Vielleicht geht es Ihnen, lieber Leser, so wie mir. Je mehr Artikel ich über den Zusammenbruch der Lehman-Bank 2008 lese, desto mehr dürstet es mich nach einer Antwort für den «wahren Grund» der Krise, die uns bis heute beschäftigt. Abhängig vom Blickwinkel auf die Subprime-Krise wird die Ursache mal mit einem Managementversagen der Geschäftsbanken, mal mit der Niedrigzinspolitik der Notenbanken, dann mit der Vertrauensseligkeit der amerikanischen Kreditnehmer, mit den US-Rating- Agenturen oder mit den Versicherern in Zusammenhang gebracht. Wahlweise wird auch der amerikanische Staat als Verursacher genannt, weil dieser sich geweigert habe, die insolvente Lehman-Brothers- Bank in der Stunde höchster Not aufzufangen. Kurz gesagt, keiner will’s gewesen sein und es scheint, als müssten wir uns mit «höherer Gewalt» als Ursache begnügen. Doch vielleicht gibt es doch noch eine «einfache» und «handfeste» Antwort? Um diese zu ergründen, macht es Sinn, noch einmal auf den Anfang der Krise zu blicken.
Die unrühmliche Rolle der Banken
Der Ursprung der Lehman-Krise von September 2008 lag gut eineinhalb Jahre zurück. Im Februar 2007 musste die britische Grossbank HSBC offenbaren, sich am amerikanischen Hypothekenmarkt verspekuliert zu haben. Daraufhin fielen weltweit die Aktienkurse, insbesondere die der Banken. Unter dem Eindruck, dass vielleicht nicht nur die HSBC sich verspekuliert habe, misstrauten die Banken einander, liehen sich untereinander kein Geld mehr und der besonders exponierten Lehman Brothers ging als Erstes die «Luft» aus. Lehman ging pleite und aus der Subprime-Krise erwuchs eine globale Finanz- und Wirtschaftskrise. Stellt sich die Frage, wie die Banken sich nur so verspekulieren konnten? Wesentlicher Treiber waren zweifelsohne die CEO der Grossbanken, die sich mit immer höheren Renditezielen bezüglich ihres Eigenkapitals überboten. Legendär ist das immer wieder kommunizierte Ziel der Deutschen Bank von 25 Prozent Eigenkapitalrendite vom Schweizer CEO Josef Ackermann. Oder auch die UBS, die den Verlockungen der Investmentbanksparte – namentlich deren Gewinnmargen – verfiel und ihren CEO Marcel Ospel dazu brachte, die UBS zur grössten Investmentbank der Welt ausbauen zu wollen. Das Ergebnis ist bekannt, nach einem durch die eigenen Investmentbanker verursachten Abschreiber auf US-Hypothekaranleihen in Höhe von 19 Milliarden Franken musste Ospel auf Druck der Finma seinen Posten räumen.
Zweifelsohne, die Banken spielen bei der Krise eine unrühmliche Rolle, an deren Anfange eine Finanzinnovation steht: die Verbriefung von Hypotheken zu «handelbaren Wertpapieren». Smarte Banker bündelten erstmals eine grosse Anzahl an Hypotheken zu einem «Paket», beauftragten Ratingagenturen, die Gesamtqualität des jeweiligen Pakets zu bewerten, also zu «raten», und verkauften dann das Hypothekenbündel an Investoren und Geschäftsbanken. Die Idee dahinter ist eine scheinbare Win-win-Situation für alle. Der ursprüngliche Kreditgeber tilgt das Risiko aus seinen Büchern und kann sich auf das lukrative Geschäft der Neuabschlüsse von Hypotheken konzentrieren. Die Investmentbanken verdienen eine solide Provision an der Bündelung der Alt-Hypotheken. Die Ratingagenturen profitieren von der Vergabe der Ratings und die Investoren – also andere Banken und Versicherer – erfreuen sich an den vermeintlich sicheren Zahlungen derjenigen, die die Hypotheken in den «Bündeln» zu bedienen haben. Das Hütchenspiel funktionierte so lange, wie die Hypothekenvermittler neue, mehr oder weniger solvente Hypothekennehmer fanden und zugleich nicht allzu viele Alt-Hypotheken in den Paketen ausfielen.