Forschung & Entwicklung

Unternehmensführung I

Das Innovationsverhalten von Schweizer Familienunternehmen

Familienunternehmen sind innovativ und tragen zur Zukunftsentwicklung der Schweiz bei. Wie hoch aber ist die Innovationsreife aktuell und welche Komponenten stärken ihre Innovationsfähigkeit? Diesen Fragestellungen ist die Universität Bern nachgegangen und hat ihre Untersuchungsergebnisse in einer Studie zusammengefasst.
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Die Familienunternehmen machen einen Grossteil der Unternehmen weltweit aus. In der Wahrnehmung dominieren jedoch die Grossfirmen. In der Schweiz gibt es rund 545 000 Unternehmungen, von denen rund 480 000 Unternehmen in Familienbesitz sind (siehe auch Box «Quellenhinweise»). Familienfirmen sind das Fundament der Unternehmenslandschaft, schaffen, sichern Arbeitsplätze und tragen elementar zum allgemeinen Wohlfahrtsgewinn bei.

Die Besonderheiten

Das Besondere von Familienunternehmen liegt in der Überschneidung der drei Systeme Familie, Management und Eigentum. Die Familie kann eigene Ziele verfolgen, beispielsweise die Sicherung der Familienmitglieder. Das Eigentum beeinflusst das Unternehmen beispielsweise durch Ressourcenlimitierung. Die Einstellung «Eigentum verpflichtet» kann dazu führen, dass die Haftbarkeit der Familie strategische Entscheidungen beeinflusst. Das Management beeinflusst die strategischen Entscheidungen, beispielsweise Internationalisierung oder die Erweiterung des Produktportfolios. 

In jedem der drei Systeme können Familienmitglieder involviert sein, das ist aber keine zwingende Voraussetzung. Die Unternehmerfamilie ist die wichtigste Ressource. Sie bringt aber auch eine eigene Dynamik in das Geschäftsgebahren ein. In der Firmengeschichte ist die Regelung der Nachfolge ein zentraler Punkt. Die Rollen der beteiligten Akteure verändert sich in dieser Zeit. Unternehmer müssen loslassen, die nächste Generation integrieren und ihr Managementkompetenz zutrauen. Diese Veränderungen beinhalten Risiken und Chancen, die das Unternehmen und die Familie betreffen. 

Ein entscheidender Faktor ist das Commitment. Darunter versteht man die Bindung zwischen Familienunternehmen und Familie als Ganzes. Diese Bindung kann auch mit einer gefühlten Verpflichtung einhergehen. Commitment ist in der Forschung ein zentraler Faktor, identifiziert während der Nachfolgeregelung. 

Innovation als Erfolgstreiber

Innovation ist häufig ein strategisch verankerter Prozess und Bestandteil der unternehmerischen Ziele. Die Innovation ist die Basis dafür, dass das Unternehmen im Markt dauerhaft überlebt. Die Unterschiede zwischen den Branchen sind gross, pendeln diese doch zwischen hoher Dynamik oder Statik hin und her. Wichtig ist zu erkennen, dass die Digitalisierung Branchen verändern kann. Diese Ausrichtung gilt als anspruchsvoller Bestandteil der Familienunternehmen. 

Hinsichtlich Innovation gelten für Fa­milienunternehmen Besonderheiten. Es gibt Familienfirmen, die risikoavers und nicht innovativ sind. Es ist empirisch belegt, dass Familienfirmen in Innovation weniger investieren als Nicht-Familienunternehmen. Verstärkt wird dieser Punkt, wenn neben der Eigentümerschaft auch die Geschäftsführung in der Familienhand liegt. Familienfirmen zeichnen sich öfter dadurch aus, dass sie flache Hierarchien und direkte Kommunikationswege haben. So öffnet sich die Möglichkeit, das Wissen von Mitarbeitenden oder von externen Partnern zu integrieren. Famili-en­firmen nutzen ihre Eigentümer- und Shareholderfunktion, um Manager und ihr Engagement im Innovationsprozess besser zu kontrollieren, sich aber auch selbst aktiv einzubringen.

Das unternehmerische Erbe kann die Innovationsfreudigkeit von Familienmitgliedern positiv beeinflussen. Vor allem die Erziehung fördert diesen Prozess. Familienunternehmer können sich im gesamten Innovationsprozess involvieren. Sie können Innovationstreiber oder -bremser sein. Die Schweiz wird in der allgemeinen Wahrnehmung als traditionell und hochinnovativ beschrieben. Die Ergebnisse der Studie «Innovation in Schweizer Familienunternehmen» der Universität Bern zeigen, wie sich die Rahmenbedingungen auf die Innovation auswirken.

Vor allem Prozessinnovationen

Von 99 Unternehmensnachfolgern geben zwei Drittel an, mindestens eine Produkt-innovation umgesetzt zu haben. Mehr als die Hälfte der Firmen, die keine Produkt-innovation gemacht haben, rekrutieren sich aus der Baubranche. 88 Prozent der Warenhersteller/Industrie geben an, in den letzten drei Jahren mindestens eine Produktinnovation umgesetzt zu haben. 

69 Nachfolgende haben in den letzten drei Jahren mindestens eine Prozessinnovation umgesetzt. Die Unterschiede in der Branche sind gross; 96 Prozent der Warenhersteller/Industrie haben in den letzten drei Jahren Prozessinnovationen realisiert. Unternehmen sind, in Abhängigkeit der Branche, auf Prozessinnovationen angewiesen. 

47 Prozent der Firmen geben an, mindestens eine Innovation in Kooperation mit Dritten realisiert zu haben. Aber mehr als die Hälfte führt weder eine Produkt- noch Prozessinnovation mit Dritten durch. Branchenunterschiede lassen sich bei Kooperationen nicht ausmachen. Wenn noch der Umsatz einbezogen wird, dann ist dieser rund 50 Prozent höher als bei Firmen, die mit Dritten kooperieren. Eine Zurückhaltung auf «Open Innovation» ist sichtbar. Liegt hier ungenutztes Potenzial frei?

Werte und Commitments

Die Werte der Generationen sind von Bedeutung. Um dies abzuklären, ist ein standardisierter Fragebogen eingesetzt worden. Generell besteht eine starke Zustimmung bei der Abfrage. Die stärkste Zustimmung zeigt sich bei: «Uns liegt das Schicksal des Familienunternehmens am Herzen»; 79 Prozent der Nachfolgenden stimmen dieser Aussage voll und ganz zu. Der tiefste Wert zeigt sich bei: «Die Entscheidung in das Familienunternehmen involviert zu sein, hat einen positiven Einfluss auf mein Leben.» 17 Prozent der Nachfolgenden konnten diese Aussage nicht eindeutig bewerten. Über alle Aussagen hinweg gibt es eine starke Übereinstimmung der Werte der Nachfolgenden, Familie und Unternehmen innerhalb der Stichprobe. 

Das Commitment – als Hingabe und Engagement gegenüber dem Familienunternehmen – ist ein weiterer, wichtiger Aspekt. Das Commitment gegenüber der Firma, gegenüber der Familie und dem Übergeber ist auch mit einem standardisierten Fragebogen erfasst worden. Folgende Aussagen weisen eine hohe Übereinstimmung auf: «Ich diskutiere gerne mit Leuten ausserhalb der Arbeit über mein Familienunternehmen», «Ich wäre sehr glücklich darüber, den Rest meiner Karriere in dieser Organisation zu verbringen», «Dieses Unternehmen hat für mich eine grosse persönliche Bedeutung» und «Ich empfinde, dass Probleme meines Unternehmens auch meine eigenen sind». Das Commitment zum Familienunternehmen ist im Vergleich zum Commitment gegenüber dem Übergebenden und der Familie sowohl für Übergebende als auch Nachfolgende am stärksten.

Ein weiterer Fragenkomplex befasste sich mit Ideenmanagement.

Das Ideenmanagement

Insgesamt 66 Teilnehmende aus 56 Unternehmen berichteten, dass ein Ideenmanagement vorhanden ist. 53,6 Prozent dieser Firmen haben einen Mitarbeitenden, der explizit für das Ideenmanagement zuständig ist. Die Anzahl eingereichter Ideen weist eine sehr grosse Spannbreite auf. Der Durchschnitt liegt bei 115 Ideen. Eine vergleichbar grosse Spanne lässt sich bei der Anzahl realisierter Ideen erkennen, die zwischen null und 400 liegt. Einige Firmen bezahlen hohe Prämien, das heisst bis mehrere Tausend Franken. Andere Firmen verzichten gänzlich auf finanzielle Anreize. Auch das Verhältnis von Gewinn zu Einsparungen zeigt eine grosse Varianz auf. Im Durchschnitt dauert es rund 60 Arbeitstage, bis eine Idee umgesetzt ist. Grundsätzlich wird das Ideenmanagement, selbst bei sehr unterschiedlichen Ausprägungen, als positiv eingeschätzt.

Die Innovationsreife

Die Innovationsreife wurde mit einem strukturierten Fragebogen aufgenommen, der in Gegensatzpaaren aufgebaut war; auf der einen Seite innovationsorientiertes Verhalten, auf der anderen Seite innovationsschwache Verhaltensweisen. In den Kategorien «hohe Innovationsreife» und «sehr hohe Innovationsreife» finden sich rund 44 Prozent der Firmen. Weitere 40 Prozent schätzen ihre Innovationsreife im mittleren Bereich ein und 15 Prozent haben tiefe Werte. Die Innovationsreife hat für den künftigen Geschäftserfolg unterschiedliche Bedeutung, in Abhängigkeit von der Branche, der Kundengruppen oder der Unternehmensgrössen. Allgemein gibt es aber ein Risiko, bei tiefer Innovationsreife gegenüber Veränderungen der Marktsituation nicht bestehen zu können. 

In 68 Prozent der Fälle schätzen die Nachfolgenden die Firmen weniger innovationsreif ein als die übergebende Gene­ration. 16 Prozent der Nachfolgenden schätzen die Reife zur Innovation um 13 Punkte tiefer ein, was einer Stufe in der gewählten Klassifikation entspricht. Das tiefe Ergebnis fällt vor allem im Bereich «Kontrolle der Ressourcen» auf. In der Regel ist diese Kontrolle den direkten Vorgesetzten unterstellt. In grösseren Firmen kann die Zentralisierung der Kontrolle die Innovationsreife hemmen. Weitere Bereiche, die zurückhaltend abschneiden, sind: «Etablierte Wettbewerbsvorteile», «Rückzug als systematischer Prozess» und der «Rückzug als Teil des Geschäftszyklus». Diese Verhaltensweisen stellen Festhalten an bereits etablierten Geschäftszweigen und Kompetenzen dar. Innovationen sind eher seltene Prozesse oder ungeplante Ereignisse. Ein sehr innovationsreifes Unternehmen verfügt über geplante und systematische Zyklen, welche Neuerungen anstreben und den Ausstieg aus etablierten Geschäftsbereichen regeln. «Sehr gut» ist der Informationsfluss im Problemfall geregelt sowie die Ressourcenoptimierung und die Flexibilität. Die Bewertungen zwischen Nachfolgenden und Übergebenden fallen sehr ähnlich aus. 

Empfehlungen für die Praxis

  • Kleinere und mittlere Familienunternehmen werden im Zeitverlauf risiko-avers und weniger innovativ. Diesem Trend ist mit systematischer Förderung der Innovationskraft und systematisierten Innovationsprozessen zu begegnen. Die Prozessinnovationen sind häufiger als die Produktinnovationen. 
  • Die «unternehmerische Orientierung» nimmt in späteren Generationen ab. Die Gründergenerationen sind häufig «Entrapreneure», die späteren Nachfolger haben eine Tendenz zum «Verwalter». Diesem Trend kann entgegengewirkt werden, wenn die Nachfolgenden in anderen Firmen praktische Erfahrungen sammeln und mit Hochschulen den Wissenstransfer pflegen.
  • Familienunternehmungen sind häufig Markt- oder Innovationsführer. Es geht darum, diese Voraussetzungen mit klarem Commitment zur Firma und zu den Eigentümern zu erhalten. Die Balance zwischen Unternehmenswerten und das Verhältnis zwischen den Generationen wirkt sich positiv auf die Innovationskraft aus. 
  • Die Familienfirmen nutzen ihre Strukturen und Ressourcen besonders effizient für Innovationen. Es empfiehlt sich die Implementation von Ideenmanagement. Hier ist vor allem darauf zu achten, dass dieses professionell begleitet und von der Firmenleitung unterstützt wird. Die Umsetzung von Ideen ist zentral, die zeitliche Limite von 60 Arbeitstagen soll nicht überschritten werden. Die Gestaltung des Ideenmanagements ist stark von der Unternehmenskultur abhängig. Finanzielle Entschädigung ist kein Freipass für ein erfolgreiches Ideenmanagement. 
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