Forschung & Entwicklung

Blick aus der Wissenschaft

Gerüstet für die Post-Covid-Ära?

Während sich der Welthandel schnell erholt, fragen sich Schweizer KMU, wie sie die unternehmerischen Potenziale im internationalen Geschäft bestmöglich für sich nutzen können.
PDF Kaufen

Die Schweiz ist und bleibt eine sogenannte offene Volkswirtschaft: Defini­torisch ergibt die Summe aus Exporten plus Importen im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt einen im Vergleich mit anderen Ländern relativ grossen Anteil. Hier ansässige Unternehmen, aber auch Konsumentinnen und Konsumenten sind auf den Handel von Waren und Dienstleistungen mit dem Ausland angewiesen, Unternehmen unterschiedlicher Grösse engagieren sich über Investitionen im Ausland oder verfügen ihrerseits über ­internationale Investoren. Für die Beschaffung von Rohstoffen, Komponenten, Konsumgütern und Services oder als Vertriebs- und Absatzmärkte sind wir in der Schweiz auf einen globalen Handel von Waren und Dienstleistungen angewiesen. Dieser erfuhr im Verlauf der letzten 24 Monate eine ungewohnte Dis­ruption.

Eine besondere Herausforderung im internationalen Umfeld

In ihren unterschiedlichen Geschäftsbereichen sind Unternehmen von fast jeder Grösse heute über den ganzen Globus miteinander vernetzt – als Lieferanten und Kunden, als wechselseitige Dienstleister, in globalen Forschungsteams und Vertriebspartnerschaften. Durch die Pandemie waren viele Geschäftsaktivi­täten im internationalen Umfeld besonders ­betroffen: Plötzlich wurden Grenzen geschlossen, Reise- und Transportwege kurz­fristig unterbrochen und die Märkte im In- und Ausland zeigten bisher unbekannte Dynamiken in Angebot und Nachfrage. Vielen Unternehmen wurde erst dadurch so richtig bewusst, wie inter­national vernetzt ihr Geschäft inzwischen ist, wie stark der eigene unternehmerische Erfolg von Lieferanten, Kunden und Mitarbeitenden im Ausland abhängt.

Zur Überraschung vieler brach das internationale Geschäft trotz aller Einschränkungen aber nicht zusammen. Die oft seit Langem über Landes- und Kulturgrenzen persönlich gepflegten Beziehungen zu Mitarbeitenden und Geschäftspartnern bewährten sich auch bei virtuellen Treffen. Zeitweise unterbrochene Lieferketten konnten mit partnerschaftlichem Engagement, zusätzlichen Ressourcen und innovativen Ideen wiederhergestellt werden. Mancherorts wurden dadurch sogar schon länger geplante Verbesserungen in der Digitalisierung von Geschäftsprozessen oder strukturelle Vereinfachungen – erst aus der Not, dann aus Überzeugung – endlich umgesetzt. 

Im Jahr 2021 konnten in der Schweiz alle Branchen Zuwächse im Export verzeichnen: Nebst Chemie und Pharma meldet das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit auch für die Uhrenindustrie einen neuen Rekord und selbst die im Jahr 2020 besonders betroffene Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM) verzeichnet wieder Zuwächse.

Mittelfristig bieten sich neue unternehmerische Möglich­keiten

Noch befinden sich viele Märkte und ­Unternehmen in der Aufarbeitung der Pandemie und ihrer unmittelbaren Auswirkungen. Wie die Welthandelsorga­nisation WTO beobachtet, kehren Märkte und Regionen in sehr unterschiedlicher Dynamik zu den Handelsvolumina von vor der Pandemie zurück. In gewissen Branchen kann es noch Monate dauern, bis sich die Verfügbarkeit und die Preise von Rohstoffen normalisiert haben, bis Reise- und Transportwege wieder störungsfrei funktionieren. Wenngleich die WTO eine sogenannt V-förmige Erholung im internationalen Handel beobachtet, prognostiziert sie auch, dass bis Ende 2022 die Einbrüche insgesamt wieder kompensiert werden und sich der Wachstumstrend aus den Jahren 2011 bis 2019 fortsetzen wird.

Gleichzeitig bieten sich in vielen Be­reichen und Branchen gänzlich neue ­un­ternehmerische Möglichkeiten im in­ternationalen Geschäft: Gerade weil die Schweiz im Vergleich zu anderen Ländern mit weniger rigiden Einschrän­kungen zu kämpfen hatte, konnten viele Unternehmen hier den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten und ihre Präsenz an den internationalen Märkten stärken. Die grundlegenden Voraussetzungen eines kleinen Heimmarkts mit innovativen Unternehmen, wettbewerbsfähigen Produkten und Dienstleistungen sowie einem Hunger auf den internationalen Vertrieb bleiben für viele Schweizer KMU unverändert, wie Switzerland Global Enterprise in ihrem kürzlich veröffentlichten «Factsheet Innovationsstandort Schweiz» erneut unterstreicht. 

Und im immer heftigeren Kampf um gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte müssen auch künftig die besten Talente fürs eigene Unternehmen gewonnen werden – mit ihrer anerkanntermassen hervorragenden Lebensqualität ein klarer Standortvorteil für Unternehmen in der Schweiz. 

Wichtige Fragestellungen

In vielen Bereichen stellt sich also weiterhin die Frage, ob das internationale Geschäft nach der Pandemie so aussehen wird und so gestaltet werden soll wie vor der Pandemie. Welche Absatzmärkte sind denn künftig wirklich nachhaltig zu entwickeln? Welche Organisations- und Teamstrukturen sind für ein erfolgreiches internationales Geschäft nötig? Wie lassen sich die finanziellen und personellen Ressourcen zielgerichtet für die Entwicklung des internationalen Geschäfts künftig einsetzen?

Mit diesen und weiteren Fragen gehen spannende unternehmerische Gestaltungsmöglichkeiten einher, die für Unternehmen fast jeder Grösse unterschied­liche strategische und operative Auswirkungen haben werden. Umso wichtiger ist es, diese Entscheidungen in den kommenden Wochen und Monaten bewusst zu ­fällen, um die sich in der Post-Covid-Ära bietenden Möglichkeiten fürs eigene Unternehmen auch bestmöglich zu nutzen. Denn auch in einer nächsten Normalität wird globaler Fortschritt nur durch internationale Zusammenarbeit und interkulturellen Austausch erreichbar sein.