Zwischen Neuem und dem Bestehenden
Das zweite grosse Spannungsfeld, mit dem die Management- und Führungskompetenzen und Verhaltensweisen von erfolgreich internationalisierenden KMU-Entscheidungsträgern grundsätzlich charakterisiert werden können, ist das zwischen dem Neuen und dem Bestehenden. Einerseits wird deutlich, dass KMU-Internationalisierung zwangsläufig mit der Schaffung von neuen Strukturen zu tun hat, zum Beispiel mit der Gewinnung neuer Kunden und Absatzmärkte im Ausland, dem Aufbau einer internationalen Supply-Chain, der Ausbildung von neuen innerbetrieblichen Strukturen, wie dem Aufbau einer Niederlassung oder der Anstellung neuer Mitarbeitender.
Erfolgreiche KMU-Internationalisierung hat also immer auch mit der Frage zu tun, ob es einem KMU-Entscheidungsträger gelingt, in adäquater Weise neue Strukturen zu schaffen, die die Internationalisierung tragen und zum Erfolg führen. Andererseits hat erfolgreiche KMU-Internationalisierung ebenfalls in einem grossen Masse damit zu tun, wie bereits vorhandene Strukturen und Ressourcen genutzt werden können. Denn gerade KMU verfügen nur über sehr limitierte Ressourcen, um die Internationalisierung zu stemmen. Deshalb ist es wichtig, dass das Bestehende in das Neue eingebracht und Synergien geschaffen werden.
Wollen Entscheidungsträger ihre KMU erfolgreich internationalisieren, so müssen sie diese beiden Spannungsfelder richtig navigieren. Um dies zu tun, ist es wichtig zu berücksichtigen, dass ein erfolgreicher Internationalisierungsprozess von KMU in der Regel in drei Phasen verläuft und in jeder Phase die Qualität und somit die Navigation der Spannungsfelder andersartig ausgeprägt ist.
Internationalisierungsphasen
Erfolgreiche Internationalisierungsprozesse von KMU durchlaufen drei unterscheidbare Phasen, die jeweils andersartig ausgeprägte Kompetenzen und Verhaltensweisen der KMU-Entscheidungsträger verlangen.
Die Start-Phase
In der Start-Phase findet durch geschäftiges und hartnäckiges Handeln eine erste Exploration und Ideenfindung statt, um überhaupt die Optionen, Szenarien und Opportunitäten einer etwaigen Internationalisierung zum Leben zu erwecken und zu reflektieren. Hier geht es für den KMU-Entscheidungsträger zunächst einmal darum, Bestehendes zu nutzen. So hilft beispielsweise das bestehende Netzwerk von Partnern, Kunden, Kollegen und Freunden, schnell und kostengünstig Informationen, Wissen und Erfahrungen bezüglich der Internationalisierungsideen und der intendierten Internationalisierungsschritte zu sammeln, sodass diese diskutiert und reflektiert werden können.
Die Konsolidierungs-Phase
In der Konsolidierungs-Phase steht das Entscheiden über erste Internationalisierungsschritte an. Die in der Start-Phase gesammelten Informationen und Erfahrungen werden verdichtet und zu Entscheidungsgrundlagen und Entscheidungskriterien strukturiert, anhand derer aus der Vielfalt der Optionen der für das jeweilige Unternehmen richtige Weg bestimmt werden kann.
Erfolgreich internationalisierende KMU-Entscheidungsträger leiten von diesen sich konkretisierenden Entscheidungskriterien aber nun zumeist noch keine finale Internationalisierungsstrategie ab. Vielmehr geht es in der Konsolidierungs-Phase zunächst darum, das vermeintlich beste Vorgehen im Rahmen eines Pilotprojektes in der Praxis zu prüfen, zu verifizieren und bei Bedarf zu überarbeiten. Diese Pilotprojekte orientieren sich noch stark an Bestehendem und werden kleinteilig, vorläufig ressourcenarm und risikoreduziert gestaltet. In dieser Phase geht es darum, die strategische Ausrichtung zu testen, das operative Vorgehen zu verfeinern und innovative und erfinderische Lösungen zu (häufig unerwarteten) Problemen zu erarbeiten.
In der Konsolidierungs-Phase geht es also darum, den vermeintlich besten Weg zu testen und Lösungen zu unmittelbar auftretenden Herausforderungen zu finden. Die Phase ist daher geprägt von einem kontinuierlichen Hin und Her zwischen intuitivem Handeln und reflektiertem Entscheiden, sodass dann zum Start der Etablierungs-Phase Gewissheit herrscht sowohl bezüglich der Strategie wie auch der besten operativen Umsetzungsoption.