Forschung & Entwicklung

Value Proposition

Die Austauschbarkeit von KMU überwinden

Meist ist das Management so stark in das Alltagsgeschäft eingebunden, dass keine Zeit bleibt, über das Geschäftsmodell, Kunden und die Wettbewerbsstellung zu reflektieren und gegebenenfalls zu justieren. So wächst die Gefahr, sich in Austauschbarkeit zu verlieren. Der Beitrag beschreibt einen Prozess, der die Entwicklung von Mehrwert für Kunden möglich macht.
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Das Management springt von einem Brandherd zum anderen. Ist eine dringende Aufgabe erledigt, folgt schon die nächste Herausforderung. Liegen bleibt dabei oft die Auseinandersetzung mit Produkt- und Dienstleistungsinnovation, Positionierung im Markt und dem Wertversprechen an den Kunden. Dies führt über kurz oder lang zu mehr Wettbewerbsdruck. 

Tagesgeschäft als Zeitfresser

Wie sich ein KMU nun vor der Austausch­barkeit schützen oder diese überwinden kann, dem gehen wir vom IQB – Institut für Qualitätsmanagement und Angewandte Betriebswirtschaft in verschie­denen Forschungs- und Dienstleistungsprojekten auf den Grund. 

In unserem Beratungsalltag ist uns vor allem bei KMU aufgefallen, dass durch das rasante operative Geschäft strategischen Entscheidungen zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird. So auch bei der Ausgangslage eines unserer Mandate. Einem mittelständigen KMU in einem Cluster vieler ähnlicher Anbieter. Die Mitbewerber offerieren dabei ähnliche Dienst­leistungen und Produkte und die Kunden haben eine breite Palette an Lieferanten zur Auswahl. 

Prozessphasen

Wie gelingt es daher, weniger austauschbar zu sein, und wie lassen sich essen­zielle und langfristige Entscheidungen fundiert treffen? Von Zeit zu Zeit empfiehlt es sich, einen Schritt zurückzu­treten und den Fokus weg von den dringenden hin zu den wichtigen Aktivitäten zu legen. Dazu gehört es, das eigene Geschäfts­modell zu analysieren und bei Bedarf neu zu posi­tionieren. Nachfolgend werden die drei wichtigsten Phasen in diesem Prozess ­beschrieben.

Erste Phase: Analyse des bestehenden Geschäftsmodells und Lokalisieren von zentralen Herausforderungen

Das Geschäftsmodell beschreibt, wie der entstandene Nutzen beim Kunden mo­netarisiert wird. Es geht dabei in einem ­ersten Schritt darum, das Geschäfts­modell verständnis festzulegen. Geklärt wird, was das Unternehmen genau macht, wie es aufgebaut ist und wie es funktioniert. Ist das grundlegende Verständnis des Unternehmens dargestellt, gilt es, die strategischen Herausforderungen aufzuspüren. Dabei werden im Rahmen unseres Beratungsprozesses über 50 ­Kriterien, welche in Kombination ein kompetitives und resi­lientes Geschäftsmodell bilden, näher ­beleuchtet.

Das Management, die Mitarbeitenden ­sowie die Stakeholder kennen die Unternehmung am besten und beantworten hierzu unterschiedliche Fragen. Dies kann über einen internen Workshop, ­Gespräche oder einen Fragebogen stattfinden. Die analysierten Daten und Re­sultate weisen auf unterschiedliche Tendenzen zu markt- oder ressourcensei­tigen Herausforderungen hin. 

Zweite Phase: Definition der Kunden / -segmente und der -wahrnehmung 

In einem nächsten Schritt geht es darum, die eigenen Nutzen- und Wertversprechen an den Kunden freizulegen. Zunächst werden hierzu die Kundengruppen definiert. Innerhalb der Gruppen kann eine ABC-Analyse aufzeigen, bei welchen Kunden und mit welchen Dienstleistungen und Produkten welche Umsätze generiert werden und wie wichtig diese sind. 

Um im Idealfall die Entscheidungen und Kaufintentionen der Kunden zu verstehen, macht es Sinn, die Entscheidungsträger der Käuferschaft genau zu definieren. Dies können Einzelpersonen sein oder ein ganzes Gremium.

Da sich die Austauschbarkeit von KMU in der Wahrnehmung der Kundensegmente widerspiegelt, muss sich das Unternehmen in die Lage der Käuferschaft versetzen. Dabei hilft es, nach der Segmentierung, entsprechende Wertversprechen-Canvas (Value Proposition Canvas) für alle Kundengruppen auszufüllen. 

Dritte Phase: Exklusive Mehrwerte freilegen

Das Value Proposition Canvas ist ein kundenorientiertes Instrument, das hilft, Wert- und Leistungsversprechen zu de­finieren. Abhängig von den definierten Kundengruppen werden deren Schmerzen (Pains), positive Ereignisse (Gains) und Aufgaben (Jobs) definiert. Ein «Pain» des Kunden kann sein, dass dieser bei ­verspäteter Auslieferung seines Produktes hohe Strafzahlungen tätigen muss. 

Als KMU bieten wir durch unsere Produkte und Dienstleistungen die dazugehörenden Schmerzlinderer (Pain Relievers) und Förderer von positiven Ereignissen (Gain Creators) an. Im konkreten Beispiel können wir als sehr termintreuer Zulieferer den Schmerz einer Strafzahlung bei unserem Kunden lindern. 

Mindestens ein «Zusammenfinden» aus solchen Gegenstücken im Value Proposition Canvas ist nötig, damit sich Kunden für den Kauf im jeweiligen Unternehmen entscheiden (je nach Wichtigkeit des ­Aspektes). Im Idealfall passiert dies in möglichst vielen definierten Bereichen und Kundengruppen. Durch das Erstellen von Wertversprechen-Paaren können sich KMU in die Kundensegmente hineinversetzen und eine gewisse Empathie aufbauen. 

Wie gut und einzigartig dieses Zusammenspiel ist, zeigt sich erst in einem Vergleich mit den Mitbewerbern. Dazu lässt sich die Wettbewerbsstellung und somit der Grad der Austauschbarkeit im Rahmen einer «Alternative Map» darstellen. Das Unternehmen fragt sich dazu: Was sind die Kosten und Bedürfnisse meiner Kunden, wenn es um Dienstleistungen oder Produkte geht, die wir und unsere Mitbewerber anbieten. 

Um diese Informationen zu gewinnen, empfiehlt sich eine gezielte Umfrage im Rahmen einer Marktforschung oder die Durchführung eines Workshops mit ausgewählten Kunden. Die definierten Kostenpunkte und Bedürfnisse werden so gewichtet, dass sie dem Einfluss auf die Kauf­entscheidung der Entscheidungsträger entsprechen. Es folgt die Bewertung der Kriterien in Bezug auf die eigene Unternehmung und die grössten Mitbewerber.

Die Resultate werden gegenübergestellt und auf einem XY-Diagramm aufgezeigt (siehe farbige Punkte in der Abbildung). Je nach Bewertung im entsprechenden Kundensegment kann sich ein Unternehmen gegenüber der Konkurrenz in unterschiedlichen Wettbewerbsstellungen positionieren. Durch die Analyse der Diagramme können exklusive Mehrwerte für Kundengruppen freigelegt werden.

«Red Ocean» und «Blue Ocean»

Grundsätzlich gilt in diesem Zusammenhang, dass Positionen des Unternehmens im Bereich über der 45-Grad-Linie Marktanteile gewinnen und jene unterhalb Marktanteile verlieren werden (siehe grauer und beiger Bereich in der Abbildung). Dazu kommen die folgenden Fälle. Hat es in einem Markt viele Anbieter, die zu ähnlichen Preisen den gleichen Nutzen anbieten, befindet sich die Unternehmung im «Red Ocean». Die Anbieter sind austauschbar, die «Fische» fressen sich gegenseitig auf und färben das Wasser rot. In diesem Bereich werden die Kunden immer preissensitiver und der Wettbewerb erhöht sich. 

Die entsprechende Gegenposition ist der «Blue Ocean», bei der sich ein Unternehmen in einer Spitzenposition befindet und in für Mitbewerber unerschlossenen Märkten offerieren kann. Dies geschieht durch einen überdurchschnittlichen Nutz­wert und (oder) unterdurchschnittlich tiefe Preise/Kosten. 

Die Austauschbarkeit von KMU lässt sich so weit vermindern, dass ein exklusiver Mehrwert bei einem oder mehreren ­Kunden geschaffen oder gefunden wird (siehe Abbildung, zwei Sterne innerhalb des Blue Ocean). Diese UVP (Unique Value Proposition) lässt das KMU mit der entsprechenden Dienstleistung oder dem Produkt bei jenem Kundensegment in einem weniger kompetitiven und preis­sensitiven Markt agieren. 

Fragestellungen

Alle Darstellungen und Erkenntnisse, die im Laufe dieses Prozesses entstehen, helfen den KMU, die Aktivitäten zu re­flek­tieren und zu überdenken. 

Die Unter­nehmung sollte sich daher folgende Fragen stellen: 

  • Was müssen wir tun, um aus dem «Red Ocean» zu kommen? 
  • Welche Prozesse braucht es, um die umsatzstarken Kunden zu behalten oder weitere zu akquirieren? 
  • Wie kann der wahrgenommene Nutzen unserer Leistungen im Vergleich zu 
  • den Kosten erhöht werden, sodass wir Marktanteile gewinnen? 
  • Möchten wir uns qualitativ und auf eine besondere Art differenzieren oder unschlagbar schlank, effizient und dafür kostengünstig sein? Für beides gilt, dass die Austauschbarkeit durch einen exklusiven Mehrwert (UVP) oder ein Alleinstellungsmerkmal (USP) für ein oder mehrere Kundensegment(e) reduziert und überwunden wird.

Fazit

Nach Bearbeitung der drei vorgestellten Phasen sehen KMU, bei welchen Kunden sie einen exklusiven Mehrwert (UVP) bieten oder am ehesten bieten können. Das Unternehmen gewinnt einen Überblick über deren Ausgangslage und kann sich bei essenziellen und strategischen Entscheidungen auf grundlegende Analysen und nicht nur auf das Bauchgefühl beziehen. Immer mit Blick auf die Vision und Mission. Sich hin und wieder selbst zu ­reflektieren, hilft, sich stetig zu verbessern, vor allem, was unternehmerische Aspekte betrifft. 

Allzu oft sehen wir, dass sich Unternehmen immer schneller und schneller be­wegen und dabei vergessen, auf den ­Kompass zu schauen. Diesbezüglich empfehlen wir, regelmässig einen Schritt zurückzutreten und sich um die wichtigen, statt dringenden Aktivitäten zu kümmern. Dazu gehört es, sich mit dem Geschäftsmodell, Kunden und der Wettbewerbsstellung zu befassen.

Porträt