Die Schweiz ist, als Globalisierungsgewinner, gut beraten, wenn die internationalen Handelsbeziehungen aufrechterhalten und ausgebaut werden. Das Corona-Virus breitet sich über menschliche Kontakte, nicht über den Warenhandel aus. Die nächste Coronawelle hat zwar zu verstärkten Auflagen des Bundes geführt. Die Grenzen im Schengenraum sind jedoch mehrheitlich geöffnet, ohne Kontrollen. Das Tracing-App ist mit «Kinderkrankheiten» bei der Ortung der Infektionsquellen eingeführt und hat zu wenig Beteiligung; es melden sich nur zehn Prozent der Betroffenen. Die Erhebung von Daten bei Ferienrückkehrern aus Risikoländern löst kantonale Massnahmen aus, die beim BAG mehr als nur Stirnrunzeln auslösen. Die Experten der Taskforce beklagen das Missmanagement. Kurz: Das Virus hat die Schweiz im Griff, statt umgekehrt.
Abhängigkeit vom Ausland
Tatsachen sprechen eine deutliche Sprache: Gemäss Avenir Suisse ist seit 2002 und dem Inkrafttreten der Bilateralen I das Bruttoinlandprodukt, gerechnet pro Kopf, stärker als die Wohnbevölkerung gestiegen; 49 Prozent stehen 17 Prozent der Wohnbevölkerungszunahme gegenüber. Der Aussenhandelsindex – alle Exporte und Importe – beträgt hohe 96 Prozent, gemessen am Bruttoinlandprodukt, und die Exportquote liegt bei 52 Prozent.
Rund 1,9 Millionen Beschäftigte profitierten vom Zugang zu ausländischen Märkten, 915 000 Beschäftigte von der Nachfrage aus den EU-Ländern. Die starke internationale Verflechtung ist ein Garant des Wohlstandes in der Schweiz.
Die Befürchtung, dass in der Corona-Krise die Selbstversorgung des Landes problematisch wird, hat sich nicht bewahrheitet. Der Selbstversorgungsgrad beträgt hohe 59 Prozent. Im internationalen Vergleich eine hohe Rate, da bei diesem Vergleich nur rund 20 Prozent der Bevölkerung durch eigene Ressourcen versorgt werden können. Die Milchwirtschaft produziert Überschüsse, die Selbstversorgung mit Kalb- und Schweinefleisch liegt bei rund 95 Prozent, diese verursachen aber hohe Importe an Kraftfutter.
Die Auslandabhängigkeit ist gross, obwohl die Statistik des Selbstversorgungsgrads eine Senkung suggeriert. Die Krisenvorsorge für die Landwirtschaft wird trotzdem mit rund einer Milliarde CHF Steuergeldern finanziert. Dass dies nicht effizient sein kann, liegt auf der Hand. Die Versorgungssicherheit wird dagegen mit internationalen Abkommen bewerkstelligt, ist also nicht mit den im Inland produzierten Gütern zu vergleichen. Andere Güter wie Strom oder Produkte für die Gesundheitsversorgung erfordern Autarkie und Offenheit; die Abschottung ist ein schlechter Ratgeber. Trotzdem gibt es aktuell zu viele Aktivitäten, die globale Kooperationen zurückdrängen – «Our country first» ist die Devise.
Entschleunigte Globalisierung
Zusammen mit der Zunahme der Handelshemmnisse wird es eine langsamere Globalisierung geben. Die Entkoppelung der Volkswirtschaften von USA und China ist auf «bestem Weg». Die internationalen gegenseitigen Abhängigkeiten sind aber in den letzten Jahren ständig gewachsen. Mehr als 50 Länder haben im März 2020 Exportrestriktionen eingeführt (Global Trade Alert 2020). Dies betrifft vor allem Schutzausrüstungen, Desinfektionsmittel und Beatmungsgeräte. Rund 170 Länder importieren diese Artikel. Exportnationen haben Ausfuhrverbote verhängt.
Exportbeschränkungen führen, in Kombination mit erhöhter Nachfrage, zu höheren Preisen. Gleichzeitig wird der Import vereinfacht. Es betrifft vor allem Medizinalgüter und Arzneimittel. Die Schweiz hat den Zoll für Schutzkleidung auf null gesetzt. Auf formelle Einfuhrbewilligungen wird verzichtet. Wie wäre es, wenn die Schweiz die Importzölle abschaffen würde? Die Versorgungssicherheit könnte verbessert werden. Die Diskussion ist in Gang gekommen. Geschätzt wird, dass diese Massnahme rund 860 Millionen CHF einbringen könnte. Ein konstruktiver Beitrag auch für die weltweit komplizierteste Zolltarifstruktur.
Diese Tatsache wirkt sich nachteilig auf die Wettbewerbsfähigkeit aus. Die weitverbreitete politische Haltung «Switzerland first» dürfte wohl schwierig zu überwinden sein, selbst wenn künftige Krisen besser bewältigt werden könnten. Das gleiche Thema gilt für die Offenheit gegenüber ausländischen Investoren, wo die Schweiz im OECD-Ranking unterdurchschnittlich positioniert ist.
Die internationale Arbeitsteilung schafft Wohlstand. Die Rückführung auf den Nationalstaat würde den Wohlstand aufs Spiel setzen. Der EU-Binnenmarkt spielt ein grosse Rolle. Am meisten profitiert hat Zürich, nebst sechs weiteren Regionen. Diese Regionen finden sich in den «Top Ten» in Europa. Zu den bekannten Grossräumen kommen Regionen wie das Rheintal, die Nord-Süd-Achse oder das Rhonetal dazu. Sie bilden eine Entwicklungsachse zu den Bergregionen. Dass die starke ökonomische Integration in die Weltwirtschaft zu höherem Einkommen führt, zeigt die Abbildung.