Nachhaltigkeit ist schon lange kein Nischenthema mehr, sondern entscheidend für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Neue gesetzliche Vorgaben, steigende Erwartungen von Banken, Kunden und Mitarbeitenden sowie wachsende regulatorische Anforderungen an Transparenz stellen insbesondere kleine und mittlere Unternehmen vor grosse Herausforderungen. Gleichzeitig eröffnen sich dadurch auch Chancen: Wer Nachhaltigkeit strategisch integriert, stärkt nicht nur seine Resilienz, sondern schafft auch Innovationen, neue Geschäftsmodelle und Wettbewerbsvorteile.
Resilienz und Innovation
Nachhaltigkeit ist heute ein zentraler Faktor für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen. Für KMU bedeutet das, ihre Geschäftstätigkeit so auszurichten, dass sie wirtschaftlich robust bleibt, rechtliche Anforderungen erfüllt und gesellschaftliche Verantwortung übernimmt. Entscheidend sind neben guten Produkten auch die Fähigkeit, Krisen zu meistern, sich anzupassen und Chancen zu nutzen.
Das gelingt nur, wenn drei zentrale Elemente zusammenspielen:
- Resilienz bedeutet Stabilität: KMU müssen Schocks wie Lieferkettenprobleme aufgrund globaler Entwicklungen wie Covid-19-Pandemie oder Ukraine-Krise, Energiekrisen oder neue Handelsbarrieren überstehen und schnell wieder leistungsfähig werden.
- Innovation schafft Chancen: Agile Geschäftsmodelle, innovative Produkte und Kreislaufprozesse verbinden ökologische, soziale und wirtschaftliche Aspekte.
- Stakeholder-Orientierung bildet die Basis: Wer Erwartungen von Kunden, Mitarbeitenden, Banken oder Regulatoren integriert, stärkt Vertrauen und Legitimität.
Für KMU, die aktuell nur indirekt von regulatorischen Anforderungen betroffen sind, ist Nachhaltigkeit kein Compliance-Projekt, sondern Teil der Unternehmensstrategie. Sie stärkt die Widerstandsfähigkeit, eröffnet Geschäftschancen und verbessert die Beziehungen zu wichtigen Anspruchsgruppen.
Rechtliche Anforderungen
Die Regulierung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung entwickelt sich in der EU, der Schweiz und den USA dynamisch – getrieben von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Mit dem Omnibus-Verfahren will die EU die Berichtspflichten (CSRD, CSDDD) vereinfachen: Weniger Unternehmen sollen berichten und die Sorgfaltspflicht wird voraussichtlich auf Tier-1-Lieferanten begrenzt. Die Schweiz hat Anpassungen ausgesetzt, bis die Reform in der EU abgeschlossen ist.
Die Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Schweiz stützt sich auf das Obligationenrecht (OR 964a ff.), die Klimaberichterstattungsverordnung sowie die Verordnung über Sorgfaltspflichten bzgl. Konfliktmineralien und Kinderarbeit (VSoTr), das Klima- und Innovationsgesetz (KIG), das CO₂-Gesetz sowie Standards wie TCFD. Grosse Unternehmen müssen u. a. Klimarisiken, CO₂-Ziele, Massnahmen und deren Wirksamkeit offenlegen – aktuell noch nach dem Prinzip «Comply or explain». Neben der ESG-Berichterstattung rückt auch die Produkt-Compliance in den Fokus. In der EU umfasst sie nicht mehr nur Sicherheit, sondern auch Nachhaltigkeit, Transparenz und Kreislauffähigkeit.
- Batterieverordnung (EU 2023/1542): Seit 2023 in Kraft, mit Vorgaben zu CO₂-Fussabdruck, Inhaltsstoffen, Recycling und Reparierbarkeit (ab 2027 Pflicht zur Entnehmbarkeit von Gerätebatterien).
- Ökodesign-Verordnung (ESPR, 2024): Ersetzt die alte Richtlinie und gilt für alle Produktgruppen, regelt Mindestanforderungen bez. Energie- und Ressourceneffizienz, inkl. Reparierbarkeit, Materialeffizienz, Recyclingfähigkeit und Software-Wartung.
- Digitaler Produktepass (DPP): Zentrales Element der ESPR; wird ab 2027 schrittweise für verschiedene Produktgruppen wie Batterien, Textilien und Elektronik eingeführt; via QR/NFC abrufbar mit Informationen zu Rohstoffen, Energieverbrauch, CO₂, Reparierbarkeit und Ersatzteilen.
Die Schweiz orientiert sich an der EU, geht aber weniger weit. Exportorientierte KMU müssen sich faktisch an EU-Vorgaben halten, auch wenn das Schweizer Recht (noch) weniger weit reicht, da betroffene Kunden die Transparenzanforderungen in der Regel an ihre Lieferanten weiterreichen. Dadurch sind auch KMU betroffen, die Teil der Lieferkette berichtspflichtiger Unternehmen sind.
Nachhaltigkeitstransparenz
Nachhaltigkeitsberichterstattung wird zunehmend Teil unternehmerischer Transparenz. Auch wenn viele KMU formal (noch) nicht unter die strengen Berichtspflichten der EU oder des Schweizer Obligationenrechts fallen, sind sie indirekt betroffen – beispielsweise durch Kunden, Banken oder Investoren, die ESG-Daten verlangen.
Transparenz bezüglich Nachhaltigkeit ist zum strategischen Erfolgsfaktor geworden. Um Nachhaltigkeitsrisiken und Chancen erkennen und steuern zu können, ist eine systematische Analyse der ESG-relevanten Aspekte entlang der Wertschöpfungskette nötig. Sind die wesentlichen Aspekte identifiziert, müssen geeignete Messgrössen und Kennzahlen definiert werden, um sie systematisch zu steuern:
1. Governance und Strategie
Die Führung legt die Richtung fest. Eine klare, in die Gesamtstrategie eingebettete Nachhaltigkeitsstrategie bildet die Basis für wirksames Risikomanagement und die Nutzung von ESG-Chancen.
2. Organisation, Rollen und Kultur
Nachhaltigkeit ist keine Einzelaufgabe. Zuständigkeiten müssen definiert und eine Kultur der Transparenz etabliert werden.
3. Risikokategorien und Steuerung
Um ESG-Risiken sinnvoll steuern zu können, müssen sie zunächst klassifiziert werden. Physische Risiken sind in akute und chronische Risiken zu unterteilen. Transitionsrisiken beinhalten politische und rechtliche Risiken, technologische Risiken sowie Markt- und Reputationsrisiken.
4. Methoden
Für die Risikoidentifikation, -bewertung und -steuerung sind standardisierte Methoden erforderlich – von der Modellierung über Simulationen bis hin zur Szenarioanalyse.
5. Prozesse
Klare Abläufe sichern entscheidungsnützliche Informationen für interne Steuerungsbedarfe sowie die Erfüllung externer Transparenzanforderungen.
6. Technologie
Digitale Tools vereinfachen Datenerhebung, Konsolidierung und Berichterstattung.
Lieferkette transparent machen
Für KMU ist die Stabilität und Verlässlichkeit von Lieferantenbeziehungen ein Resilienzfaktor. Langfristig stabile und zuverlässige Lieferantenbeziehungen sind jedoch auch im Hinblick auf die CO₂-Bilanz von Vorteil, um Informationsflüsse steuern zu können. Denn Materialien, Vorprodukte und Transporte verursachen einen grossen Teil der CO₂-Emissionen und bergen Risiken bei Menschenrechten oder Umweltstandards. Auch KMU sollten daher von ihren Lieferanten systematisch Daten zu Rohstoffen, Rezyklatanteilen, Emissionen sowie zu Beschäftigungsverhältnissen und Sublieferanten verlangen. Bei globalen oder hoch diversifizierten Lieferketten bieten sich Scoping-Verfahren an, die eine pragmatische Datenerfassung erlauben.
Daten als Basis für Innovation
Nachhaltigkeitsberichterstattung sollte nicht bei regulatorischen Vorgaben enden. «Beyond Reporting» heisst, Daten strategisch für Effizienz, Wertschöpfung und Innovation zu nutzen. Wer ESG- und Finanzdaten verknüpft, schafft die Basis für ein integriertes, holistisches Reporting und fundierte Entscheidungen. Wirkliche Wirkung entsteht, wenn Daten über Compliance hinaus eingesetzt werden – etwa für Lebenszyklusanalysen, in der Produktentwicklung, für die Verbesserung der Kreislauffähigkeit oder innovative Geschäftsmodelle (siehe Abbildung 1).


