Die Ertragskrise ist besonders gefährlich und heimtückisch. Eine Ertragskrise vereint gewissermassen drei Krisen:
- das Resultat einer übersehenen oder verschleppten Strategiekrise;
- eine lähmende Führungskrise, oft spürbar als laufendes Kräfteringen und politisches Theater innerhalb der Eigentümerschaft, der Geschäftsleitung und möglicherweise der gesamten Organisation;
- ein Vorzimmer zur Liquiditätskrise und damit drohender Insolvenz durch Überschuldung oder Illiquidität.
Gefahr durch Verleugnung
Anzeichen einer Ertragskrise werden oft nicht ernst genommen, obwohl sie sichtbare Spuren in Erfolgsrechnung und Bilanz hinterlässt. In den meisten Fällen wird sie schlichtweg verleugnet; und im schlimmsten Fall wird sie sogar durch Zahlenspielerei und rhetorische Beschönigungen vertuscht. Gründe für die Gefährlichkeit sind vielfältig und treffen paradoxerweise gerade bei Unternehmen mit reichlich Substanz und einem guten Ruf im Markt und bei Banken auf fruchtbaren Boden. In einer solchen Konstellation kann das verführerische «Prinzip Hoffnung» lange wirken. Gerade bei etablierten, substanzstarken Firmen wird der Umstand zum Nachteil, dass es auch bei andauernden Phasen von negativen Cashflows keine rechtliche Verpflichtung für Sanierungsmassnahmen gibt. Erst wenn eine qualifizierte Unterbilanz (OR 725,1) vorliegt, muss der Verwaltungsrat von Gesetzes wegen reagieren, eine Generalversammlung einberufen und bei ihr angemessene Sanierungsmassnahmen beantragen. Damit ist der (haftungs-)rechtliche Teil auch schon erledigt, die Gefahr der Entwicklung in Richtung einer Liquiditätskrise jedoch kaum gebannt.
Das Heimtückische einer Ertragskrise zeigt sich am besten am Beispiel der Metapher des Frosches, der in einen Topf mit heissem Wasser geworfen wird. Er erkennt die Gefahr und springt sofort raus, mit seiner ganzen gebündelten Energie. Wird der Frosch aber in den gleichen Topf mit lauwarmem Wasser geworfen, verharrt er. Sicherlich fühlt er sich eingeengt und unwohl, aber die Situation ist – sprichwörtlich – nicht brenzlig. Er merkt nicht, dass das lodernde Feuer unter seinem Topf das Wasser langsam, aber stetig erhitzt und schliesslich zum Siedepunkt bringt.
Die Ertragskrise
Klassischerweise werden Ertragskrisen mit Merkmalen wie sinkende Umsätze, rückläufige Bruttogewinne, wiederholtes Nichterreichen des Budgets oder erhöhten Lagerbeständen umschrieben. Weitere Hinweise auf eine entstehende oder fortgeschrittene Ertragskrise finden sich in Kombinationen von:
- abwandernde Kunden
- steigende Reklamationsquoten
- sinkende Neukundenquote
- steigende Rabatte an Kunden
- steigende Betriebskosten (sehr häufig zu beobachten!)
- Erhöhung von Fremdkapital ohne sichtbare Investitionsaktivität
- sinkende Ausgaben für Innovation und (Ersatz-)Investitionen
- Auflösen von (stillen) Reserven und
- steigenden ausserordentlichen Erträgen
- Leistungsträger verlassen die Unternehmung
Letztlich äussern sich diese Merkmale in einer sinkenden Fähigkeit, Cashflow zu generieren. Sinkt der Ebitda – als vereinfachtes Mass der Cashflowgenerierung – stetig, müssen die Alarmglocken läuten. Bleibt der Ebit nur positiv, weil die Abschreibungen gesenkt wurden, schrillen die Alarmsirenen. Hier sprechen wir natürlich nicht mehr von Früherkennung der Ertragskrise, sondern von der notwendigen Bewältigung und der Prävention einer Liquiditätskrise. Monatliche Abschlüsse sowie die Erstellung einer Liquiditätsplanung werden je nach Grad der Entwicklung zwingend. Mehr zum Thema Krisenbewältigung im Teil 3 dieser Serie (Ausgabe 4-5/2019).