Vertrauen, Netzwerke und Swissness spielen die entscheidende Rolle für die ins Ausland expandierenden KMU. Zu diesem Ergebnis kommt eine Masterarbeit, die am Schweizerischen Institut für KMU (KMU-HSG) entstand. Befragt wurden dazu mehr als 200 Unternehmen aus der MEM-Branche.
Internationalisierung
Erfolgsfaktoren im Internationalisierungsprozess
Grüne Ampel für den Export
Wirft man einen Blick auf die Volkswirtschaft der vergangenen Jahre, wird klar: Ohne Exporte wäre die Schweizer Wirtschaft heute nicht dort, wo sie ist. Dabei zeigt sich, dass Schweizer Unternehmen, unabhängig von ihrer Grösse, global agieren. Die Verflechtung der Märkte und der Zulieferketten macht die länderüberschreitende Zusammenarbeit auch für KMU immer wichtiger. Für Inhaber der KMU gibt es schon lange nicht mehr nur Konkurrenz innerhalb der eigenen Landesgrenzen. Vielmehr müssen sich Unternehmen heute gegenüber Mitstreitern aus der ganzen Welt behaupten können. Wer zukunftsgerichtet denkt, der konzentriert sich auf diejenigen Wettbewerbsvorteile, die auch internationalem Druck standhalten.
Durch den Export wird der grösste Anteil der Internationalisierung erzielt. Direkter Export wird im Gegensatz zum indirekten Export, bei welchem ein zusätzlicher Agent im Ausland involviert ist, von Schweizer KMU generell vorgezogen.
Aktuell erfährt die MEM-Industrie einen Aufschwung, da wieder mehr exportiert und daher auch mehr Umsatz erwirtschaftet wird. Laut Hans Hess, Präsident des Branchenverbands Swissmem, stehen für die MEM-Industrie erstmals seit 2008 fast alle Ampeln wieder auf Grün. Dies zeigt sich vor allem im Export.
Export bedeutet jedoch nicht nur mehr Umsatzpotenzial, sondern bringt auch Herausforderungen mit sich. Diese lassen sich zusammenfassen mit preislicher Wettbewerbsfähigkeit, einem internationalen Wettbewerbsdruck und Innovationsfähigkeit. Solche Herausforderungen wirken sich vor allem auf exportorientierte Unternehmen stark aus. Nachhaltige, internationale Wettbewerbsvorteile sind deshalb unabdingbar.
Viele der Schweizer KMU sind bereits im Ausland tätig, doch es ist nicht einfach und auch kostenintensiv, in zusätzlichen Ländern Fuss zu fassen und Neukunden ausserhalb des bestehenden geografischen Marktes zu gewinnen. Ein Grossteil kleinerer Unternehmen schreckt trotz Umsatzeinbussen der letzten Jahre immer noch vor dieser Alternative zurück. Für beide Gruppen stellen sich die Fragen, auf welche Art und mit welchen Partnern ein neuer ausländischer Markt erobert werden kann.
Mehrstufiger Prozess
Steht die Entscheidung zugunsten einer Expansion fest und wurden die Folgen, Chancen und Risiken einer Internationalisierung gründlich analysiert, zeigt die Studie, dass ein KMU einen mehrstufigen Internationalisierungsprozess durchläuft.
In einem ersten Schritt steht das Unternehmen vor der Entscheidung, wie es in den neuen Markt eintreten möchte. Die Erfahrungen zeigen, dass über 78 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen innerhalb der MEM-Branche dazu den direkten Export wählen. Dieser wird auch als erfolgreichster Weg in andere Märkte angesehen. Eine knappe Minderheit macht ihre ersten Schritte ins Ausland durch den indirekten Export über Agenturen oder Absatzhelfer. Innerhalb der Branche bisher wenig etabliert haben sich Markteintritte mittels Franchising, Joint Ventures und Lizenzverträgen.
In jedem Fall steht fest: Wer ins Ausland expandieren möchte, muss in erster Linie zum ausländischen Kunden Beziehungen knüpfen, um den Auslandmarkt kennenzulernen und seine Produkte an die Bedürfnisse der ausländischen Nachfrage anzupassen. Hier können Kooperationen mit ausländischen Partnern hilfreich sein, da diese den ausländischen Markt bereits kennen und dort ein bestehendes Netzwerk an lokalen Partnern haben. Otto Hofstetter, CEO der Otto Hofstetter AG, sagt dazu: «Ehrlichkeit und das Kennenlernen der Kultur des Kooperationspartners sind wichtige Aspekte. Ich vertraue Dir bedeutet nicht in allen Kulturen das Gleiche. Man muss sich in persönlichen Netzwerken vorher erkundigen. Einfach so blind eine Kooperation einzugehen, ist aber nicht empfehlenswert. Und wer dafür keine Zeit hat, sollte es lassen. Denn dann geht es meistens schief.»
Die höchste Hürde, die es zu überwinden gilt, sind Direktinvestitionen im Ausland. Um in einem ausländischen Markt dauerhaft präsent zu sein, Transportkosten und Wechselkursrisiken zu minimieren und von Standort- und Imagevorteilen sowie einem besseren Ressourcenzugang profitieren zu können, richten Unternehmen im Ausland eigene Niederlassungen und Produktionsstätten ein und bauen ein Netzwerk mit lokalen Zulieferern und Partnern auf.
Bleibt die Frage, welche möglichen Gefahren eine Internationalisierung für ein Unternehmen mit sich bringt. Studien zeigen, dass mögliche Hindernisse während des Internationalisierungsprozesses aus bestehenden Gesetzen, Regulierungen und Vorschriften im ausländischen Markt bestehen. Wichtig ist es, auch die Kosten des Schutzes der eigenen Produkte mit einzukalkulieren.
Mögliche Risiken
Stefan Waller, ein am EuGH zugelassener Patentanwalt, weist auf den Zusammenhang zwischen Export, Innovationsfähigkeit und Schutzrechten hin: «Die Exportstärke eines Unternehmens hängt oftmals in entscheidendem Masse von seiner Technologie, den Innovationen und Erfindungen ab. Gerade sehr erfolgreiche Innovationen werden jedoch oft und schnell nachgeahmt. Je mehr der Markt-erfolg eines KMU von dessen Technologie abhängt, desto wichtiger ist es, diese durch gewerbliche Schutzrechte, insbesondere Patente, zu schützen. Dies ist in gewissem Sinn vergleichbar mit einer Versicherung, bei der für einen bestimmten Schutz eine bestimmte Summe als Prämie gezahlt werden muss.»
Neben den Patenten, welche technische Ideen schützen und die unerlaubte Verwendung durch Dritte verhindern können, bestehen als weitere Schutzrechte noch Marken, die den Handelsnamen eines Produktes schützen können, und Designs, die die Gestaltung eines Produktes unter Schutz stellen können. Des Weiteren können die Preise der Marktleistung sowie die Kosten der Internationalisierung für Schweizer KMU eine Herausforderung darstellen. Zu geringe verfügbare Zeitkapazitäten seitens der Geschäftsführung, ein fehlendes Netzwerk, kulturelle und sprachliche Defizite sowie mangelnde Kommunikation können dazu führen, dass ein Unternehmen bereits während der Expansion in Schieflage gerät.
Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit (Produktionsstandort Schweiz, Wechselkursveränderungen, u. a.) bereitet Schweizer Unternehmen die grössten Schwierigkeiten. Manche KMU-Unternehmer bringen deshalb unterschiedliche Produktlinien mit gestaffelten Preissegmenten und entsprechenden Qualitätsstandards unterschiedlicher Marken heraus.
In manchen Fällen zeigt sich, dass öffentliche Fördermöglichkeiten für die Gründung einer weiteren Niederlassung in Europa in Anspruch genommen werden. Gesetzliche Vorschriften und auch die nötige Informationsbeschaffung schrecken viele Unternehmen ab. Die wichtigsten Faktoren für eine erfolgreiche Internationalisierung scheinen genügend Zeit sowie das persönliche Engagement der Führung zu sein; eben das Netzwerk vor Ort.
Persönlichkeit und Erfahrung
Die Persönlichkeit und der Erfahrungsschatz der Entscheidungsträger von kleinen und mittleren Unternehmen spielen während des gesamten Expansionsprozesses eine entscheidende Rolle. Neben unternehmerischer Kompetenz sprechen Experten von intuitiven, vertrauensorientierten und netzwerkbasierten Faktoren, die im Rahmen einer Internationalisierung den Ausschlag geben. Mit der Kenntnis von ausländischen Märkten, der Vertrautheit mit fremden Kulturen, dem Beherrschen von Fremdsprachen, einem breiten Netzwerk an ausländischen Marktpartnern und hoher Reisebereitschaft sind Unternehmen – auch ohne umfangreiche Marktforschungsabteilungen – in der Lage, sich erfolgreich mit der Frage der Internationalisierung auseinanderzusetzen.
Am Ende ist es, wie die Ergebnisse der Studie zeigen, doch meistens die Intuition, welche die Entscheidungsgrundlage für oder gegen einen Eintritt in den ausländischen Markt bildet, der Schweizer Geschäftssinn, gepaart mit Swissness und Innovation.
Innovation und Swissness
Die MEM-Branche ist bekannt als eine der innovativsten Industrien der Schweiz. Das Konzept der Swissness stärkt die internationale Reputation jedes Unternehmens der MEM-Industrie, welches den Schritt in die Internationalisierung wagt. Es gab immer Vorreiter und Visionäre der Internationalisierung, welche sich auf dem internationalen Markt bereits etabliert haben – gerade eben auch aus der «kleinen Schweiz».
Diese Firmen haben den Weg für immer mehr KMU, welche die Internationalisierung vorantreiben, geebnet. Durch die gute Reputation, welche Schweizer Produkte aller Art im Ausland geniessen, öffnen sich immer noch einige Türen. Wobei auch andere Länder, wie beispielsweise Deutschland, sich in puncto Qualität immer mehr etablieren. Der traditionelle Imagevorsprung ist schmal und verlangt Engagement.
Innovation geht mit Swissness Hand in Hand. Schweizer Produkte werden mit Präzision, Effizienz und Qualität in Verbindung gebracht. Dies ist nur durch Innovation, das ständige Hinterfragen und Verbessern von Produkten und Prozessen möglich. Hans Hess, Präsident der Swissmem, erklärt, dass die Innovationskraft zwar wichtig sei, es aber vielen kleineren Unternehmen an finanziellen Mitteln fehlen würde. Es ist ein Appell an Investoren, wenn Hess sagt: «Nicht nur Start-ups benötigen Kapital, auch gestandene KMU brauchen Kapital, damit sie sich bietende Chancen nutzen können.»
Klein- und mittelständische Unternehmen in der Schweiz sind also prädestiniert dafür, auch im Ausland tätig zu sein. Durch ihre innovativen Produkte und Dienstleistungen sowie die gute Reputation von «Made in Switzerland»-Produkten stehen ihnen die Türen für die Internationalisierung offen. Der erfolgversprechendste Weg in internationale Märkte scheint im direkten Export und einem Management, welches bereits internationale Erfahrungen gemacht hat, zu liegen.
Die Studie
Die Studie wurde im Rahmen einer Masterarbeit von Marisa Wenk am Schweizerischen Institut für Klein- und Mittelunternehmen (KMU-HSG) erstellt. Dr. Heiko Bergmann & Prof. Dr. Urs Fueglistaller betreuten die Arbeit. Begleitender Partner war das Iconfi-Institut mit Dr. Eva-Eliane Tammena. Befragt wurden mehr als 200 KMU aus der MEM-Branche, 170 Unternehmen waren an der quantitativen Untersuchung beteiligt; qualitative Teilnehmer waren elf Mitglieder des Verbandes Swissmechanic.
Die Kurzzusammenfassung
Die Masterarbeit thematisiert die Internationalisierung von KMU in der MEM-Branche und die Nutzung von Kooperationen für die Internationalisierung. Daten des Swiss International Entrepreneurship Survey 2016 wurden auf die Frage, wie sich KMU der MEM-Branche internationalisieren, analysiert. Es konnte festgestellt werden, dass KMU der MEM-Branche primär europäische, nordamerikanische und nordostasiatische Märkte mittels direkt und indirektem Export bedienen. Ausserdem wurden qualitative In-terviews mit Mitgliedern des Verbandes Swissmechanic durchgeführt. In diesem Rahmen konnte ermittelt werden, dass KMU der MEM-Branche Kooperationen, meist Vertriebskooperationen, für die Internationalisierung nutzen. Unternehmen können von Kooperationspartnern vor allem in den Bereichen Marktwissen, Kundenstamm und lokalen Netzwerken profitieren.