Forschung & Entwicklung

Blick aus der Wissenschaft

Die beachtlichen ­Kosten von Transaktionen

Transaktionen wie der Kauf einer Ware sind ein elementarer Vorgang in jeder Volkswirtschaft. Sie laufen jedoch nicht kostenlos ab, daher lohnt ein Blick auf die Transaktionskosten.
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Im einfachen neoklassischen Marktmodell treffen Angebot und Nachfrage ohne weiteres aufeinander. Es gibt dort keine Marketingabteilungen, die sich um Werbung kümmern. Keine langen Verhandlungen und keine Juristinnen, die an ­Verträgen feilen. Es wird modellhaft angenommen, dass all dies vernachlässigt werden kann. Auch allfällige Schlaumeier, die im Nachhinein Lücken in Verträgen finden und zu ihren Gunsten ausnützen, werden in der neoklassischen Modellwelt vereinfachend weggelassen, damit die Modelle besser beherrschbar werden. Allerdings ist die Annahme, die Nachfrage würde das Angebot unter ­perfektem Informationsstand reibungslos treffen, eine doch sehr weitreichende Voraussetzung. In der Praxis gilt diese Annahme, Transaktionskosten könnten ignoriert werden, bestimmt nicht.

Erkenntnis, Entscheid, ­Ergebnissicherung

Dass Transaktionskosten in der Marktwirtschaft eine bedeutende Rolle spielen dürften, fiel 1937 dem späteren Nobelpreisträger Ronald Coase zuerst auf. Doch es vergingen Jahrzehnte, bis deren Bedeutung in der Wirtschaftswissenschaft vollständig erkannt wurde. Dies mag mitunter daran liegen, dass Transaktionskosten gar nicht so einfach definiert werden können. Bis heute gibt es keinen klaren Konsens, was alles dazugehört. Man geht daher am besten von Beispielen aus. Nehmen wir also etwa ein KMU, das Lampen herstellt, und das für eine neue Lampenserie ein spezifisches Bauteil in Aluminium einkaufen will. Es gibt dabei drei wichtige Arten von Transaktionskosten, die mit den «drei Es» Erkenntnisgewinn, Entscheidungsprozess und Ergebnissicherung bezeichnet werden können. Das KMU wird zuerst einen Erkenntnisgewinn über mögliche Anbieter solcher Aluteile gewinnen wollen. Man kann dabei natürlich mehr oder ­weniger Zeit und Geld investieren. Das Durchforsten des Angebots im Internet, das Besuchen von Fachmessen, der Kontakt zu Grosshändlern und manches mehr ermöglichen einen gewissen Überblick über den Markt. Natürlich hängt es von vielem ab, wie viel Zeit und Ressourcen in diese Recherche zu investieren sind; gratis wird die Informationsbeschaffung jedenfalls nicht sein. Es folgt ein Entscheidungsprozess, in dem zuerst vielleicht noch mit mehreren potenziellen Lieferanten Verhandlungen geführt werden, bis man schliesslich mit dem Favoriten die Einzelheiten vertraglich festlegt. Auch dies gehört zu den Transaktionskosten. Ist der Vertrag besiegelt, kommen abermals Transaktionskosten hinzu, denn die korrekte Umsetzung des Vertrags will beobachtet und bei Abweichungen korrigiert werden. Die Kosten der Ergebnissicherung können ebenfalls erheblich sein.

Markt- und Management-­Transaktionskosten

Den Markt zu benutzen, ist nicht kostenlos. Coase umschrieb dies 1960 so: «Um eine Markttransaktion durchzuführen, muss man herausfinden, mit wem man verhandeln will, die Personen informieren, mit denen man verhandeln will und zu welchen Bedingungen, Verhandlungen führen, die zu einem Geschäft führen, den Vertrag aufsetzen, die notwendigen Kontrollen durchführen, um sicherzustellen, dass die Vertragsbedingungen eingehalten werden, und so weiter.» Das «und so weiter» ist wichtig: Die Markt-Transaktionskosten sind schwer umfassend zu definieren, weil sehr verschiedene Dinge ­darunterfallen. Zudem können Kosten indirekter Natur sein, zum Beispiel, wenn die Transaktionskosten dazu führen, dass man das beste Geschäft ganz verpasst.

So wäre der perfekte Lieferant für unser KMU vielleicht irgendwo in Rumänien zu finden, aber weil der Rumäne gar nicht entdeckt wird, kommt es nicht zu diesem besten Geschäft. In der neoklassischen Modellwelt, wo Informationen kostenlos erhältlich und zu verarbeiten sind, kann so was nicht passieren.

Neben diesen Markttransaktionskosten sind auch die unternehmensinternen Transaktionskosten bedeutsam. Auch Management-Transaktionskosten genannt, können diese umschrieben werden als die Kosten für den Aufbau einer Organisation, deren Aufrechterhaltung, Änderung und Leitung. Diese Kosten entsprechen weitgehend den Overhead-Kosten. Sie würden gar nicht erst anfallen, wenn jede und jeder in einer Organisation ohne weiteres immer wüsste, was zu tun ist, dies auch ohne jede Führung und Kontrolle tun würde und es daher ausschliesslich produktive Tätigkeiten im engeren Sinne geben würde. Das ist natürlich auch Fiktion. Tatsächlich braucht es Arbeitsverträge, Zielvereinbarungen, die Kontrolle dieser Zielvereinbarungen, jemanden, der das Spesenreglement überwacht, und sehr vieles mehr. Es gehört zur Kunst der guten Unternehmensführung, die Management-Transaktionskosten in einem vertretbaren Rahmen zu halten, vermeiden lassen sie sich aber nicht.

Warum gibt es überhaupt Unternehmen? Weil es Transaktionskosten gibt, lässt sich die Existenz von Unternehmen überhaupt erst erklären. Theoretisch könnte man ja als Verfechter der freien Marktwirtschaft behaupten, dass jede wirtschaftliche Tätigkeit dem Markt zu überlassen sei und es daher ineffizient sein müsse, wenn Menschen Jahre beim gleichen Arbeit­geber, sprich in einer zentral geplanten Bürokratie, verbringen würden. Wenn aber jeder Arbeitsschritt eines Pro­duk­tionsprozesses eine Markttransaktion nach sich zöge, würden die Markt-Transaktionskosten die Management-Transaktionskosten in vielen Fällen übersteigen. Es ist daher oft transaktionskostengüns­tiger, wenn Dinge in einer stabilen Or­ganisation dauerhaft geregelt werden, als sie ständig auf dem Markt neu auszu­handeln und festzulegen. Welche Teile des Wertschöpfungsprozesses eine Unternehmung bei sich selbst integriert und für welche Teile sie besser auf den Markt zurückgreift, oder anders gesagt, wie die Make-or-Buy-Entscheidung ausfällt, das ist jeweils eine Frage der Optimierung. 

Die halbe Volkswirtschaft

Manche Unternehmen sind darauf spe­zialisiert, Angebot und Nachfrage möglichst schlau zusammenzuführen. Die Transaktionskosten sind dann ein zentrales Element des Geschäftsmodells, zum Beispiel bei Plattformen wie AirBnB oder Uber oder bei Vermittlern wie Immobilienmaklern. Auch Rechtsanwaltsbüros, Banken und viele andere beschäftigen sich vorrangig mit Transaktionskosten. Prominente Vertreter der Transaktionskostenökonomie wie Douglass North oder Rudolf Richter und Eirik Furubotn gehen bei Schätzungen zu den Transaktionskosten einer Volkswirtschaft von einer Grössenordnung von mindestens fünfzig Prozent des Bruttoinlandprodukts aus – fünfzig Prozent! 

Was hier hinter dem Komma steht, ist ­weniger wichtig als die grundsätzliche Feststellung, dass die Transaktionskosten einen grossen Teil unserer Wirtschaft ausmachen. In diesen gut fünfzig Prozent liegt ein riesiges Potenzial, da diese Kosten ja definitionsgemäss nicht direkt der Produktion von Waren oder Dienstleistungen dienen. Somit stellt sich die Frage, wie man diese Kosten senken könnte. Grosse Hoffnungen liegen in der digitalen Transformation. Das Internet hat die Kosten von Erkenntnisgewinnen offensichtlich schon drastisch reduziert. KI-Anwendungen könnten sich auf Entscheidungsprozesse erheblich auswirken. Bei der Ergebnissicherung könnten Blockchain-Lösungen zu Vereinfachungen führen.

Daneben zeigt die Forschung, dass Ins­titutionen wie geschriebene Gesetze und ungeschriebene soziale Normen die Höhe von Transaktionskosten entscheidend beeinflussen. Ein klares Obligationenrecht beispielsweise senkt die Kosten der Vertragsverhandlungen. Allerdings handelt es sich auch bei der Regulierung um ein Optimierungsproblem, denn während Rechtssicherheit positiv ist, können Regulierungskosten selbst zum Kosten­treiber werden. Und weil sich Volkswirtschaften zunehmend in den Dienstleistungssektor verschieben, wo Transaktionskosten tendenziell höher sind, und weil Wertschöpfungsketten tendenziell länger und komplizierter werden, gibt es trotz digitaler Transformation keine klare Prognose, dass sie sich verringern werden. Umso wichtiger bleibt es bei der ­Führung eines Unternehmens, die Transaktionskosten im Auge zu behalten.

Quellenhinweis:

Coase, R. H. (1937). The Nature of the Firm. Economica, 4(16), 386–405
Coase, R. H. (1960). The Problem of Social Cost. Journal of Law and Economics, 56(4), 837–877, S. 850

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