Forschung & Entwicklung

Arbeitsumgebung (Teil 2 von 2)

Anforderungen an den Arbeitsplatz der Zukunft

Der Arbeitsplatz der Zukunft, mit der Perspektive Mensch, ist durch den Fortschritt der Technologie geprägt und durch die Fähigkeiten, die Motive sowie die Werte der Menschen. Der zweite Teil dieses Beitrags beleuchtet daraus resultierende Aspekte des innovationsorientierten Personalmanagements sowie die innovationskulturfördernden Dimensionen.
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Jedes Jahr gibt es rund 12 000 Firmenneugründungen. Fünf Jahre später sind 50 Prozent davon nicht mehr existent. Günstige gesetzliche Bestimmungen für die Gründung von Unternehmen gibt es in der Schweiz und in den skandinavischen Ländern. Die Bereitschaft zur Finanzierung ist ebenfalls bescheiden; vor allem in der Phase des «death valley» sind die Banken abstinent, sodass das «crowd lending» oder die Finanzierung im Ausland immer wichtiger wird.

Ideenmanagement

Aktuell kann eine Glorifizierung der Start-up-Kultur festgestellt werden. Parallel dazu gibt es die schleichend zunehmende Akademisierung von allem und jedem; Hauswarte sind «Bachelor in Facility Management». Wir müssen aufpassen, dass die Ausbildung nicht nur auf die digitale Zukunft setzt und die Ü50-Generation nicht nur noch den Botschaften der jungen T-Shirt-Träger lauscht, als ob diese das Evangelium neu verkünden würden. Sollte dies der Fall sein, ist dies ein Fehler. Abbildung 1 zeigt den interessanten Zusammenhang der Innovationskraft mit der Akademisierung.

Die Personalstrategien der Firmen sind auf die Erhaltung der Innovationskraft ausgerichtet. Das Personalmanagement ist gefordert und muss auf Innovation ausgerichtet sein. Die Dimensionen Strategie, Kompetenzen und Potenziale, operative Praxis und Strukturen und Prozesse müssen mit konkreten Inhalten gefüllt werden. Abbildung 2 zeigt mögliche Inhalte.

Innovationsprozesse

Die Erfahrung zeigt, dass häufig Innovationsstrategien nicht explizit vorhanden sind und dass die Innovationsprozesse nicht hinreichend beschrieben und definiert sind. Disruptive Innovationen passieren häufig ausserhalb der formalen Aufbau- und Ablaufstruktur, mit separatem Budget. Beim Ideenmanagement von Firmen gibt es ebenfalls Nachholbedarf.

Es gibt zu wenig klare Konzepte, die mit der Eingabe von Lösungsvorschlägen Einzelner oder von Arbeitsgruppen verbunden sind. Meist fehlt auch der Prozess der kontinuierlichen Verbesserung als Teil des Qualitätsmanagements. Grundsätzlich gilt: Bei mangelnder Unterstützung des Topmanagements gedeihen die Innovationskonzepte nicht.

Die Innovationskultur einer Unternehmung muss die Werte der neuen Generationen aufnehmen und gleichzeitig die folgenden Dimensionen mit Inhalt ausfüllen: Innovationsorientierung, Kreativitäts- und Wissenskultur, Vertrauen und Risikobereitschaft und die offene Haltung gegenüber dem Wandel. Die Innovationsorientierung und die offene Haltung gegenüber dem Wandel sind häufig gegeben, weil die Märkte und neuen Technologien dies verlangen. Die Kreativität und das neue Wissen werden zu wenig intensiv umgesetzt.

Neues Wissen besser nutzen

Das Ideenmanagement ist schon an­ge­sprochen worden und neues Wissen wird vor allem über die Vernetzung mit Lieferanten, Kunden und Hochschulen eingebracht. Vor allem der Wissens- und Technologie-Transfer hat häufig Nachhol-
bedarf. Es ist nicht erstaunlich, dass Firmen, die diese Netzwerke betreiben, die stärkere Wertschöpfung haben und über ein aussergewöhnliches Wachstum charakterisiert werden können. Abbildung 3 zeigt die Herausforderungen an die Gestaltung der Innovationskultur.

Generationen X und Y

Der Wandel der Werte schlägt sich in der Arbeitshaltung der Generationen nieder. Die Studie «Employing the New Generation» von 2015 zeigt für die Generationen X und Y die folgenden Werte, welche für die Gestaltung der Arbeitsbedingungen zentral sind. Vor allem die Aspekte von MINT (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technologie) sind von Bedeutung, weil es bei diesen Fächern in der Schweiz Nachholbedarf gibt. Die Generation X, die Jahrgänge 1963 bis 1981, kann wie folgt charakterisiert werden:

  • Das Arbeits- und Teamklima ist ein Hygienefaktor,
  • konstruktive Kooperation auf Teamebene mit Informationsaustausch wird gesucht,
  • Freiräume für selbst initiierte Projekte werden beansprucht,
  • Führungsbeziehungen geschehen auf Augenhöhe,
  • beim Pflichtenheft wird Mitsprache eingefordert,
  • X will als Experte akzeptiert sein,
  • sie erwarten anspruchsvolle Aufgaben, die auch in Teilzeit ausgeübt werden können,
  • es besteht hohe Mobilitätsbereitschaft beim Pendeln in vertretbarem Rahmen.
  • Die Generation Y, Jahrgänge 1982 bis 2000 – auch Millenniumsgeneration genannt –, kann wie folgt charakterisiert werden:
  • Das Arbeits- und das Teamklima sind ein wichtiger Identifikations- und Motivationsfaktor,
  • das Team wird als eine soziale Gemeinschaft verstanden,
  • der Arbeitsplatz als Ort des Lernens und der Potenzialentfaltung,
  • Freiräume zur selbstständigen Aufgabenbearbeitung sind im Rahmen von Zielvorgaben,
  • sie wollen Erfahrungen sammeln und ernst genommen werden,
  • das Vertrauen ist zentral,
  • regelmässiges Feedback zu den erbrachten Leistungen und zum persönlichen Entwicklungsstand ist wichtig,
  • es gilt das Primat der balancierten Lebensführung,
  • Überstunden sind begründungspflichtig in Verbindung mit zeitnaher Kompensation,
  • es besteht eine begrenzte Mobilitätsbereitschaft mit Verwurzelung in der Herkunftsregion, verbunden mit Sesshaftigkeit.
  • Die Möglichkeit, die Arbeitszeit flexibel zu gestalten, ist klar ersichtlich.

Interessant ist, dass eine repräsentative Studie von Xing 2017 bei der Millenniumsgeneration zeigt, dass Schweizerinnen vor allem Tierpflegerinnen, Ärztinnen oder Psychologinnen als Traumberuf angeben. Bei den Männern sind es Profisportler, Piloten oder Anwälte. Es sind also bei den wenig gefährdeten Berufen einige Traumberufe dabei. Allerdings geben 70 Prozent an, den Traumberuf verpasst zu haben, und zwei Drittel der Befragten würden gerne aussteigen.

Demografische Entwicklung

Diese Werthaltungen stehen zum Teil in Widerspruch zu den neuen Anforderungen, abgeleitet aus der Digitalisierung, wie etwa der Flexibilität von Ort und Zeit. Wichtig ist zu beachten, dass die demografische Entwicklung insofern mitspielt, als im Jahr 2020 der Anteil der Generation Y bereits bei 50 Prozent stehen wird. Es kann sich ein grosser Graben zur Generation der in Pension gegangenen Babyboomer auftun, da der Anteil der Y-Generation zunimmt.

Der Fachkräftemangel wird sich weiter ausweiten; die Finanz- und die IT-Branche gehen beispielsweise davon aus, dass über die nächsten zehn Jahre Tausende Arbeitskräfte fehlen, obwohl die Digitalisierung dafür sorgen wird, dass repetitive Tätigkeiten in dieser Branche nicht mehr existieren werden. Der Kampf um die qualifizierten Arbeitskräfte wird andauern und international ausgetragen. Eine neue Studie der UBS bestätigt die obigen Aussagen zur Generation Y.

Zeit für Massnahmen

Einerseits gehört die Schweiz seit Jahren zu den wettbewerbsfähigsten Ländern (WEF-Indikator), den glücklichsten Menschen auf der Welt («Happiness Report» der Uno) und zur innovativsten Wirtschaft (Economiesuisse), andererseits arbeiten wir aber  jedes Jahr bis zum 10. Juli für den Staat (Schätzung Avenir Suisse/Tax Freedom Day). Wir leisten uns das zweitteuerste Krankheitswesen mit einer starken Belastung der Haushaltseinkommen. Dazu kommt ein prozentual hoher Anteil von Depressionserkrankten in der Bevölkerung von rund 30 Prozent, mit der zunehmenden Abgabe von Anti-Depressiva und Schmerzmitteln (Bundesamt für Statistik).

Der Tagesanzeiger vom 21. Juli 2017 berichtet, dass vor zehn Jahren rund 400 000 Personen in der Schweiz mehrere Jobs parallel hatten, 344 000 arbeiteten unfreiwillig zu wenig. Damals waren 140 000 Personen in der Schweiz in prekären Arbeits­verhältnissen beschäftigt. Sie arbeiteten zu einem Tieflohn, leisteten Arbeit auf Abruf oder Heimarbeit. Ein Drittel der Mehrfacherwerbstätigen leistete einen zusätzlichen Tag pro Woche Teilzeitarbeit.

Es ist zu vermuten, dass sich diese Verhältnisse verschlechtert haben und dass die Digitalisierung hier einen weiteren Schub leisten wird. Können wir bei diesen Voraussetzungen für die Menschen in unserem Land einfach die «Hände in den Schoss» legen?

Porträt