Forschung & Entwicklung

Blick aus der Wissenschaft

Erfolgreich hybrid arbeiten

Präsenz ist nicht der bestimmende Referenzwert für erfolgreiches hybrides Arbeiten. Zentral für die hybride Zusammenarbeit sind andere Faktoren.
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Wir alle suchen immer noch nach der besten Lösung. Zwar ist das hybride Zusammenarbeiten für die meisten von uns Alltag geworden: Teilweise vor Ort arbeiten, teilweise aus dem Homeoffice oder von einem anderen Arbeitsort, Teile des Teams vor Ort sich treffend, Teile des Teams sich online zuschaltend. Die Varianten sind vielfältig; und genau das wird mit dem Wort «hybrid» ausgedrückt. Unternehmen suchen inmitten dieser Vielfalt aber nach wie vor nach geeigneten Vorgehensweisen, wie diese hybride Zusammenarbeit am besten organisiert werden soll. Bei der Suche danach steht zumeist im Vordergrund, wer wann und wie oft vor Ort präsent sein soll. Die Forschung zeigt jedoch, dass der Aspekt der Präsenz relevant ist, aber nicht der wesentliche Hebel. Um hybrides Arbeiten gut zu planen, braucht es vor allen Dingen einen Fokus auf den Arbeitskontext, auf die für digitale Kommunikation und Kollaboration genutzten Technologien und auf neue Kompetenzen, die hybrides Arbeiten erfordert.

Präsenz ist nicht der entscheidende Hebel

Wir kennen es aus unserem eigenen Berufsalltag, oder lesen regelmässig darüber: Es wird die Frage diskutiert, wer wie oft und für was vor Ort präsent sein muss; und in welchem Umfang eine virtuelle Zusammenarbeit über Distanz ausreicht. Oftmals werden dann prozentuale Regeln formuliert, das heisst, x Prozent der Arbeitszeit muss an Ort y gearbeitet werden. Dadurch soll ein Mindestmass an Präsenz erreicht werden. Dies mit der Annahme, dass Präsenz vor Ort zu einer höheren Interaktionsdichte führt – mit der impliziten Aussage, dass virtuelle Zusammenarbeit per se zu einer tieferen Interaktionsdichte führt – und die höhere Interaktionsdichte vor Ort wiederum zu besseren Arbeitsergebnissen. Aber stimmt denn das? Ist das Ausmass der Präsenz der zentrale Referenzwert? Die Forschung sagt nein. Zumindest zeigt sie, dass dies nicht der entscheidende Hebel ist.

Ich darf zusammen mit den Unternehmen Pleinert & Partner, Franke, Helvetas und Knauf das von der eidgenössischen Innosuisse mitfinanzierte praxisorientierte Forschungsprojekt «hyFiT» (hybride Führung internationaler Teams) leiten. In einem über 20-köpfigen Team beschäftigen wir uns mit Erfolgsvoraussetzungen für hybride Zusammenarbeit. Hierbei wird deutlich, dass es nicht in erster Linie darauf ankommt, wie oft vor Ort gearbeitet wird. Erfolgreiches hybrides Zusammenarbeiten hängt vielmehr von den Antworten auf folgende Fragen ab: (1) Wie passt der Unternehmenskontext zur jeweils gewählten hybriden Arbeitsform? (2) Haben wir die richtigen Technologien für die hybride Zusammenarbeit in diesem Kontext? (3) Haben wir die nötigen Kompetenzen für die hybride Zusammenarbeit in diesem Kontext?

Die richtigen Fragen stellen

Wie passt der Unternehmenskontext zur jeweils gewählten hybriden Arbeitsform? Die Antwort auf diese Frage fällt sehr unterschiedlich aus, eben abhängig von den Charakteristiken des unternehmerischen Kontexts, in dem man arbeitet. Deshalb ist es auch zumeist nicht hilfreich, sich anderswo Lösungen für das hybride Zusammenarbeiten abzuschauen. Vielmehr hilft es, den eigenen Kontext gut auszulotsen, indem man sich folgende Leitfragen stellt: Beinhaltet unsere Arbeit hauptsächlich die Entwicklung neuer Lösungen, anstatt bestehenden Arbeitsroutinen zu folgen? Können Teams und Mitarbeitende mehrheitlich selbständig entscheiden, wie sie Arbeitsziele erreichen wollen? Haben Teams und Mitarbeitende ein Mitspracherecht bei der Festlegung der Arbeitsziele? Kennen sich die Mitarbeitenden gut untereinander? Verfügen wir über die notwendige technologische Infrastruktur (zum Beispiel Hardware, Software, Bandbreite), um effektiv digital zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten? Ist in meinem Unternehmen bei Bedarf die schnelle Einführung neuer Technologien möglich? Gibt es in meinem Unternehmen klare Richtlinien und Regeln, wie man am besten mit digitalen Technologien kommuniziert und zusammenarbeitet? Unsere Forschung zeigt, dass je stärker all den zuvor genannten Fragen zugestimmt werden kann, umso stärker kann hybrides Zusammenarbeiten ohne Qualitätseinbussen virtuell und über Distanz stattfinden und umso weniger wichtig ist Präsenz vor Ort als Voraussetzung für den Arbeitserfolg. Präsenz vor Ort schadet natürlich auch nicht. Aber je stärker die oben genannten Fragen bejaht werden können, umso eher kann die Zusammenarbeit auch über Distanz und online organisiert werden, das heisst, umso flexibler kann eine Unternehmung in der Organisation hybrider Zusammenarbeit sein.

Der Anspruch an die richtigen Technologien

Als Nächstes stellt sich dann sofort die Frage, ob ein Unternehmen über die richtigen Kommunikations- und Kollaborationstechnologien verfügt, die gutes hybrides Zusammenarbeiten auch über Distanz ermöglichen. Hierbei geht es nicht darum, ob man Zoom statt Teams oder Mural statt Miro verwendet. Es geht vielmehr kategorisch darum, was die genutzten Technologien bezüglich dreier Dimensionen bieten: (1) Inwieweit erlaubt es die genutzte Informations- und Kommunikationstechnologie, uns untereinander auch über Distanz als Menschen wahrzunehmen, das heisst, inwieweit ermöglicht sie auch soziale Interaktionen und inwieweit ermöglicht sie neben der schriftlichen und verbalen Kommunikation auch non-verbale Kommunikation? (2) In welchem Ausmass erlaubt es die von uns genutzte Technologie, auch sehr komplexe Informationen darzustellen und schwierige Entscheide zu treffen, das heisst, inwiefern ist es uns möglich, über Distanz alternative Lösungsvorschläge auszuhandeln, als Team über das beste Vorgehen zu reflektieren oder Missverständnisse zu klären? (3) Wie einfach bedienbar ist die Technologie? Je stärker den Kontextfragen im Paragrafen zuvor zugestimmt wurde, umso mehr muss die genutzte Technologie hohen Ansprüchen über die drei Dimensionen hinweg genügen, das heisst, umso mehr muss die Technologie eine sogenannte «Soziale Präsenz» derjenigen, die über Distanz zusammenarbeiten, ermöglichen. Je stärker dies die Technologie aber tatsächlich ermöglicht, umso stärker kann die hybride Zusammenarbeit ohne Qualitätseinbussen auch über Distanz und mit wenig Präsenz vor Ort erfolgen. Hierbei ein sehr wichtiger zusätzlicher Hinweis: Natürlich reicht die Technologie per se nicht aus. Es braucht auch entsprechende Verhaltensweisen der Nutzung der Technologie, zum Beispiel dass soziale Interaktionen auch tatsächlich stattfinden, die im Rahmen der Technologie grundsätzlich möglich wären.

Kompetenzanforderungen an die Mitarbeiter

Mit dem Hinweis zu richtigen Verhaltensweisen kommen wir schliesslich zur Frage, in welchem Ausmass die Mitarbeitenden überhaupt über Kompetenzen verfügen, die für erfolgreiches hybrides Zusammenarbeiten nötig sind. Unsere Forschung zeigt hierbei acht Kompetenzanforderungen, die hybride Zusammenarbeit erfordert: (1) Die Kompetenz, die eigene Rolle – auf Basis eigener Stärken, Schwächen und Vorlieben – im hybriden Team zu definieren; (2) die Kompetenz, den eigenen hybriden Arbeitskontext richtig zu erfassen (siehe oben); (3) die Kompetenz, die jeweils gewählte Technologie auch wirklich sicher nutzen zu können; (4) die Kompetenz, sich in einem Team auch über Distanz zu integrieren; (5) die Kompetenz, im Rahmen des Teams Vertrauen auch über Distanz aufzubauen; (6) die Kompetenz, Prozesse so zu organisieren, dass alle auch über Distanz transparent und einfach Zugang zu Informationen und Entscheiden haben; (7) die Kompetenz, gemeinsam Regeln aufzustellen, wie die genutzten Technologien im Alltag genutzt werden sollen; (8) die Kompetenz, auch über Distanz innovative, kreative, reflektierte und kollektiv abgestimmte Arbeitsergebnisse zu organisieren.

Es wird deutlich, dass das Kompetenzprofil sehr facettenreich ist. Aber es ist so: Je stärker den Kontextfragen zugestimmt wird und je stärker Kommunikations- und Kollaborationstechnologie soziale Präsenz über Distanz ermöglicht, umso höher sind die Anforderungen an die Kompetenzen der Mitarbeitenden. Meine nächste Wissenschafts-kolumne in der Ausgabe 04–05/2024 wird deshalb diese Kompetenzen nochmals detaillierter beleuchten. Schlussfolgerung dieser Wissenschafts-kolumne ist nun aber, dass weniger die Präsenz an sich ein Hebel ist für erfolgreiche hybride Zusammenarbeit. Vielmehr ist diese abhängig von der Passung zum jeweiligen unternehmerischen Kontext, von der genutzten Technologie und von den Kompetenzen derjenigen, die in einem hybriden Arbeitskontext interagieren.

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