Forschung & Entwicklung

Blick aus der Wissenschaft

Dafür bin ich da! Und dafür nicht.

Bei Kooperationen zwischen Unternehmern und Wissenschaftlern treffen ungleiche Partner mit unterschiedlicher Motivation aufeinander. Gerade das kann ein Fundament für eine fruchtbare Zusammenarbeit sein.
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Das Ziel ist klar markiert: Wissenschaftler und Unternehmer sollen kooperieren, um gemeinsam neues Wissen zu erarbeiten, fundierte Lösungen zu identifizieren und Innovation zu stimulieren. Zum Beispiel fördert die eidgenössische Innosuisse Forschungs- und Innovationsprojekte, indem sie gezielt Unternehmer und Wissenschaftler zusammenbringt, um zu aktuellen Herausforderungen innovative Lösungen zu finden. Dadurch soll der Erfolg von Unternehmen und des Wirtschaftsstandortes gesichert werden. Doch der Wunsch nach Kooperation ist zuweilen einfacher geäussert als umgesetzt; ich spreche aus eigener Erfahrung, sowohl als Wissenschaftler als auch als Unternehmer. Denn der Erfolg der Kooperation ist davon abhängig, dass die Stärken des jeweilig anderen Kooperationspartners klug genutzt werden, um die markierten Ziele zu erreichen. Die Frage ist also zu stellen: Wofür ist welcher Partner da und wofür aber auch nicht? Wenn die Kooperation zwischen Wissenschaft und Unternehmen gut gelingt, dann geht es sowohl den Unternehmen, den Hochschulen und der Schweiz insgesamt besser.

Die Basis für eine gelingende Kooperation

Das Fundament einer guten Kooperation von Wissenschaftlern und Unternehmern ist zunächst das Bewusstsein aller Beteiligten, dass ungleiche Partner mit unterschiedlicher Motivation aufeinandertreffen. Hier sind mindestens vier Unterschiedlichkeiten zu benennen. So pochen Unternehmer auf unmittelbare Anwendbarkeit, Wissenschaftler verfolgen ihre Themen mit einer langfristigen Per­spektive. Unternehmen suchen die sowohl effektivste wie effizienteste Lösung, Wissenschaftler die neuartigste. Unternehmer verlangen Pragmatik (sehr oft höre ich vom Pareto-Prinzip, das sich mit einem Perfektionsgrad von 80 Prozent zufriedengibt), Wissenschaftler verlangen Erkenntnis, die zu 100 Prozent stimmt. Unternehmer suchen Lösungen, weil sie das Wohlergehen ihres Unternehmens sichern wollen. Wissenschaftler wollen Expertenwissen sowie die Anerkennung ihrer Kollegen erlangen. Insgesamt ist festzustellen, dass Unternehmer und Wissenschaftler in verschiedenen Berufswelten leben. Diese Unterschiedlichkeiten der Motivation anzuerkennen und auch wertzuschätzen, ist der erste Schritt einer gelingenden Kooperation. Denn es ist gut, dass Unternehmer und Wissenschaftler in verschiedenen Welten leben – wenn man sich denn auf die Stärken dieser jeweiligen Welten konzentriert. Die Stärken ergeben sich direkt aus den verschiedenen Motivationen. So ist einerseits die langfristige Perspektive der Wis­senschaft wesentlich angesichts der erhöhten Veränderungsgeschwindigkeit von wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

Es braucht einen fundierten Kompass, um angesichts der konstanten Veränderung nicht die grundsätzliche Richtung aus den Augen zu verlieren. Es braucht einen erdenden Anker und Klarheit bezüglich Prioritäten. Dies kann die Wissenschaft bieten, weil sie bestrebt ist, übergeordnete Zusammenhänge und Trends zu identifizieren und zu beschreiben. Andererseits sorgen die Ansprüche der Unternehmer dafür, dass diese langfristige und übergeordnete Perspektive konkret anwendbar wird. Es genügt nicht, einen Zusammenhang oder Trend zu identifizieren, wenn unbestimmt bleibt, was dies nun konkret für den Arbeitsalltag eines Unternehmens bedeutet. Es braucht neben dem Kompass also auch die richtigen Werkzeuge für die unternehmerische Umsetzung. Nach der Beantwortung der Frage «Was soll ich tun?» fordern Unternehmer also Antworten auf die Frage des «Wie soll ich es tun?» ein. Anzuerkennen, dass Wissenschaftler und Unternehmer in unterschiedlichem Masse für diese Antworten verantwortlich sind, ist ein wichtiger Schritt hin zu einer wertschätzenden Rollenklärung, gemäss der Prämisse: Dafür bin ich da! Und dafür nicht.

Gleiches Bedürfnis nach Synergie

Ähnlich lässt sich bezüglich der anderen Unterschiedlichkeiten von Motivationen argumentieren. So schweisst etwa der parallele Anspruch auf Effizienz und Neuartigkeit die beiden ungleichen Partner zusammen. Denn gerade der Wirtschaftsstandort Schweiz ist darauf angewiesen, über neue und innovative Lösungen eine Qualitätsführerschaft zu erlangen, mit der man sich im globalen Wettbewerb abheben kann. Interessanterweise bringt der Anspruch auf Sicherung des wirtschaftlichen Erfolges des Unternehmens beziehungsweise der Anspruch auf Erlangung von Expertenwissen des Wissenschaftlers die beiden Partner auch aus einer Ressourcen-Perspektive zusammen. Einerseits können sich gerade KMU selbständige Recherche- und Forschungsarbeiten finanziell zumeist nicht leisten, und sie sind dafür in der Regel auch personell nicht ausgestattet. Ande­rerseits sind Hochschulen verstärkt darauf angewiesen, Forschungsprojekte mit «Drittmitteln» zu finanzieren, das heisst mit Geldern privater Organisationen statt lediglich mit Geldern der öffentlichen Hand.

Für die Sicherung des Wohlergehens brauchen die Unternehmen also nicht nur das Wissen, sondern auch die Ressourcen der Wissenschaft. Und für die Wissenschaft gilt das Gleiche im Umkehrschluss. Dieses ressourcenbedingte Bedürfnis nach Synergie sollte beide Partner zu einer Haltung motivieren, das jeweilige Bedürfnis des Partners anzuerkennen und wertzuschätzen. Zusammenfassend ist zu unterstreichen, dass die unterschiedlichen Perspektiven der Partner nicht nur erklärbar, sondern geradezu notwendig sind, um die markierten Ziele zu erreichen. Jeder Versuch, diese Unterschiedlichkeiten aufzuheben, ist unangebracht, weil dadurch eingebrachte Stärken unnötig nivelliert werden. Dies beeinträchtigt die Qualität der Kooperation. Ein Wissenschaftler darf sich deshalb durchaus auf seine Stärken berufen, ohne als weltfremd, theoretisch und unpragmatisch bezeichnet zu werden; und ein Unternehmer ebenso auf die seinen, ohne als stur quartalsorientiert, zu kurzfristig denkend oder wenig theoretisch fundiert betitelt zu werden.

Perspektivwechsel ermöglichen

Wie kann also die Kooperation zwischen Wissenschaftlern und Unternehmern konkret aussehen? Hier sind zunächst gemeinsam durchgeführte Forschungsprojekte zu nennen, in deren Zentrum eine praxisrelevante Problemstellung steht. Solche Forschungsprojekte sind mittel- bis langfristige Kooperationen, innerhalb derer sich die Stärken beider Partner sehr gut entfalten. Aber auch weniger zeit- und ressourcenintensive Formate sind angebracht. Wechselseitige Einladungen zu inhaltlichen Inputs fördern Wissen und Verständnis. Hochschulen laden Referenten aus der Praxis in Aus- und Weiterbildung von Studierenden ein, Hochschul-Dozierende können anlässlich von unternehmerischen Veranstaltungen und Mitarbeiteranlässen wertvolle Perspektivwechsel ermöglichen. Eine eher neue Idee sind kurzfristige «Sabbaticals» von Wissenschaftlern in Unternehmen oder von Unternehmern in der Wissenschaft. Am meisten hilft aber der Anspruch an sich selbst, sich von einem blossen Lippenbekenntnis, dass die Kooperation von Wissenschaft und Unternehmertum wertvoll sei, zu ver­abschieden. Denn die Kooperation muss konkret gelebt und die Unterschiedlichkeiten müssen überbrückt werden. Es muss von jedem Beteiligten definiert und proklamiert werden: Dafür bin ich da! Und dafür nicht. Das ist zuweilen mühsam, aber stets lohnend.

Haben Sie Erfahrungen gemacht mit derartigen Kooperationen? Diese würden mich interessieren; schreiben Sie mir doch: ingo.stolz@hslu.ch.

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