellen müssen, während Chinas Staatspräsident Xi Jinping wohl auf Lebenszeit im Amt bleiben kann, auch wenn er sein Volk auf Entbehrungen einstellen muss. Bleiben wir noch beim Thema «Entbehrungen». Chinas Bevölkerung ist – auch nach Jahren des Wirtschaftswachtums – wohl eher willig und fähig, den Gürtel enger zu schnallen, als die US-Konsumenten. Das liegt im Wesentlichen nicht etwa daran, dass der Durchschnittsamerikaner «verwöhnter» wäre, sondern dass in China das soziale Netz «Familie» eventuelle Härten abfedert. Während in den individualistisch geprägten USA die Menschen mehr oder weniger auf sich allein – beziehungsweise auf einen schwachen Sozialstaat – gestellt sind, können die Chinesen auf die Familie und das Guanxi-Netzwerk zurückgreifen. Dass chinesische Netzwerke sich auch unter schwierigsten Bedingungen bewähren, zeigt das Beispiel «Chinatown in Kuba». Nicht einmal das wirtschaftsfeindliche Castro-Regime hat es fertiggebracht, diese chinesische Exklave ernsthaft in Existenznot zu bringen. Es ist zweifelhaft, ob der amerikanische Wähler ebensolche Toleranz gegenüber Trump aufzubringen vermag, wenn dieser seinen Lebensstandard bedrängt sieht.

Loyale Bürger

Für Amerikaner mag es befremdlich klingen, aber wenn Chinas Regierung zu einem Boykott amerikanischer Waren und Dienstleistungen aufruft und die nationale Karte spielen würde, dann würden die Auswirkungen die USA hart treffen. Nach einem tragischen Schiffsunglück 2018 nahe der Ferieninsel Phuket in Thailand, dem 47 chinesische Touristen zum Opfer fielen, erwartete die Regierung Chinas neben einer Entschuldigung eine Kompensation vom thailändischen Staat für die Opfer. Der Verweis der thailändischen Regierung, dass die Reisegruppe von einem chinesischen Reiseführer begleitet und auch das gesunkene Schiff von einem chinesischen Unternehmen in Thailand betrieben wurde, kann man als empathielos würdigen, aber ein staatliches Versagen Thailands lässt sich dennoch schwer ausmachen. Der der thailändischen Zurückweisung folgende Aufruf chinesischer Institutionen, Reisen nach Thailand aus Sicherheitsgründen konsequent zu vermeiden, hatte für viele Monate zur Konsequenz, dass die Zahl der Besucher aus China, Thailands grösste Besuchergruppe, drastisch zurückging: Eine kleine, aber wirkungsvolle Machtdemonstration Pekings an die Adresse Thailands.

China steht technologisch auf eigenen Füssen 

Kommen wir zum gewichtigsten Argument. China ist heute schon technologisch so weit entwickelt und weitestgehend unabhängig, dass der Versuch Trumps, das Land zu treffen, indem man es von amerikanischer Spitzentechnologie ausschliesst, zu spät kommt. China hat mittlerweile selbst das Potenzial, Standards zu setzen. China ist schon lange nicht mehr nur die Werkbank des Westens und schliesst in grossen Schritten zu den sogenannten Innovation Driven Ecomomies auf. Zudem ist der Binnenmarkt Chinas gross genug, um eigene Standards duchzusetzen, und die heimischen Konsumenten geben, gerade was Technologie angeht, schon heute chinesischen Produkten den Vorzug. Diese Entwicklung wird sich durch die Trump-Politik eher bescheunigen als verlangsamen. Wie die Geschichte der japanischen Exportbeschränkung in den 1980er-Jahren zeigt: Wenn ein Staat versucht, die Entwicklung eines anderen durch Handelsbeschränkungen auszubremsen, setzt dort ein Substitutionsprozess ein. Indem Trump China zwingt, auf amerikanische Produkte und Technologie zu verzichten, wird China gezwungen sein, auf Autarkie zu setzen. Das ist erst mal nicht effizient und Trump zwingt chinesische Unternehmen in einen offenen Technologiewettbewerb mit den amerikanischen Konkurrenten. Chinas Unternehmen, wie beispielsweise Huawei, gehen dann durch ein Stahlbad. Der Smartphoneanbieter wird aktuell gezwungen, auf Teile des im Westen beliebten Google-Android-Betriebssytems mit vielen Google-Applikationen zu verzichten. Das mag einen herben Dämpfer für Huawei im Westen bedeuten. Vergessen geht dabei, dass in China die Smartphone-Welt eine andere ist. Wenn in China beispielsweise von Social Media und Messaging die Rede ist, meint man nicht Whatsapp, Twitter, Paypal oder Facebook. In China dominieren uns weitgehend unbekannte Applikationen von chinesischen Unternehmen – Wechat statt Whatsapp. Kurz gesagt, für jede westliche App, für jede Plattform existiert ein chinesisches Pendant. Diese sind oft mehr als simple Kopien amerikanischer Software, sind meist innovativer, facettenreicher und einfacher zu nutzen und durchaus geeignet, das Google-Software-Monopol auch im Westen zu bedrängen, sofern Huawei langfristig gezwungen ist, mit einem eigenen Betriebssystem und eigenen Apps im Westen Fuss zu fassen. Das Szenario scheint noch etwas weit hergeholt, aber das Beispiel Facebook zeigt, dass, während Whatsapp (eine 100-Prozent-Tochter von Facebook) mit Libra noch ganz am Anfang steht, Wechat schon lange einen erfolgreichen Bezahldienst anbietet. Nur logisch, dass man beispielsweise in Thailand vielerorts schon mit Wechat zahlen kann – was nicht nur chinesische Touristen erfreut. So werden Standards gesetzt.
 
Kein Zweifel, China hat nicht viel im Handelskrieg mit den USA zu gewinnen. Aber im Gegensatz zu Trump muss China den Handelskrieg auch nicht gewinnen. China muss «nur» sicherstellen, langfristig nicht zu verlieren. Trump hingegen hat vielleicht nur noch wenige Monate Zeit, den Wähler vom nahenden US-Sieg zu überzeugen. Die Zeit wird knapp – und vielleicht ist es schon zu spät, der chinesische Drache ist hellwach. Möglich, dass es ein Fehler ist, ihn zu reizen.

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